Kapitel 9

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Ich nutzte die 30 Minuten, um mich zu beruhigen. Die Tür ging einfach auf, als hätte ich sie nie zugemacht. Wahrscheinlich war sie nun dank Sasuke kaputt, aber ich war froh, dass er kam. Er trug einen schwarzen Mantel mit einer Kapuze und schien aufgewühlt zu sein. Ich stand auf und ging aus der kleinen Ecke neben dem Sofa heraus. Gerade wollte ich anfangen zu reden, doch er unterbrach mich.

„Wo ist er?“, fragte er ungeduldig.
„Ich weiß es nicht, er ist einfach gegangen“, antwortete ich.
In der letzten halben Stunde konnte ich mich gut beruhigen, aber als Sasuke kam und ich ihm alles erzählen wollte, kam das Geschehene wieder hoch. Besonders spürte ich dies in meinen Beinen, sowie auch in meinen Augen. Etwas verzweifelt wollte ich nach Sasuke greifen, um mich bei ihm zu stützen, aber er schob mich zur Seite und schaute sich in meiner Wohnung um. Zitternd stand ich dort im Flur, mir liefen die Tränen und ich wollte einfach nur eine kurze Unterstützung.

„Wohin ist er gegangen?“, fragte er aus der Küche.
„Ich weiß es nicht“, flüsterte ich und ging ebenfalls dorthin. „Sasuke“, sagte ich, aber er hörte mir nicht zu. Er war nur auf Itachi fixiert, den Grund dafür kannte ich natürlich auch nicht.
„Was willst du von ihm?“, fragte ich.

„Stell nicht so viele Fragen“, antwortete er gestresst.
Er schaute sich weiter um, ich ging ihm hinterher. Es ergab alles keinen Sinn. Itachi war fort und das schon zu lange, als das Sasuke ihn noch einholen könnte. Dieses hin und hergehen von Sasuke stresste mich ebenso wie ihn, weshalb ich ihn am Mantel festhielt. Er schaute mich genervt an.

„Ich..“, fing ich an. Die Tränen liefen weiter und ich wollte nur eine Umarmung. „Ich bin Shizuku Hyuuga.“
Sasuke sagte nichts dazu, riss sich aber auch nicht stur los. Er schien mir endlich zuhören zu wollen, vielleicht war er innerlich nun auch ruhiger. Ich wusste auch gar nicht, warum ich ihm das unbedingt sagen wollte, denn er würde mich wahrscheinlich trotzdem weiter einfach nur ‚Mädchen‘ nennen, aber ich wollte es trotzdem loswerden, oder es eher mit jemanden teilen. Sasuke ließ die Berührung am Mantel zu, was mich dazu verleitete, näher zu kommen. Vorsichtig lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter und weinte dort leise weiter.

„Lass das“, sagte er. „Hör auf, dich an mich zu binden.“
„Das tue ich gar nicht“, widersprach ich.
„Doch, genau das tust du die ganze Zeit.“

„Und selbst wenn, was wäre daran so schlimm?“, fragte ich, als er mich von sich wegschob.
„Für so etwas habe ich keine Zeit.“
„Aber Freunde kann man immer haben.“

„Ich brauche keine Freunde und wir wären erst recht keine“, sagte er.
Er klang ausnahmsweise sogar sehr ernst, als er das sagte. Er überzeugte mich, das zu glauben, obwohl ich nicht wollte. Ich sah ihn trotzdem als überempfindlich, was dieses Thema anging. Wahrscheinlich hatte er einfach nur eine Art Trauma oder schlechte Erfahrungen und versuchte nun, alles und jeden von sich abzustoßen. Aber das war auch in Ordnung, jeder hatte ja mit irgendetwas zu kämpfen. Wenn er mich aber wirklich nicht haben wollen würde, hätten wir überhaupt keinen Kontakt.

Klar, er meldete sich eigentlich nie, aber er lehnte mich auch nicht ab, auch wenn er dies immer behauptete. Das deutete auf jeden Fall darauf hin, dass man echt kein Stück mit ihm vernünftig reden konnte und ich auch keine andere Antwort mehr auf so etwas bekommen könnte, deshalb musste ich seine Art, so etwas zu meinen und auszudrücken, einfach hinnehmen und gucken, wie ich ihm vom Gegenteil überzeugen könnte. Ich ließ seinen Mantel los und schaute mich ein bisschen in der Wohnung um. Zudem bin ich auch um einiges ruhiger geworden. Allein sein wollte ich aber nicht mehr an dem Tag.

„Die Wachen kontrollieren mehr, umso später es wird. Es wäre schlau, für heute hier zu bleiben“, sagte ich.
Ich hörte keine Antwort von ihm. Erst, als ich zu ihm schaute und er merkte, dass ich das ernst meinte, seufzte er leise, aber sehr genervt.

„Du möchtest doch nur nicht allein sein“, sagte er genervt.
Das wollte ich nicht kommentieren, was auch schon eine Bestätigung war.

            Ich fand es sehr überraschend, dass Sasuke wirklich blieb, als ich ihn am nächsten Morgen noch auf dem Sofa liegen sah. Es war gegen halb acht am Morgen, als ich aufstand und alles fertig machen wollte. Das musste ich dann aber verschieben, schließlich wollte ich ihn noch schlafen lassen. Er sah nicht mal danach aus, als würde er schlafen, tat es aber bestimmt. Denn es wäre nicht Sasuke gewesen, wenn er mich nicht angemeckert hätte, warum ich ihn denn so lange anschauen würde, wenn er wach wäre. Er lag dort wie ein steifes Brett auf dem Sofa, als hätte er sich nicht einmal in der Nacht bewegt.

Leise machte ich fertig und um irgendwie die Zeit zu vertreiben, bin ich Brötchen holen gegangen. Am Morgen war es wie immer sehr voll im Dorf, die Leute versammelten sich überall, kauften ein oder redeten einfach nur miteinander, während ich einfach nur versuchte, zu der Bäckerei zu kommen. Es war eine lange Schlange vor dem Laden. Zwei Männer standen vor mir und auch wenn ich mich nicht dabei gut fühlte, musste ich denen zuhören. Etwas anderes blieb mir ja fast nichts übrig, wenn ich dort warten musste.

„Der Uchiha-Bengel war ja gestern im Dorf“, sagte der eine.
„Der ältere, glaub ich“, sagte der zweite.
„Ach da habe ich ehrlich gesagt keinen Überblick, auch wenn es nur noch die sind.“

„Der kleinere ist ja zu Orochimaru gegangen, um seinen Körper zu verkaufen.“
Meine Augen weiteten sich, als ich das hörte. Diese Vorstellungen, die sich in meinem Kopf breit machten, wollten nicht verschwinden und wurden immer intensiver. Ich hoffte, dass das nur ein Gerücht war.

„Entschuldigen Sie, aber ich glaube nicht, dass das so war“, musste ich sagen.
Es fühlte sich so falsch an, dass Menschen so etwas über Sasuke erzählten. Es war falsch, bei so etwas einfach nur zuzuhören und gar nichts zu tun.

„Es ist sehr bekannt, dass Sasuke zu Orochimaru gegangen ist, um stärker zu werden. Dafür musste er ihm seinen Körper geben. Also keine Ahnung, wo du herkommst, aber du lebst wohl hinter dem Mond“, sagte er.

Ich schwieg und hielt mich wieder zurück. All das wollte ich mir nicht ausmalen. Ich musste dringend mehr darüber erfahren, wobei es am schlauesten war, Sasuke selbst das alles zu fragen, auch wenn die Antworten wohl mager ausfallen würden.

Die Brötchen waren in meiner Tasche und es hielt mich nichts davon ab, einfach nach Hause zu rennen. Die Tür war heil gewesen, als ich zurückkam. Das fand ich erstaunlich, denn ich hatte erwartet, dass Sasuke sie einfach kaputt lassen würde und ich das dann auf eigene Kosten reparieren müsse, aber als ich Brötchen holen war, hatte er sie wieder repariert. Bei der Vorstellung musste ich kurz lächeln, welches aber wieder verschwand, als ich die Wohnung betrat. Sasuke war zwar noch da, wollte aber gehen. Das war deutlich, denn er zog seinen Mantel an und seine Kapuze über den Kopf. Ich schloss hinter mir die Tür und zeigte ihm wortlos die Brötchen. Er sagte nichts und blieb einfach nur stehen.

„Ich habe extra Brötchen gekauft, damit wir zusammen frühstücken können“, sagte ich.
Wie immer schien er nicht erfreut zu sein, aber solange er nicht ging, war es kein Nein. Wortlos ging ich in die Küche und zog ihm am Mantel hinter mir her. Ich hatte zwei Stühle mit einem Tisch in der Küche stehen, an den wir uns zusammen gerade noch hinsetzen konnten, ohne dass es unangenehm wurde. Er setzte sich auf den einen Stuhl, ich suchte den Aufschnitt zusammen und schnitt das Brot auf dem Arbeitstresen. Dabei stand ich mit dem Rücken zu ihm, was es mir einfacher machte, meine Gedanken zu sortieren und genau zu überlegen, was ich ihm sagen wollte.

„Als ich heute in der Bäckerei war, hab ich ein paar Sachen über dich gehört“, fing ich an. „Du sollst angeblich deinen Körper an Orochimaru verkauft haben, um stärker zu werden“, fügte ich hinzu, als er nichts dazu sagte.

„Das stimmt“, sagte er.
Ich hielt inne und drehte mich zu ihm um. Mein Entsetzen war deutlich zu sehen, musste mich aber dennoch beherrschen. Keinesfalls wollte ich laut werden oder zu viele Fragen stellen, was dann dazu geführt hätte, dass Sasuke einfach gehen würde oder mir gar nichts mehr sagen würde.

„Du kannst mit deiner eigenen Willenskraft doch so viel mehr erreichen. Warum musst du das dafür tun?“
„Ich habe meine Gründe.“

Das war ja seine Standartaussage schlecht hin. Ich konnte und wollte auch nicht nachvollziehen, warum man so etwas für ‚Gründe‘ tat. Die Welt denkt so über ihn und es schien ihn einfach egal zu sein. Ich wollte das aber nicht zu einem Streit ausarten, zumal Sasuke dann wohl beleidigt gegangen wäre. Es war schlauer, erstmals still zu bleiben und einfach zu essen, was ich auch tat.

Er schien sehr sensibel mit dem Thema zu sein, wahrscheinlich war er auch generell sehr sensibel. An dem Tag hatte ich frei und da das Wetter mitspielte, verließ ich gemeinsam mit Sasuke das Dorf. Er war auf dem Weg zurück in sein Versteck, ich wollte zu dem Dorf in der Nähe, denn es gab auch nicht immer alles in Kamigakure, was man brauchte. Die Stimmung war wie immer ruhig und gelassen, trotzdem wollte mir das vorherige Gespräch nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ich wollte unbedingt Antworten.

„Es heißt doch, dass die Uchihas sehr stark seien, nicht?“, fing ich zögernd an.
Sasuke bejahte dies mit einem Nicken.
„Warum musstest du denn zu Orochimaru?“

Wir gingen gerade durch einen Wald zwischen den ganzen Feldern. Der Weg dadurch war ein breiter, auf dem auch Kutschen hätten fahren können. Wenn ich mich recht erinnerte, war ich damals auch mit dem alten Mann durch diesen Wald gefahren, als wir auf dem Weg nach Kamigakure waren.

Normal ging weder Sasuke noch ich diesen Weg, aber ich noch ins Dorf wollte, war der Weg kürzer. Auf diesem Weg blieb Sasuke auch stehen, als ich die Frage stellte. Ich wollte nicht in sein verärgertes Gesicht sehen und ging daher einfach weiter, ohne mich auch nur ein einziges Mal umzudrehen. Meine Schritten waren die einzigen, die ich hörte. Als ich aber nach mehreren Metern immer noch meine Schritte als einzige zu hören waren, musste ich mich umdrehen. Es konnte doch nicht sein, dass Sasuke immer wegen ein paar Fragen so sauer wurde. Er stand dort und schaute auf zur Seite auf den Boden. Seine Augenbrauen waren verengt.

„Was ist los? Kannst du nicht mal me-“, sagte ich, bis ich von ihm unterbrochen wurde.
„Sei still“, zischte er.

Mir blieb nichts anderes übrig, als einfach nur die Augen zu verdrehen. Ich hörte, dass die Uchihas einen sehr kalten Charakter haben, aber dass jemand so empfindlich sein konnte, mochte ich mir nicht vorstellen.

Als ich mich auf dem Weg zu ihm machen wollte, hörte ich ein Knacksen hinter mir. Und während ich mich umdrehte, packte mich jemand von hinten an der Schulter und zog mich nach hinten zu Boden. Ich hatte überhaupt keinen Halt, daher konnte ich nicht anderes machen, als mich einfach zu Boden fallen lassen.

Von rechts kam Sasuke, der auch gleichzeitig der war, der mich nach hinten zu Boden drückte und nutzte den Schwung, um sich in die Richtung zu schwingen, in die ich schauen wollte. Mit seiner anderen Hand zog er sein Schwert auf dem Gürtel. Ein Shinobi, den ich zuvor nicht gesehen hatte, war direkt hinter mir mit einem Kunai auf dem Weg zu mir und Sasuke.

Er war nur noch gut einen Meter von mir entfernt und hätte mich auch wohl möglich getroffen, wenn Sasuke nicht sein Kusanagi dazwischen gehalten hätte. Ich fiel zu Boden, kniff die Augen zusammen, bevor ich fiel und hörte nur noch das Aufeinandertreffen der Klingen. Nach diesem Aufeinandertreffen hörte ich nur noch ein einziges schmerzerfülltes Stöhnen und ein dumpfes Geräusch neben mir. Ich öffnete die Augen. Der Unbekannte von eben lag nun neben mir, hatte ebenfalls die Augen offen und schaute direkt zu mir. Sein Blick war leer und der Mund stand ein wenig offen. Während ich langsam zu ihm herunter schaute, stellte ich fest, dass nichts anderes als sein Kopf neben mir lag. Sein Rest des Körpers konnte ich auf die Schnelle nicht finden, was zu dem Zeitpunkt auch meine geringste Sorge war.

Weitere Klingengeräusche rückten immer mehr in den Vordergrund, umso mehr ich realisierte, was eigentlich gerade um mich herum passierte, nachdem ich zu Boden gefallen war. Zu meinem Erschrecken war das nicht die einzige Leiche, die ich blutend am Boden liegen sah. Bei allen lief es gleich ab: Einer wollte Sasuke mit einem Kunai angreifen, Sasuke wich aus und schnitt ihm mit dem Kusanagi einmal über den Rücken.

Das passierte auch mit mehreren gleichzeitig. Einerseits war ich total verängstigt und schockiert über diese Brutalität, die ich dort zum ersten Mal bei Sasuke richtig miterlebt hatte, andererseits fand ich es auch faszinierend und wollte auch ein Stück weit so werden. Nicht in dem Sinne, diese Fähigkeit auszunutzen, sondern einfach nur, um mich zu verteidigen.

Hätte ich damals solch eine Kraft wie Sasuke gehabt, dann hätte ich sogar vielleicht die Boten beschützen können, mit denen ich nach Konoha reisen wollte. Ein Schrei holte mich wieder zurück in die Realität und ich musste handeln. Ich stand wieder auf. Mit zitternden Beinen rannte ich zu Sasuke und hielt ihn fest. Mit einem Windstoß stieß ich die Feinde weg, die um uns herum waren. Sie rappelten sich wieder auf und realisierten die gefallenen Kameraden, die Sasuke hingerichtet hatten, sowie das gefährliche Sharingan von Sasuke und merkten von selbst, dass es Zeit war, zu gehen. Als die Unbekannten weg waren und ich mich auch ein bisschen beruhigt hatte, wandte ich mich zu Sasuke.

„Du kannst die doch nicht einfach umbringen“, sagte ich.
„Wieso nicht?“, fragte er.
„Das ist moralisch verwerflich“, antwortete ich.
Er seufzte stark und stecke das Kusanagi wieder ein. Mühelos stieg er über die Leichen und ging in die Richtung weiter, in die wir eigentlich erst gehen wollten, aber von den anderen abgehalten wurden.

„Wenn wir befreundet sein wollen, dann sollst du mich nicht mit deiner Moral nerven und auch nicht alles hinterfragen, was und warum ich Dinge tue, verstanden?“

Ich musste kurz verstehen, was er meinte und was er da überhaupt sagte. Es wirkte so unrealistisch, dass er eine Freundschaft zwischen uns beiden in Betracht zog. Dass ich mich dafür nur ein bisschen zurückhalten musste, schien mir ein kleiner Preis zu sein. Ich nickte, auch wenn er es nicht sah und ging hinterher. Ein letzter Blick auf die Leichen ließ mir noch einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Noch nie hatte ich mich so machtlos gefühlt.

Wäre ich stärker gewesen, hätte ich Sasuke aufhalten können und den Konflikt anders lösen können. Das Gefühl war überhaupt nicht gut und die gute Stimmung, die ich durch Sasukes Aussage bekommen hatte, war nun auch wieder weg. Auch wurde mir klar, dass er auch nicht immer bei mir war. Wäre ich allein gewesen, wäre ich wohlmöglich gestorben. Auch als Itachi da war, habe ich mich machtlos gefühlt. Ein bisschen mehr Stärke hörte sich für mich echt verlockend an. Bei dem Gedanke musste ich an Sasuke denken.

‚Ob er auch so dachte, als er zu Orochimaru gegangen war?‘, fragte ich mich selbst.
Ich holte Luft und wollte etwas sagen, zögerte aber. Sasuke blieb stehen und schaute zu mir herunter. Ich wusste nicht, wie es formulieren sollte. Zum einen wollte ich mich nicht verletzlich machen und schwach wirken, doch zum anderen wollte ich ihm nicht die ganze Zeit eine Last sein und gar nichts tun, wenn ich ihm doch eigentlich helfen konnte.

„Könntest du mich vielleicht ein bisschen trainieren?“, fragte ich, ohne ihn anzusehen.
Er schwieg und schaute mich an.
„Auf keinen Fall“, sagte er und ging weiter.

Trapped in moonlit * Sasuke ff *Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt