Klauen des Todes

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Ich hatte zwar keinen Fluss gefunden, dafür aber einen recht sauberen kleinen Tümpel, der uns als Trinkquelle dienen konnte. Ich bückte mich und trank ein paar Schlucke, dann wandte ich um, um zum Lager zurückzukehren. Ich hörte ein Zischen, kurz danach landet ein Messer in dem Baum direkt vor mir. Ich erschrak, und packte instinktiv meinen Bogen. „Tut mir leid. Du bist so plötzlich aufgetaucht." Ich steckte die Waffe wieder an meinen Rücken, und grinste zu Leon, der das Messer aus der Rinde zog. „Macht nichts. Ich habe dich auch einmal fast erschossen, jetzt schulde ich dir nichts mehr." Er lächelte und gab mir zwei Messer. „Viel Glück." Ich wählte einen Baum aus, der etwa zwanzig Meter von uns entfernt stand, holte aus und schleuderte die Waffe in hohem Bogen von mir weg. Die Klinge flitzte durch die Luft und ... landete in einer Eichhörnchenhöhle. „Oh nein.", stöhnte ich. „Tja, das musst du jetzt holen." Ich lief zum Baum, und begann an ihm hoch zu klettern. Oben angekommen bemerkte ich erleichtert, dass die Baumhöhle leer war. Das Messer hätte jedes Eichhörnchen verletzen oder töten können, und ich jagte ausschließlich dann, wenn wir wirklich etwas zu essen brauchten. Doch dank des Rehes hatten wir erstmal genug.

Auf einmal verharrte ich auf dem Ast und lauschte angestrengt. Ein merkwürdiges Heulen und Knurren erfüllte den Wald. Ich wandte meine Augen in diese Richtung und krallte mich an der Rinde fest, um nicht herunter zu fallen. Gänsehaut übersäte meine nackten Arme. „Mutationen! Sie kommen! Hol Emilia!", schrie ich herunter und sah durch die Äste, wie Leon sofort lossprintete, ohne Fragen zu stellen. Ich starrte schaudernd weiter in die Ferne. Unverkennbar. Sie waren nicht mehr weit entfernt. Dunkle, pelzige Tiere, die durch den Wald jagten und Tribute töteten. Die Spielmacher ließen bei den meisten Spielen ihrer Fantasie freien Lauf und schickten mit nur einem Knopfdruck die brutalsten Tiere in die Arena. Diese Wesen waren genetisch veränderte Tiere, die einzig und allein darauf aus sind, uns zu jagen und so die Spiele etwas unterhaltsamer zu gestalten. Sie wurden im Kontrollraum erschaffen und von dort in die Arena gebeamt, natürlich dorthin, wo gerade die meisten Tribute waren. Gestern mussten wir dem Tod im Kampf ausweichen, aber jetzt kam eine neue Herausforderung, die von ganz anderem Ausmaß war. Denn hier hatten wir keine Ahnung, auf was wir uns einlassen mussten.

Ich kletterte den Baumstamm hinab, Schritt für Schritt, doch bei einem Ast, dessen Holz schon morsch war, verlor ich den Halt und fiel hinab. Ein paar Mal krachte ich durch das Geäst, stürzte hindurch, bis ich schließlich mit dem Rücken auf dem Waldboden landete. Der Aufprall nahm mir sekundenlang die Luft zum Atmen, ich war unfähig, mich zu bewegen. Doch ein Knurren weiter hinter mir brachte mich zur Besinnung. Ich stand auf, und hielt meine Waffe in den Armen. Das Knurren kam näher und wurde immer lauter. Eine schwarze Pfote, der ein dunkler, muskulöser Körper folgte, tauchte aus dem Farn hervor, gut 8 Meter von mir entfernt. Die Bestie sah aus wie eine Mischung aus einem Wolf und einem Tiger aus, doch sein Fell war nachtschwarz, seine gelben Augen fixierten die Pfeilspitze, die jetzt unmittelbar vor seiner Stirn war. Mein Atem ging flach, ich wagte mich nicht zu bewegen, da sich das Monster dann auf mich stürzen würde. So jedenfalls meine Theorie.

Sein breiter Kopf, die langen Beine, die riesigen Reißzähne im nassen Maul, das kurze, struppige Fell, die langen Beine, mit der es jeden Tribut abhängen konnte. Hier nützten mir meine Gedanken an Hoffnung nicht.

Plötzlich jaulte das Raubtier auf, und begann wild zu knurren. Zwei Pfeile steckten in seinem Körper, und setzten tiefe Wunden in das Fleisch. Ich löste meine Starre auf und rannte abrupt los, Angst drohte mich zu überwältigen. „Eva, hierher!", hörte ich eine bekannte Stimme, riss meine Beine um, und lief fast in Leon hinein, der mit gezücktem Schwert hinter einem Baum gestanden hatte. „Das war Emilia, oder? Sie hat die Pfeile geschossen." Er nickte. „Das wird die Bestie aber nicht lange aufhalten. Komm mit." Emilia raste an mir vorbei und gemeinsam flohen wir vor der Raubkatze, die nun richtig sauer war. Mir kam ein Gedanke, und auch wenn ich wusste, wie absurd er klingen musste, rief ich es meinen Freunden zu. Ich wusste, dass jede noch so perfekte Mutation eine Schwäche hatte. „Emilia, Leon, ich weiß, es klingt verrückt, aber ich glaube, dieses ... dieses Tier sieht uns nicht, wenn wir uns nicht bewegen. Es hat mich auch nicht gesehen, nur gerochen. Es hätte mich sonst längst umgebracht." Leon fiel etwas zurück und rannte nun neben mir her. „Könnte möglich sein, aber könnten wir das ein anderes Mal austesten? Es sein denn, du möchtest jetzt allen Ernstes stehen bleiben ..." Ich schüttelte den Kopf und suchte Emilia. Ja, sie war noch da.

Endless Hope ~ Die 36. ArenaspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt