Alles oder nichts

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Dann wurden wir alleine gelassen, der Lift fuhr mit Jack und Emma wieder hinauf und wir waren im spärlich beleuchteten Trainingscenter. Dort setzten wir uns auf die kleine Bank, auf der wir warteten, bis wir aufgerufen wurden. Mein Herz pochte, ich war nervös.

Was sollten wir tun, wenn wir es nicht schaffen würden, jetzt eine hohe Punktezahl zu erreichen? Wenn wir diese einmalige Chance verpatzten? Wie würden die Sponsoren unsere Wertung interpretieren? Würden wir überhaupt Sponsoren bekommen? Vielleicht hatten wir bei der Eröffnungsfeier schon welche gehabt. Ich hatte keine Ahnung, was das anging, und Jack verriet uns auch nichts, sodass wir beide im Dunkeln tappen mussten.

Vor uns zeigten Flash, Scarlett, Max und Mona ihr Können den Richtern, und nach meiner Vorstellung waren Felix und Emilia dran, und dann ging es immer so weiter, bis zum 15. Distrikt. Wir wussten nicht, was die anderen Tribute vorzeigten, da jeder einzeln aufgerufen wurde. Deswegen hatte ich auch über das Bogenschießen nichts preisgegeben.

Ich spürte eine leichte Berührung an der Hand. Leon's warme Hand ruhte beruhigend auf meiner. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie sehr meine Finger zitterten. „Das machen wir mit links.", meinte er zuverlässig und drückte mich an sich. Ich war etwas überrascht über diese freundschaftliche Geste, doch ich fühlte mich wider Willen besser. „Wir schaffen das.", flüsterte er. Ich nickte. „Du schon." „Du doch auch." Dann blieben wir stumm, und ich war etwas erleichterter, denn meine Hände zitterten nicht mehr. Ich musste Leon nicht ansehen, um zu wissen, dass er seine Aufregung gut verbarg. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, doch ich hörte, wie schnell sein Herz schlug, als mein Kopf an seiner Brust ruhte.

„Distrikt 3. Leon Tayler.", verkündete etwa eine halbe Stunde später eine helle Frauenstimme aus dem Lautsprecher über uns. Leon stand auf und drehte sich zu mir um. „Viel Glück.", wünschte ich ihm, bevor er verschwand. „Danke, dir auch." Er trat durch das Tor und ich blieb allein. Nach etwa einer Viertelstunde Stille öffnete sich die Tür erneut und mein Teampartner trat aus dem Trainingsraum. Er schwitzte und wirkte erschöpft. „Ich glaube meine Bewertung wird nicht allzu schlecht ausfallen. Sie waren ziemlich beeindruckt." „Cool.", freute ich mich für ihn. Obwohl wir beide immer noch an den Streit dachten, waren wir Freunde geblieben. Er hatte sich gegen die Karriere-Tribute gestellt und sich stattdessen mit mir verbündet. Das würde ich ihm nicht vergessen, „Distrikt 3. Eva Unterberger.", forderte die Frauenstimme.

Ich atmete tief ein, mein Herz begann wieder zu pochen. „Los, das schaffst du locker." Leon klopfte mir ermutigend auf die Schulter. „Keiner kann besser schießen als du!" Ich lächelte dankbar und ging durch die Tür. Jetzt war ich allein. Allein gegen die Spielmacher. Sie saßen auf einer erhöhten Galerie und sahen zu mir herunter. Es war Absicht, dass sie uns während der Trainingswoche nur aus Kameras beobachteten, denn wenn man ihnen jetzt unmittelbar gegenüberstand, wurde man gleich viel angespannter und man musste sich mehr konzentrieren, um ja keine Fehler zu machen. Fünf Avox-Diener, die allesamt in der gleichen beigen Uniform herumliefen, trugen Tablette mit Getränken und Speisen herein, von dem sich die Kampfrichter ausgiebig bedienten. Es waren zirka dreißig Personen, die jedes Jahr die Tribute auf die Probe stellten. Ich sah zu ihnen herauf.

Einer von ihnen hatte giftgrüne Haare und orange Kontaktlinsen, die der Augen einer Katze glichen, ein anderer trug ein quietschgelbes Kostüm, dass neonfarben leuchtete. Die blutroten Haare einer Frau waren so gestaltet, dass sie wie ein Hut aussahen. Und der schwarz-weiße Anzug eines älteren Herrn ließ ihn wie einen Pinguin erscheinen. Sie sahen nicht gerade furchteinflößend aus, eher zum Totlachen. Und doch war ich verdammt nervös und versuchte meine zittrigen Knie und nassen Hände unter Kontrolle zu bringen. Ich ging in die Mitte, schwang mir den Köcher mit fünf kleinen, silbernen Pfeilen um die Schulter, setzte einen davon an die Sehne, spannte den Bogen und zielte auf den kleinen, schwarzen Punkt. Die Zielscheibe war circa 30 Meter weit entfernt. Dies war zwar schwieriger als in der vergangenen Woche, musste aber dank der Einzeltrainings mit Jack klappen.

Endless Hope ~ Die 36. ArenaspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt