Feuer und Sturm

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Am Nachmittag des 6. Tages in der Arena wanderten wir unaufhörlich den Berg hinauf. In den Gebirgen konnte man das Tal überblicken und es gab zahlreiche Versteckmöglichkeiten. Ich hoffte nur, dass wir das Mädchen in der schier endlosen Arena fanden, bevor die Karrieros es taten.

Selbst wenn sie die Wahrheit über Ryan's Tod herausfinden würden, es machte für diese blutrünstigen Krieger keinen Unterschied. Sie würden Emilia umbringen, wenn sie einmal vor ihr standen, ganz gleich, was mit Ryan passiert war.

Als wir schon sehr weit gegangen waren, auf einem Kiesweg, entlang des Waldes, in dem wir immer wieder Halt machten, um zu jagen oder zu trinken, hörte ich ein krachendes Geräusch. Direkt über uns verdichteten sich die Wolken am Himmel, brauten sich zu einer einzigen, schwarzen Masse zusammen und donnerten bedrohlich laut. Kalter Regen prasselte auf uns herab und nur in wenigen Sekunden waren wir bis auf die Knochen durchnässt und zitterten am ganzen Körper. Ich schlang die Tributenjacke um mich, die leider auch völlig durchweicht war, und deshalb kein bisschen Wärme spendete.

Zuckende Blitze krachten über dem Berg am zementgrauen Himmel, der Donner dröhnte in den Ohren und ein heftiger Sturm wehte uns fast die Haare vom Kopf. „Wir müssen einen Unterschlupf suchen.", schrie Leon über das Gewitter hinweg. Plötzlich schlug ein Blitz neben uns in einen Bau ein und setzte ihn im Bruchteil einer Sekunde in Flammen. Wir sprangen zur Seite, um der umstürzenden Eiche auszuweichen. Ein paar Sekunden lang erinnerte mich das Bild an meinen Traum der ersten Nacht in der Arena. Dann konzentrierte ich mich wieder auf die Realität.

Durch den Regen sah man einen kleinen Lichtpunkt, der immer größer wurde. Es war eine Feuerwand, die sich ihren Weg durch Bäume und Gestrüpp suchte. Sie bewegte sich schnell auf und zu und kam immer näher.

„Pass auf!", schrie ich nach hinten. Wir rannten weiter nach vorne, wichen dabei den züngelnden Flammen und herunter fallenden Holzstücken aus, die aufgewirbelt wurden. Ein stämmiger, morscher Ast fing an lichterloh zu brennen und krachte durch das Blätterdach auf uns herab. Leon rettete sich gerade noch mit einem gewaltigen Sprung zur Seite. Ein scharfer Steinsplitter, der im Sturm herum wirbelte, kam sich um seine eigene Achse drehend auf mich zu. Ich rollte mich blitzschnell rückwärts, sodass der Steinzacken vorbeidonnerte

Jedoch merkte ich zu spät, dass ich mich jetzt gefährlich nahe am Abgrund des Berges befand. Ich hielt mich am hohen Gras fest und stemmte mich mit aller Kraft nach oben. Meine Füße fanden keinen Halt, doch meine Finger krallten sich in die feucht gewordene Erde. Mir war klar, dass es die Spielmacher auf uns abgesehen hatten. Der Sturm heulte, die Bäume bogen sich ächzend im Wind und das Feuer breitete sich rasend schnell um uns aus. Dichter Rauch bedeckte die Luft und alles, was wir sahen, waren zischende, meterhohe Flammen.

Das Wasser rann in Sturzbächen hinab, an der Glut vorbei, und durchweichte die Erde. Das Gras unter mir löste sich und ich verlor den Halt. „Leon!", schrie ich. „Ich rutsche ab!" Doch meine Stimme wurde vom heulenden Wirbelwind und den knisternden Ästen, die im Feuer untergingen, übertönt. „Leon!", schrie ich abermals. Meine Hände zitterten, und meine Beine wurden immer schwächer.

Unter mir, im Abgrund häuften sich große, grau-schwarze Steine, und wenn ich losließe, würd ich mir sämtliche Knochen und womöglich auch das Genick brechen. „Leon!" Und wenn er auch in Gefahr war? Ich blinzelte, Regen rann mir übers Gesicht, die verqualmte Luft machte meine Sicht noch schlechter. So wollte ich nicht sterben! Ich wollte leben! Auf einmal erkannte ich durch den Wirbelsturm Leon, der auf mich zulief. Er fasste meine Arme, genau in dem Moment, wo ich unter Schwäche hätte loslassen müssen. Er ging ein paar Schritte zurück, und zog mich mit all seiner Kraft über die Kante des Abhangs. Als ich halbwegs auf den Füßen stand, liefen wir nebeneinander weiter und weiter, nur weg von diesem Feuer! Blindlings stürzten wir in den Wald, rannten um unser Leben. Über uns krachte es ohrenbetäubend aus den Wolken, die gar nicht mehr als solche zu erkenne waren, und ein brennender Ast stürzte herab, doch wir wichen beide mit einem einzigen Satz durch Dornengebüsch aus. So entkamen wir dem tödlichen Schlag. Dornen zerkratzten meine Arme und Beine, doch das nahm ich gar nicht wahr. Adrenalin schoss durch meine Adern, spornte meine zu Eis gewordenen Muskeln wieder an, gab mir neue Kraft. Ich zog mein Shirt über die Nase und hustete den Rauch aus meiner vertrockneten Kehle, doch sie brannte genauso wie vorher.

Endless Hope ~ Die 36. ArenaspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt