Reise ins Kapitol

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Das helle Sonnenlicht blendete mich für einen kurzen Moment, und ich musste blinzeln, um wieder klar sehen zu können. Wo vorher noch die Menschenmassen aus Distrikt 3 waren, war jetzt nur noch kalte Leere zu sehen. Alle Bewohner, die sich dieses Jahr sagen konnten, dass sie nicht ausgelost wurden, würden heute feiern, jedenfalls war dies in den letzten Jahren so gewesen. Ich schluckte und beeilte mich, hinter der streng wirkenden Friedenswächterin her zu gehen. Wir gingen wortlos zum großen Bahnhof des 3. Distrikts. Dort herrschte eine drückende Stille, keine einzige Menschenseele war zu sehen, nur die trüben Wolken wehten über uns am Himmel. Der große Zug, der mich ins Kapitol bringen würde, stand schon bereit.

Die Tür des metallenen Fahrzeugs öffnete sich automatisch und ich blickte in einen dunklen Tunnel. Die Friedenswächterin neben mir blieb auf dem Bahnsteig stehen und wies in den Zug. Ich trat ein und die schwere Tür ging mit einem Knall zu. Als ich ein paar Schritte im Dunkeln gegangen war, hörte ich plötzlich eine Stimme. „Hey. Auch schon da?" Ich drehte mich um und erkannte im Dämmerlicht Leon Tayler auf mich zukommen. Er war etwas größer als ich, hatte dunkelgrüne Augen, dunkle, braune Haare und leicht gebräunte Haut. Er machte einen gut genährten, kräftigen Eindruck, hatte breite Schultern und sah mich aufmerksam an. Für die Ernte hatte er sich ein helles Hemd und eine blaue Hose angezogen, wie die meisten Jungs in seinem Alter. Er musterte mich mit genau demselben Blick, den ich ihm zuwarf, sah aber nicht unfreundlich aus und gab mir sogar die Hand. „Hi.", sagte ich und lächelte. „Ja, eine Friedenswächterin hat mich gerade hergebracht." Wir gingen den Tunnel des Zuges entlang und kamen in einen großen, beleuchteten Waggon.

Dunkelroter Teppich lag zu unseren Füßen, weiße Vorhänge bedeckten die großen Fenster an den Seiten und auf einer langen Tischplatte türmten sich gut aussehende Speisen. In dem Kamin neben dem saphirblauen Sofa brannte ein kleines Feuer, an der Decke hingen viele kleine Lampen, die den Raum beleuchteten und ein angenehmer Duft lag in der Luft.

„Wow!", entfuhr es mir. Leon staunte ebenfalls nicht schlecht. „Ich weiß, das Kapitol ist reich und lebt im Luxus, aber dass es die Tribute auch so verwöhnt ... ist mir neu." Ich war auch überrascht, doch das hinderte mich nicht daran, unsere grausame Regierung irgendwie besser zu sehen als vorher. Auf einmal vernahmen wir Schritte hinter uns und sahen bald darauf einen großen Mann mit schwarzen Haaren und Anzug. Er sah sehr elegant aus und trug eine große, silberne Uhr an der rechten Hand. Als er uns erblickte, lächelte er. „Hallo, ihr zwei! Ich bin Jack Stone, euer Mentor bei den 36. Spielen. Ich habe ein paar Fragen an euch, danach könnt ihr mir Fragen stellen, wenn ihr wollt. Zuerst Leon, dann Eva, in Ordnung?" Ich nickte und war insgeheim erleichtert. Unser zukünftiger Mentor schien sehr freundlich zu sein, auch nicht zu alt. Ich hatte einen eher ernsteren und zugleich älteren Herrn erwartet, doch Jack schien in Ordnung zu sein. Er war der 6. Sieger aus dem 3. Distrikt, hatte mir meine Mutter erzählt, der ein paar Jahre vor meinem Cousin gewonnen hatte. „Wie alt seid ihr?" „14.", sagte ich. Leon war, obwohl er größer war als ich, gleich alt. Unser Mentor wandte sich an ihn. „Was ist deine Fähigkeit? Was beherrschst du sehr gut?" Ich runzelte die Stirn. Durften wir voneinander überhaupt wissen, was der andere gut konnte? Jack schien meine Gedanken zu lesen, denn in diesem Moment fügte er hinzu: „Wenn ihr irgendwelche Fähigkeiten habt, von dem der andere nichts erfahren soll, könnt ihr mir das einzeln sagen und ich trainiere euch getrennt. Wollt ihr das?" Ich sah zu Leon. Der zuckte mit den Schultern. „Wir können auch zusammen trainieren." Ich nickte und wandte mich an Jack. „Wir trainieren gemeinsam." „Prima. Also, was kannst du gut, Leon? „Mh. Ich bin stark. Schnell. Und ich kann gut kämpfen." Das glaubte ich sofort. Leon sah schon so aus, als ob er Kampferfahrung hätte. Seine Arme waren muskulös, er war durchtrainiert und konnte bestimmt mit der einen oder anderen Waffe umgehen. Ich wusste nur nicht, ob das jetzt gut oder schlecht für mich ausfallen würde. „Und was sind deine besonderen Fähigkeiten?", erkundigte Jack sich bei mir. Uh. Fähigkeiten ... Ich dachte kurz nach. „Ich bin schnell und kann mit Pfeil und Bogen jagen." Jack nickte zufrieden. „Super. Mit dem kann man was anfangen. Im Trainingscenter eignet ihr euch neue Talente an, die ihr in der Arena brauchen werdet." Damit setzte sich Jack auf einen der Sessel im Zug und nahm sich einen Cocktail mit Schirmchen von der Tischplatte.

Endless Hope ~ Die 36. ArenaspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt