Ich hasste den Unterricht. Señor García, mein Privatlehrer war schrecklich. Dass ich auch noch Einzelunterricht hatte ohne Madox, machte die ganze Sache auch nicht besser. Gelangweilt rutschte ich auf meinem Stuhl umher, während er etwas von einem Krieg erzählte.
Was war es nochmal? Der amerikanische Bürgerkrieg oder doch der Krieg mit Spanien?
Ich kam nicht mehr mit. Ehrlich gesagt lag das aber auch daran, dass ich das Fach Geschichte einfach nicht mochte. Leider wurde ich schon seit Jahren dazu verdonnert, Stunden in diesem blöden Arbeitszimmer mit dem alten García zu verbringen. Früher hatte ich gedacht, es konnte doch gar nicht schlimmer werden, doch da hatte ich mich gründlich geirrt. Ich hatte einmal gefragt, ob ich nicht mit den Kindern im Dorf zusammen Unterricht haben könnte, der Don war jedoch nicht sehr glücklich darüber gewesen.
Nachdem die Folterstunden für heute endlich abgeschlossen waren, rannte ich sofort in den Flügel von mir und meiner Mamá. Ich würde mich nur kurz umziehen, die Bluse ziepte ganz schön, dann würde ich zu Madox' und meinem Treffpunkt gehen. Er hatte mir versprochen, dass wir heute ausreiten würden. Das hatte ich schon viel zu lange nicht mehr gemacht. Eine vorfreudiges Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Ich würde ihn sowas von schlagen, wenn wir um die Wette reiten würden!
Als ich die Tür zu unserem kleinen Salón öffnete, wusste ich, dass ich heute nicht zum Reiten kommen würde.
Es war einer der schlechten Tage.
Meine Mamá lag auf dem Sofa, als sie mich sah, setzte sie sich verheult und mit einer Grimasse auf.„Lucinda. Meine wunderschöne Tochter", schniefte sie. Ich ging zu ihr und nahm sie in den Arm. Sie zitterte. Dann liess sie sich einfach zurück auf das Polster fallen.
„Wir sollten weggehen. Von hier. Einfach weg", murmelte sie vor sich hin, in einem leichten Singsang.
Sie rollte sich zu einer Kugel zusammen und ich strich ihr durch die Haare.
„Ich bin hier Mamá. Ich bin hier. Alles ist gut." Ich versuchte sie immer zu trösten, wenn sie eine ihrer Phasen hatte. Es hatte noch nie etwas gebracht, dennoch versuchte ich es immer wieder auf's Neue.
„Es ist alles so schwer, meine Kleine. So schwer, so schwer."
Ich nickte hilflos und sah, wie sie dann reglos zusammengerollt neben mir lag. Ich hatte schon versucht mit dem Don darüber zu reden, dass sie in Therapie gehen musste. Er hatte mir jedoch gar nicht richtig zugehört. Natürlich nicht.
„Bist du glücklich hier?", fragte sie mich tonlos. Das fragte sich mich jedes Mal, wenn sie einen schlechten Tag hatte.
„Ich bin hier glücklich, Mamá", antwortete ich leise. Sie schien mich gar nicht zu hören.
„Sei glücklich so lange du noch kannst. Sei glücklich, so lange....", sie beendete den Satz nicht, sondern richtete sich plötzlich auf.
„Ich muss schlafen. Ich geh schlafen, Kleine. Ich bin müde. Sehr, sehr müde."
Sie stand auf, lief in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.
Erschöpft blieb ich einfach sitzen. In dem letzten halben Jahr hatte sie immer wieder diese Tage oder manchmal sogar längere Phasen gehabt. In der letzten Zeit wurden sie aber immer häufiger und ich wusste nicht mehr, was ich dagegen tun konnte.Ich merkte gar nicht, wie lange ich auf dem Sofa sitzen blieb, bis plötzlich die Tür aufgerissen wurde und Madox hereingestürmt kam. Als er mich sah, entspannten sich seine Züge erleichtert, doch die Besorgnis blieb.
„Deine Mamá?", fragte er leise und ich nickte resigniert. Er setzte sich neben mich und zog mich in seine starken Arme. Er hatte sich in den letzten Monaten wirklich verändert.
Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und schloss die Augen. So verharrten wir, bis er wütend zu sprechen anfing: „Ich werde noch heute mit Vater reden."
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love haunts - hate too
Roman pour AdolescentsLucinda floh von ihrem alten Leben und ihrem Zuhause in Mexico. Zu gross war die Gefahr, zu schmerzhaft die Wunden. Bei der besten Freundin ihrer Mutter in den USA hofft sie ein neues Leben unter dem Namen Harlow beginnen zu können. Doch nicht nur...