Freundschaftsdienst

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Thranduil zog den Gürtel mit dem Schwert fester. Mablung würde rasend vor Wut werden, wenn er bemerkte, dass er fehlte. Aber für Itarille würde er alles tun. Eilig sprang er durch die Baumkronen, denn bevor er irgendwo ein Pferd bekommen hätte, wäre es vielleicht schon zu spät. Hoffentlich war ihr noch nichts passiert, aber sein Gefühl verriet ihm was anderes. Nur was würde er ohne sie machen? Einen Moment dachte er daran, sich selbst zu verwunden, aber dann wäre sein Vater todunglücklich. Schnell vertrieb er den Gedanken. Noch hatte er keine Gewissheit, was mit Itarille war. Schnell sprang er von Ast zu Ast und duckte sich vor den Ästen über ihm. Wann würde Mablung mitbekommen, dass er nicht mehr anwesend war? Er wollte über die Folgen nicht nachdenken. Doriath würde ja sowieso untergehen, wenn er Itarille Glauben schenkte, was er ja tat. Dann spielte es auch keine Rolle mehr, ob er aus der Wache verbannt wurde oder nicht. Dann konnte er mit Itarille auch in ihre Heimat gehen. Thranduil hielt inne. Wo kam sie her? Sie hatte nie ein Wort darüber verloren, woher sie genau aus Valinor kam. War es das, was sie ihm verheimlichen wollte? „Thranduil!", schrie wer und ein Schauer jagte ihm über den Rücken. Mablung hatte ihn. „Was fällt dir ein?" Schuldbewusst drehte er sich um und blickte nicht, wie erwartet, in das Gesicht Mablungs sondern er sah in die blauen Augen von Arasdir. „Wo willst du hin?", donnerte er. „Das geht dich nichts an!", entgegnete Thranduil. „Mablung dreht am Rad! Komm zurück!", sagte er schnell und drehte sich um, als ob er verfolgt werden würde. „Nein, werde ich nicht", entgegnete Thranduil abwehrend. „Was ist los mit dir?", zischte Arasdir. „Seitdem du dieser Elbin begegnete bist, hast du dich völlig verändert." „Mag sein", sagte Thranduil störrisch. Er hatte nicht die geringste Lust auf eine Diskussion mit Arasdir, außerdem hatte er es eilig. „Merkst du es denn gar nicht?", fuhr Arasdir ihn an. „Zuerst sagst du meiner geliebten Schwester, dass du sie doch nicht heiraten willst, dann bist du nicht mehr alleine anzutreffen, sondern immer mit dieser Elbin und jetzt verziehst du dich einfach von deinem Posten? Thranduil komm zur Vernunft!", holte er weiter aus. „Was machst du dann hier? Und davon abgesehen hat sie auch einen Namen", entgegnete Thranduil unberührt. „Ich wollte dich warnen. Schließlich bin ich dein Freund. Aber du weißt ja anscheinend nicht mehr, was ein Freund ist. Du hast Lassien verstoßen und wähltest lieber eine Elbin aus weniger edlen Kreisen", sprach er voller Hass auf Itarille. „Wähle deine Worte weise", zischte Thranduil und ballte die Fäuste. „Oder was?", lachte Arasdir bitter. „Meidest du mich so wie meine Schwester? Redest nicht mehr mit mir? Ich werde dem König nun berichten, was du getan hast." Arasdir hielt einen Moment inne und verschwand dann genauso schnell, wie er gekommen war. Das würde Thranduil nicht so auf sich beruhen lassen. Aber trotzdem ging Itarille vor.

Larcatals Hufe donnerten über den Boden. Bald hatte sie die Fälle des Sirion erreicht. Dort würde sie die Nacht verbringen. Welche Ironie war es eigentlich, dass sie insgesamt vier Tage reisen musste und einen Tag in Nargothrond verbracht hatte? Aber auf dieses Familiendrama hatte sie wirklich keine Lust. Sie parierte den kräftigen Schimmel durch, als der Boden steiniger wurde und anstieg. Im Schritt würde er vermutlich noch bis zum Ufer kommen, denn sie wollte auf gar keinen Fall schutzlos die Nacht verbringen. So hatte sie immerhin auf einer Seite den Schutz des Sirion. Wenn es nach ihr ginge, würde sie auch in der Nacht weiter reiten, aber Larcatal brauchte eine Pause und so hatte sie einen besseren Überblick welche Gestalten in der Gegend waren. Itarille fand nämlich, dass es einfacher war eine Umgebung im Auge zu behalten, wenn sie sich nicht alle paar Meter änderte. Hoffentlich war die Nacht genauso ruhig, wie die auf ihrer Hinreise. Das Wasser glänzte im Abendlicht und schnellte den Andram herunter, bevor der Fluss unter der Erde verschwand. Itarille glitt von Larcatal herunter und führte ihn die restlichen Meter bis zum Flussufer, wo sie ihn absattelte und der Schimmel sich schüttelte. „Schön hier bleiben", lachte sie bei dem Anblick. Wirkliche Sorgen, dass der Hengst abhaute machte sie sich nicht. Auch in Aman war er immer bei ihr geblieben, wenn sie draußen unterwegs war und er eigentlich auf den endlosen Weiten hätte grasen könnte. Ställe oder dergleichen gab es nämlich nicht. Itarille ließ sich an einem Stein nieder und ließ ihren Blick schweifen. Hinter ihr rauschte das Wasser und sie hörte Larcatal leise schnaufen, während er das lichte Gras abgraste.

Ein brechender Zweig ließ Itarille aufschrecken. Irgendwer war in der Nähe. Leise erhob sie sich und zog ihr Schwert, welches Erundil ihr geschmiedet hatte, heraus. Die Schritte kamen Näher und Itarille umfasste das Heft fester. Sie hatte gehofft, die Waffe nicht benutzen zu müssen. Was auch immer es war, es kam aus dem Norden und schlich sich langsam den Andram herauf. Itarille sah kurz zu Larcatal. Er döste neben einer Esche, die langsam schon Herbstlaub bildete. Falls sie sich nicht verteidigen konnte, war sie immerhin schnell auf dem Pferd. Ein erneutes Knacken ließ sie wieder herum fahren. Die Silhouette wurde erkennbar. Es handelte sich um etwas Großgewachsenes. Ein Schwert ruhte in seiner Hand, aber er trug einen Umhang, sodass Itarille nicht sehen konnte, um wen oder was es sich handelte. Aber allem Anschein nach, hatte er sie noch nicht erkannt, da sie zwischen den Steinen und den wenigen Bäumen schlecht zu sehen war. Außerdem tarnte sie der dunkelgrüne Umhang. Nur Larcatal war leicht zu erblicken, aber er könnte auch ein Wildpferd oder ein entlaufendes Pferd sein. Hoffentlich würde das Wesen an ihr vorbeiziehen. Vorsichtig zog sie ihre Kapuze hoch. Nicht, dass sie wegen ihrer schimmernden Harren auffiel. Anschließend umfasste sie mit beiden Händen das Heft und schlich hinter einen Baum. Die Gestalt wanderte langsam auf sie zu und schwang ihr Schwert locker in der linken Hand hin und her. Je näher er kam, desto größer erschein er. Würde Itarille es überhaupt mit dem Wesen aufnehmen können? „Eru", flüsterte Itarille so leise wie es ging und sie holte tief Luft: „Aní verya." Dann sprang sie aus ihrem Versteck hervor.

Itarille & Thranduil || Im SternenlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt