Kapitel 18

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Dass ich früher als gedacht aufwachte, merkte ich, als ich allein war und noch immer auf dem OP-Tisch lag. Meine ganzen Gliedmaßen schmerzten und auch meine Augen taten weh. Bei jeder einzelnen Bewegung pochten sie beide stark. Selbst das Entspannen tat höllisch weh. Meine Sicht war verschwommen und mein Kopf hing zu allen Seiten herunter, da er sich einfach so schwer anfühlte.

„Tobi?“, fragte ich benommen, als ich mich langsam aufsetzte.
Als ich mich aufsetzte, pochte mein ganzer Körper. Ein wenig erinnerte es mich wie bei einer Grippe, nur in schlimmer. Aber ich bekam keine Antwort. Im Raum war nämlich nur mein Atem zu hören, sonst überhaupt nichts. Da sowieso niemand da war, dachte ich mir, dass es bestimmt kein Problem sei, wenn ich einfach den Keller verlassen könnte. Stöhnend vor Schmerzen stieg ich von dem Tisch und brauchte eine kurze Pause, bevor ich mich vorsichtig auf die Beine hievte. Ich hatte überhaupt nicht erwartet, dass Gehen so anstrengend sein konnte, aber mein Körper wollte es ja möglich machen und ließ mich unendliche Quälen erleiden, als ich langsam die Treppe nach oben ging.

Ich wusste gar nicht, was ich überhaupt da oben wollte und warum ich mir die Mühe machte. Im Hinterkopf hatte ich noch, dass ich scheinbar mein eigenes Zimmer dort bekommen sollte und in dieses wollte ich mich wohl zurückziehen. Das war mir lieber, als noch weiter auf dem OP-Tisch zu liegen und nur darauf zu warten, dass mir irgendwer von Akatsuki die Gnade erweisen würde, mich dorthin zu bringen. Bevor ich also für die nächsten Stunden auf diesem Tisch vor mich hin leben würde, wollte ich mir wohl die Schmerzen aufbürden und mich aus eigener Kraft in das Zimmer bringen.

Nur war die Frage, welches Zimmer davon für mich bestimmt war. Mir war klar, dass kein Schild mit meinem Namen an der Tür auf mich warten würde, aber ich wollte zumindest ein Bett oder Futon haben, auf den ich mich legen konnte, was ich in den ersten beiden Zimmern nicht finden konnte. Im Flur, als ich gerade auf den Weg zum nächsten Zimmer war, pochten meine Augen stark, sodass ich mich an der Wand stützen musste. Schweratmend zwang ich mich, einfach weiterzugehen.

Meine Sicht war doppelt behaftet und kaum merkbar öffnete ich die nächste Tür. Eine Person lag bereits in dem Zimmer, weshalb ich mich murmelnd entschuldigte und das Zimmer wieder verlassen wollte, als mir plötzlich ein ganz seltsames Gefühl auf den Rücken glitt. Ich drehte mich wieder Richtung Zimmer und kniff meine Augen näher zusammen, um meine Sicht zu schärfen. Da war jemand, den ich nicht kannte. Diese Person trug einfache Kleidung und ein Mantel von Akatsuki war auch nirgends zu sehen. Verwirrt kam ich langsam auf den Futon zu, auf den die Person lag.

Und sofort schoss mir das Adrenalin durch den ganzen Körper und ließ mich sogar wieder fast klar denken. Es war niemand geringeres als Ren, der dort in dem Futon lag. Das erkannte ich durch die hellbraunen Haare und dem Mutternmal an seinem Hals, der wie ein Farbklecks aussah. Stolpernd lief ich auf den Futon zu und kniete mich vor ihn hin. Ich war mit Angst erfüllt, obwohl ich mich eigentlich freuen sollte. Ich griff nach seiner Hand und mir ging ein Licht auf, als ich ihn berührte. Seine Hand war eiskalt und je länger ich ihn ansah, umso mehr merkte ich, dass er sich nicht regte. Nicht einmal das langsame Heben und Senken seiner Brust war zu sehen und auch wenn es offensichtlich war, dass er nicht mehr am Leben war, rüttelte ich an seiner Schulter und hoffte, dass er jeden Moment seine Augen öffnen und mich wiedererkennen würde. Ich wollte es nicht akzeptieren. Um Ren zu helfen, hatte ich Sasuke aufgegeben, womit Ren meine einzige Hoffnung im Leben war. Und nun nahm er diese Hoffnung mit ins Grab und ließ mich allein dort hinvegetieren. Er nahm meinen letzten Lebenswillen mit sich.

Wie bei der Betäubung von Tobi fühlte sich mein Körper nun wieder so an und ich senkte den Blick. Mein Unterkiefer fing an zu zittern und die Tränen sammelten sich in meinen Augen, wobei ich wusste, wenn ich jetzt anfangen würde zu weinen, würde ich gar nicht mehr aufhören können. Daher suchte mein Blick verzweifelt nach einer Ablenkung im Raum, der ich mich widmen konnte, um die Tränen verschwinden zu lassen. Während mein Blick hektisch durch den Raum ging, blieb ich plötzlich an dem Spiegel an der Wand hängen, der den ganzen Raum widerspiegelte. Meine Kinnlage war geöffnet und ich hoffte die ganze Zeit, dass es nur eine Einbildung war. Dass ich immer noch doppelt sehen würde, aber ich tat es nicht. Mein Blick war an dem Tag noch nie schärfer gewesen, was mich nach mehreren Sekunden endlich realisieren ließ, warum ich Ren erst nach dieser Operation sehen durfte.

Ich schaute wieder zu Ren und traute mich erst nicht, hob dann aber doch sein linkes Augenglied an und schloss es direkt wieder. Mein Atem stockte. Nach kurzer Zeit schaute ich aber wieder zum Spiegel und betrachtete das zweite bläuliche Auge, dass sich nun auch auf meiner linken Seite befand.

Aus Verzweiflung musste ich einmal lächeln und zugeben, dass ich wirklich dumm war. Erst ließ ich mich davon überzeugen, eine Operation einzugehen und dann Ren erst nach meiner Behandlung zu sehen. Dass sie Ren getötet haben, um an sein Auge zu kommen, nur um es danach durch mein schlechtes Auge zu tauschen, war eigentlich gar nicht so abwegig. Daher sollte ich ihn auch erst danach sehen, damit ich es mir auch ja nicht anders überlegen würde. Mir blieb nichts anderes übrig, als einfach zu weinen.

Mit aller Kraft, die mir in dem Moment zur Verfügung stand, weinte ich mir die ganze Flüssigkeit aus dem Körper und schrie mir die Seele aus dem Leid, als ich erkannte, in was für eine Scheiße ich mich hereingeritten hatte und dass mir nichts mehr von dem übrig blieb, was ich einst erhoffte. Mein Atem stockte dabei immer und mein Herz konnte mit diesem Aufwand an Kraft gar nicht umgehen. Es stockte regelmäßig, genau wie meine Schreie, aus der die Trauer und Verzweiflung deutlich zu hören waren, die ich in dem Moment verspürte. Eigentlich wollte ich mich doch nur auf eine kleine Reise mit Sasuke begeben, meinen Bruder finden und dann glücklich bis an mein Lebensende mit beiden friedlich leben, aber das war wohl deutlich zu viel verlangt.

Beide Augen, die nun beide gleichermaßen stark waren, pochten heftiger als zuvor, was aber nur den Schmerzen meiner seelischen Verfassung entsprachen. Ich schnappte nach Luft und stieß die Hand, die sich auf meine Schulter legte, automatisch von mir weg. Mir war es in dem Moment total egal, wer mir diese Hand auf die Schulter legte, weshalb ich auch erst gar nicht hinsah. Ich drückte mir weiter die Handballen gegen die Augen, um damit den Schmerzen entgegenzuwirken und auch mit dem Weinen aufzuhören. Aber weder das eine noch das andere funktionierte. Als ich jedoch ein weiteres Mal eine Hand auf mir spürte, hatte ich genug.

Mit einem kräftigeren Schlag stieß ich die Hand erneut von mir weg und schaute dabei verärgert zu der Person, die sich als Tobi herausstellte. Egal wer dort gestanden hätte, niemanden hätte ich gerne dort gehabt. Dadurch, dass ich ihn ansah und meinen Hass auf ihn richtete, schlug ich nicht nur seine Hand weg. Auch wollte ich in dem Moment alles von mir stoßen, was ich dann auch tat.

Alles, was sich vor mir befand, wehte ich in ein paar Sekunden weg. Der Tempel teilte sich in zwei Hälften: Die Hälfte, in der ich noch auf dem Boden saß und Ren hinter mir lag und die andere Hälfte, die man über mehrere Kilometer hätte wieder zusammenbauen müssen. Aber es blieb nicht nur bei dem Tempel, sondern die Bäume und der kleine See wurden ebenfalls mit aus dem Boden gerissen und weggeschleudert. Aber Tobi blieb unbeeindruckt vor mir stehen und schaute einmal kurz nach hinten, um sich mein Werk anzusehen.

Ich schaute zu Pain, der mit Kisame und Itachi das Feld betrat und zu verstehen schien, was dort abging. Eigentlich wollte ich wieder zu Tobi sehen, aber er war weg. Noch immer weinend drehte ich mich zu Ren und schaute, dass ich ihn nicht weggeschleudert hatte. Aber er lag noch immer unversehrt hinter mir. Wofür riss ich mich eigentlich noch zusammen?

Die Stäbe, die ich bereits bei meiner ersten Begegnung mit Pain kennengelernt hatte, flogen in einem unglaublich schnellen Tempo auf mich zu, dass ich mir selbst eigentlich kaum zutraute, sie so schnell zu sehen. Ich wollte aufstehen und schaute nur der schwarzen Masse vor mir zu, die die Stäbe mich für abfingen. Es waren diese schwarzen Kugeln, die ich zu dieser Masse formte. Als ich wackelig aufstand, formten sich die Kugeln zurück, sodass ich die drei wieder sehen konnte. Die weiteren Stäbe fing ich mit der Hand ab und ließ sie zu Boden fallen.

Mein Hass richtete sich auf Pain, den ich für die Situation verantwortlich machte. Und da ich mich noch nie stärker gefühlt habe, musste ich diese Chance nutzen. Ich wusste nicht, wann ich das nächste Mal so eine Kraft hatte und wahrscheinlich würde ich mich auch zusammenreißen, wenn ich wieder bei klarem Verstand war. Ohne Zurückhalt machte ich meine ersten Schritte auf Pain zu.

Ich hatte das Gefühl, dass mir alle Knochen gebrochen wurden. Nicht durch Pain, sondern durch meine Überanstrengung, ihn zu töten.

Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Aus den Wurzeln gerissene, brennende Bäume sprangen mir sofort in die Augen. Das Gras war auch nur noch braun, wenn dann welches noch in der Erde war. Willkürliche Felsen ragten aus dem Boden heraus, tiefe Schlaglöcher zogen sich über die ganze Sichtweite und von der einst so schönen Landschaft, die fast schon einer Oase galt, war nichts mehr zu sehen. Der Regen prasselte auf mich herab und mein schwacher Blick, der von dem Regen benetzt wurde, richtete sich langsam zu Itachi.

Er trug mich auf seinen Arm und mein Körper hing nur schaff herunter. Aber er schaute mich nicht an, womit ich mich zufrieden gab. Meine Sicht wurde ein zweites Mal schwarz.
Es dürften nur ein paar Stunden gewesen sein, bis ich wieder aufwachte. Ich war in einem anderen Zimmer, was ich sofort an dieser Stille erkannte, die es nur in Häusern gab.

Nichts war zu hören, außer meine Bewegungen, als ich mich aufsetzen wollte. Aber eine Hand drückte mich an der Schulter wieder zurück.
„Das solltest du nicht tun“, sagte Itachi, der neben mir saß.

Ich ließ mich einfach zurück in den Futon drücken und schaute an die Decke.
„Hab ich gewonnen?“, fragte ich, da ich mich gar nicht mehr an den Kampf erinnern konnte.
„Nein, hast du nicht“, antwortete er.

Betrübt schaute ich an die Decke. Nicht mal diese eine Sache konnte ich schaffen. Oder eher, was konnte ich überhaupt schaffen? Eigentlich nichts, wenn ich so darüber nachdachte. Ich hatte es nicht mal geschafft, mich an ihm zu rächen. Mich dafür zu rächen, dass er mir alles genommen hat.

„Dafür hast du aber so ziemlich alles zerstört“, fügte er hinzu. „Wir mussten dich wegbringen, da du die Aufmerksamkeit von den umliegenden Dörfern auf den Kampf aufmerksam gemacht hast.“

Ich schloss die Augen, in der Hoffnung, dass ich ihn dadurch weniger zuhören würde. Während ich die Augen schloss, flossen Tränen über meine Wangen, hinein in meine Ohren. Als ich einatmete, öffnete ich auch gleichzeitig wieder die Augen.

„Shizuku“, sagte er, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, was auch gut funktionierte. „Ich weiß, dass du gerade am Verzweifeln bist. Aber es ist noch nicht vorbei. Denk daran, dass du noch Sasuke hast. Und um ihn zu beschützen, was inzwischen dein einziger Lebensgrund ist, musst du dich von ihm trennen.“

Ich verstand überhaupt nicht, was er mir versuchte zu sagen. Das konnte man wohl auch an meinem Blick sehen.
„Ich meine, dass du dich von ihm trennen musst, um ihn zu beschützen“, versuchte er es mir einfacher zu erklären, aber ich verstand noch immer nicht.

„Ren ist tot. Warum sollte ich noch irgendetwas für irgendwen tun?“, fragte ich.
„Weil Sasuke die einzige Person ist, die dir noch etwas bedeutet. Das wirst du jetzt, kurz nachdem Ren gestorben ist, nicht verstehen. Aber glaub mir, sobald du darüber hinweg sein wirst, merkst du, wer dir alles wichtig sein wird. Und ich kann dir schon im Vorfeld sagen, dass es Sasuke sein wird, der dir wichtig ist. Also reiß dich zusammen und bleibe bei Akatsuki, um Sasuke nicht zu gefährden.“

Ich musste mich aufsetzen, die Schmerzen dabei waren völlig nebensächlich.
„Warte“, sagte ich und versuchte fassungslos meine Gedanken zu sortieren. „Du willst mir sagen, dass ich Sasuke beschützen soll? Du? Wenn du mir erklärst, warum ich das tun sollte, überlege ich es mir vielleicht.“

Aber wie erwartet schaute ich nur in das sture Gesicht von Itachi, der mir kein Stück von seinen Beweggründen erzählen wollte. Bei ihm stieß man wohl immer auf taube Ohren. Ich lehnte mich wieder zurück in meinen Futon und versuchte die Worte von Itachi zu verstehen, auch wenn sie keinen Sinn ergaben und mir nur Kopfschmerzen bereiteten, die mich schon sowieso die ganze Zeit plagten.

Trapped in moonlit * Sasuke ff *Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt