Etwas stupste mich an. Ich ignorierte es. Wieder stieß ein kleiner Finger in meine Seite. „Was ist denn?", murmelte ich leicht mürrisch. „Du hast gesagt, ich soll dich am Vormittag wecken. Du hast verschlafen.", erklärte Emilia vorwurfsvoll. Ich stand auf und klaubte mir Moosfetzten aus den Haaren und von der Kleidung. Stimmt, ich wollte heute früh aufstehen, und diesen Tag nutzen, um Eva zu finden.
„Jetzt bin ich ja wach.", entgegnete ich schnell. „Der Haken an der Sache ist, dass wir keine blasse Ahnung haben, wo sie jetzt ist, geschweige denn, wo diese grässlichen Mutationen sind. Wir wissen nicht, wo wir suchen sollen.", sagte Emilia, schulterte ihren Bogen und verdeckte unsere Feuerstelle mit ein paar Blättern. Ich schauderte. Bis vor kurzem hatte ich die Wahrheit immer verdrängt, um uns beiden Hoffnung zu machen, aber jetzt war sie heraus. „Dann denkst du also, es ist hoffnungslos, sie zu finden?" Meine Stimme wurde laut. „Es ist mir egal, wie lange es dauern wird, sie zu finden, klar? Sie hätte ihr Leben für unseres aufs Spiel gesetzt, da werde ich sie nicht aufgeben.", gab ich wütend zurück.
Abrupt drehte ich mich um, und ging los. Hinter mir hörte ich, wie Emilia mir folgte. Ich wusste, dass es nicht fair gewesen war, meine Stimme so hart klingen zu lassen. Sie konnte nichts dafür, dass wir von Eva getrennt waren. Der Einzige, der etwas dafür konnte, war ich. Diese Erkenntnis traf mich jedes Mal wie ein Schlag in die Magengrube. „Wäre ich doch bei ihr geblieben.", sagte ich. Meine Stimme hörte sich brüchig an, doch ich wusste, dass ich nicht weinen durfte. Ich musste stark sein. Für Emilia. Für Eva.
Meine Freundin neben mir schüttelte entschieden den Kopf. „Leon, das ist nicht wahr. Es gibt nichts, was du hättest tun können, glaub mir." „Ich hätte bei ihr bleiben können! Ihr helfen! Gegen diese Mutanten kämpfen, oder sie von ihr ablenken, dass sie fliehen hätte können. Ich habe ihr vor den Spielen versprochen, ihr zu helfen, aber ich habe versagt." Meine Stimme versagte.
„Du weißt, dass Eva manchmal genauso ein Dickkopf sein kann, wie du einer bist. Wo sie auch ist, sie wird niemals daran denken, aufzugeben, auch wenn es noch so schwer ist!" Ich ahnte, dass sie „auch wenn die Spielmacher es ihr noch so schwer machen.", sagen wollte. Da fiel mir wieder ein, dass ich gerade in Panem gezeigt wurde, ich musste wieder meine Rolle als Tribut einnehmen, für das Kapitol, das mir zusah. Wie auch in den Distrikten, in Distrikt 3, meiner Heimat ... Meiner und Evas Heimat.
Reiß dich zusammen, befahl ich mir. Ich hielt mich etwas aufrechter, und ließ Entschlossenheit auf meinem Gesicht Platz finden. Das Kapitol musste sehen, dass ich nicht aufgab. Ich lächelte zu Emilia. „Du hast Recht." Sie grinste und boxte mich freundschaftlich in die Seite. „Ach, ist dir das etwa neu?", feixte sie. Wir liefen auf einen Hügel hinauf, um uns einen besseren Überblick zu verschaffen. Die Sonne am bewölkten Himmel stand schon hoch und schien uns ins Gesicht und auf die weitläufige, idyllisch wirkende Landschaft. Alles Trug, dachte ich. Es war keine echte Schönheit. Die gesamte Arena diente einzig und allein dazu, uns zu fangen, uns zu zwingen uns gegenseitig zu bekämpfen.
„Ihr schon wieder.", hörten wir prompt jemanden hinter uns sagen. Alarmiert drehten wir uns um, die Waffen genauso bereit, wie unser Zusammenhalt. Vor uns sahen wir einen hochgewachsenen Jungen mit gebräunter Haut, dunkelblonden, verwuschelten Haaren und braunen Augen vor uns. Weder Emilia noch ich hatten bemerkt, wie er sich auf den Hügel geschlichen hatte. Er war nur ein wenig kleiner als ich und trug ein Messer und jede Menge Drähte an seinem Gürtel. Die Drähte hatte ich im Trainingscenter gesehen, mit ihnen konnte man erfolgreich Fallen bauen.
Ich kramte in meinen Erinnerungen, versuchte, mich zu erinnern, wie er hieß, und wovon er kam. Ich hielt seinem Blick stand und senkte das Schwert nicht, um dem Tribut vor mir zu zeigen, dass es nicht klug wäre, würde er gegen uns kämpfen wollen. Er bemerkte die Geste, und hob beschwichtigend die Hände. „Ruhig Blut, ich will keinen Kampf gegen euch führen." Emilia warf mir einen warnenden Blick zu und machte einen Schritt auf den Jungen zu. „Gut. Wir auch nicht."
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Endless Hope ~ Die 36. Arenaspiele
FanfictionAls die 14-jährige Eva für die alljährlichen Spiele, die jedes Jahr in Panem von dem dort herrschenden Kapitol befehligt werden, ausgelost wird, ist ihr klar, dass sie nicht den Hauch einer Chance hat, in der Arena zu überleben. Oder etwa doch? Geme...