Kälte war alles, was ich spürte. Bittere Kälte und düstere Stille. Ich öffnete meine Augen, hustete eine Ladung übel schmeckendes Flusswasser aus und schnappte keuchend nach Luft. Endlich füllten sich meine Lungen wieder mit Sauerstoff. Mein Kopf hämmerte, alles drehte sich um mich und ich schloss wieder meine Augen. Ich brauchte Zeit, um mich orientieren zu können. Wo war ich? Was war passiert?
Ich richtete mich auf und merkte erst jetzt, dass ich völlig durchnässt war. Kies und Schlamm klebten an mir, aber ich schien nicht ernsthaft verletzt zu sein, außer ein paar Prellungen hatte ich keine offenen Wunden. Nasser Kies und Sand bedeckten meinen Körper zur Hälfte, und meine Muskeln fühlten sich so an, als ob sie in Eis gelegen hätten. Ich hob den Kopf und sah zum Wasserfall. Ich hatte wahres Glück gehabt, dass ich nicht zwischen die Steine gefallen war, denn ein Aufprall darauf hätte mich mit Sicherheit umgebracht. Ich rappelte mich aus dem nassen Ufersand hoch und setzte mich auf einen Stein. Der verletzte Knöchel meldete sich abrupt, aber das eiskalte Wasser, indem ich um mein Leben geschwommen war, hatte verhindert, dass er weiter anschwoll. Außer meinem Knöchel tastete ich vorsichtig meine Gelenke aus.
Ich war zwar ziemlich erschöpft und verdreckt, aber glücklicherweise nicht verletzt. Es war mir ein Rätsel, wie ich es überleben konnte, den Wasserfall hinab zu stürzen. Meine Gedanken mussten sich erst mal klären. Wo war ich? Ich sah mich um, bei dem meterhohen Sturz ins Wasser hatte ich komplett die Orientierung verloren. Der Wasserfall fiel über eine Klippe aus nassen, grauen Felswänden. Der Strom mündete in einem großen Teich, an dessen Ufer ich mich befand. Hohe, dicht beieinanderstehende Kiefern wuchsen um den See und wirkten wie bedrohlichen Schatten in der Dämmerung. Hier war ich noch nie, was klar war, denn es war ja auch ein völlig neuer Teil der Arena, der hinter der Felsenlandschaft lag.
Bestimmt war das Füllhorn jetzt Kilometer von mir entfernt. Trotz der Schmerzen, die mir in die Glieder fuhren, als ich aufstand, stolperte ich ein paar Schritte vorwärts. Ich suchte eine geeignete Stelle bei den Felsen und begann, mir einen Weg nach oben zu suchen. Da erst bemerkte ich, dass kein Gewicht mehr auf meinem Rücken lastete. Mit einer Hand tastete ich nach hinten, und mein Angst bestätigte sich: Ich hatte meinen Bogen und meine Pfeile im Fluss verloren. Nur mein Messer steckte noch im Gürtel, aber das war immer noch besser als nichts. Es war anstrengend, aber mein ganzer Wille war darauf beschränkt, diese Felswand hoch zu kommen. Jeder große Stein diente zum Festhalten, ich war zwar kraftlos, gab jedoch nicht auf. Als ich schließlich oben war, schlug mein Herz viele Takte schneller, und ich musste mich für einen Moment ausruhen, bis ich weiter konnte. Die vielen Stunden ohne etwas zu Essen, die Strömung des Flusses, der Sturz über die Klippe, der tödlich enden hätte können, und die steile Felswand hoch zu klettern war einfach zu viel. Nach etwa einer Stunde, in der ich mich etwas beruhigt und ausgeruht hatte, ging ich zum Waldrand. Und dort entdeckte ich sie tatsächlich. Eine kleine, verbrannte Stelle unter einem aufgeschichteten Blätterhaufen. An dieser Feuerstelle hatten Emilia und Leon geschlafen, es war gar nicht so lange her, da die Eindrücke noch frisch waren. Bestimmt hatten sie nach mir gesucht.
Ein kleiner Platz mit viel weichen Blättern, hier lag höchstwahrscheinlich Emilia. Daneben Leon in seinem Schlafsack. Ich erkannte auch einen dritten Fleck in der Erde, auf der anderen Seite der Feuerstelle. Was hatte das zu bedeuten? Ich strengte meine vernebelten Gehirnzellen an, und kam auf die Idee, dass sie ein Bündnis geschlossen haben konnten. Die Möglichkeit das andere Tribute hier übernachtet hatten, schloss ich aus, denn ich kannte die Fußabdrücke von Leon, und die kleineren von Emilia.
Nur wer war der dritte? Es waren nicht mehr so viele von uns übrig. Sie mussten sie sich hier in der Nähe befinden, die Erde unter den Blättern war noch feucht und die Kohlen des Feuers hatten vor nicht allzu langer Zeit noch schön heiß gebrannt.
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Endless Hope ~ Die 36. Arenaspiele
FanfictionAls die 14-jährige Eva für die alljährlichen Spiele, die jedes Jahr in Panem von dem dort herrschenden Kapitol befehligt werden, ausgelost wird, ist ihr klar, dass sie nicht den Hauch einer Chance hat, in der Arena zu überleben. Oder etwa doch? Geme...