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Der Tag endete genauso grausam, wie er angefangen hatte. Wieder war sie auf Thranduil gestoßen und wieder hatte er sie hemmungslos ignoriert. Hatte es ihm vergangene Nacht nicht gefallen? Nachdenklich legte sich Itarille auf die weiche Matratze. Sie hatte nicht das Gefühl gehabt, dass er es nicht ebenfalls genossen hätte. Schließlich war auch er es, der ihr vorgeschlagen hatte, mit zu seinen Freunden zu kommen. Ein Klopfen holte Itarille aus ihren Gedanken. „Oh Varisse, lass mich doch einfach mal in Frieden", rief sie, ohne sich vom Bett zu erheben. „Nein, hier ist nicht Varisse", kam es von der anderen Seite zurück und schwerfällig erhob sich Itarille. Einerseits freute sie sich, dass sie jemand besuchen kam, andererseits war sie mit ihren Gedanken sowieso ganz woanders. Langsam öffnete sie die Tür und vor ihr stand die rothaarige Elbin vom Fest. Narewen war ihr Name, so glaubte es zu mindestens Itarille. „Guten Abend, kann ich euch helfen?", fragte Itarille und Narewen sah sie unsicher an. „Ich würde gerne mit euch reden", erklärte sie und Itarille machte eine einladende Handbewegung. Zögernd ging Narewen in Itarilles Kammer und kaum war sie drin, hatte Itarille die Tür verschlossen. „Setzt euch doch", sagte Itarille und Narewen ließ sich langsam in den Sessel sinken. Itarille tat es ebenfalls und Narewen legte die Hände in den Schoß, bevor sie den Blick durch den Raum gleiten ließ. „Also, was wollt ihr mir sagen?", fragte Itarille nach. Narewen schwieg einen Moment und sah dann auf den Tisch, der die beiden Elbinnen trennte. „Es geht um Thranduil." Itarilles Herz machte einen Aussetzer. War Narewen etwa seine Verlobte und deswegen hatte er nicht mehr mit ihr geredet? Fürchtete er, dass sie sich Hoffnung machen würde? Oder war sie es wohlmöglich Schuld, dass Thranduil und Narewen Streit hatten? All dies waren Fragen, die Itarille direkt in den Kopf schossen. „Ja?", hauchte Itarille und sie spürte, wie ihre Stimme zu brechen begann. „Ich... Ich habe ihn noch nie so... So erlebt", stotterte Narewen und Itarille merkte, dass die Elbin nicht die richtigen Worte fand. „Seitdem er euch das erste Mal gesehen hat, ist er verändert", fuhr sie langsam fort und Itarille versuchte sich auf ihre Atmung zu konzentrieren, damit sie in irgendeiner Form die Gedanken ausblenden konnte. Narewen sah auf und aus ihrem Blick konnte Itarille nichts erkennen, was sie auf das Kommende vorbereiten ließ. „Glaubt ihr an Liebe auf den ersten Blick?", fragte sie ruhig und sofort war Itarille wieder bei ihren Gedanken. Warum fragte sie das? Was wollte sie von ihr? „Ich habe es zu mindestens schon einmal erlebt", brachte Itarille schwerfällig hinaus. Narewen nickte nachdenklich und erhob sich dann. „Ich entschuldige mich für die späte Störung. Habt eine ruhige Nacht", verabschiedete sich die rothaarige und verließ den Raum. Itarille konnte nicht anders, als ihr hinterher zu starren. Wer war sie? Mit pochendem Herzen stützte sich Itarille auf die Sessellehne. Das konnte nicht sein. Sie wollte nicht, dass es so war.

Geknickt lief Itarille die endlosen Gänge hoch. Noch nie hatte sie sich so schlapp gefühlt, aber sie wollte zum Frühstück gehen. Schließlich wollte sie nicht riskieren, dass Varisse merkte, wie scheußlich sie sich tatsächlich fühlte. Vergangenen Abend war sie kurz davor gewesen, Thranduil aufzusuchen. Sie hätte es sogar ertragen können, wenn er sie abgelehnt hätte, aber so hatte sie keine Gewissheit, was er von ihr hielt und vor allem was es mit Narewen auf sich hatte. Doch dann überkam sie ein Anfall von Selbstmitleid und sie war einfach im Bett liegen geblieben. Schnell nahm sie die Stufen, die am Ende des Ganges nach oben führten und bog dann nach rechts ab. Mittlerweile kannte sie den schnellsten Weg von ihrer Kammer zu Erundils Haus, wo sich Varisse eigentlich immer aufhielt. Immerhin sie hatte Glück, nachdem ihr so viel Leid zugestoßen war. Itarille konnte sich nicht vorstellen, wie es sein musste, wenn sie ihre Familie verlor. Laut Varisse waren sowohl ihre Eltern als auch ihr großer Bruder damals aus Aman gegangen. Lediglich ihre Tochter ließen sie zurück. Warum wusste Varisse nicht. „Itarille", die Stimme durchfuhr sie wie ein Schauer. Augenblicklich blieb sie stehen und schloss die Augen. Sie hatte sich in der Nacht hunderte Möglichkeiten ausgemalt, wie sie auf Thranduil treffen würde und was dann passiert. Jedoch war das nicht dabei. „Wo wollt ihr hin?", fragte er locker und trat neben sie. „Ins Dorf", antwortete sie angespannt und setzte sich wieder in Bewegung. „Habt ihr etwas gegen Begleitung?", fragte er und Itarille schüttelte ungläubig ihren Kopf. Zuerst beachtete er sie praktisch nicht und jetzt redete er mit ihr, als seien sie alte Freunde. Wo war sie hier bloß gelandet? Seitdem sie in Doriath war, spielten nicht nur ihre Gefühle verrückt, nein, scheinbar auch die ansässigen Elben waren nicht normal. „Wie ich mitbekam, habt ihr eine gute Freundschaft zu unserem Schmied geschlossen?", fragte er interessiert und Itarille sah in von der Seite an. „Ja", sagte sie resigniert und wendete ihren Blick zurück auf den Weg. Thranduil sah alles andere als schuldbewusst oder ähnlichem aus. Er grinste vor sich hin und unter anderen Umständen hätte er Itarille mit seiner guten Laune auch direkt angesteckt. „Er ist ein anständiger Elb", stellte er fest und Itarille schwieg. „Sonderlich gesprächig seid ihr heute nicht. Vielleicht sollte ich etwas Wein besorgen, dass bringt die Meisten zum Reden", scherzte er und sie blieb stehen. Kommentarlos zog sie ihre Augenbraun hoch und sah ihren Gegenübern ernsthaft an. „Warum seid ihr nur so?", hauchte sie verzweifelt, als er vor Itarille getreten war. „Bitte, was meint ihr?", fragte er verwundert nach. „Erst seid ihr wahnsinnig nett zu mir und nehmt mich auf, danach ignoriert ihr mich eiskalt und jetzt sind wir wieder beste Freunde oder was?", platzte es aus ihr heraus und sie merkte, wie sie sich besser fühlte, dass sie es nun endlich mal gesagt hatte. Thranduil verzog das Gesicht und sah über sie weg. „Hallo, ich rede mit euch!", fuhr Itarille ihn an und winkte mit ihrer Hand vor seinem Gesicht. „Verzeiht, es ist schwierig", versuchte er es ihr zu erklären und sah wieder zu ihr herab. „Mein Frühstück kann gerne noch was warten", zischte Itarille, die langsam selber merkte, dass sie wieder einmal unausstehlich sein musste. Allerdings war es ihr egal, solange sie endlich eine Antwort bekam. „Ihr habt doch mittlerweile den Elben bemerkt, mit dem ich auf Patrouille gehe, nicht wahr?", fragte er. Itarille konnte sich nur zu gut an ihn erinnern. „Was ist mit ihm?", fragte sie interessiert und Thranduil sah sich um, um sicherzugehen, dass sie alleine waren. „Seine Schwester", setzte er an und Itarille unterbrach ihn: „Narewen." „Narewen?", fragte er verwundert. „Sie war bei mir", flüsterte Itarille und Thranduil lächelte. „Deswegen hatte sie es gestern Abend also so eilig", lachte er und wurde dann wieder Ernst. „Nein nicht Narewen, sie ist lediglich eine gute Freundin. Aber seine Schwester ist mir sehr zugewandt, auch wenn ich für sie nichts empfinde. Ich habe jedoch Angst, einen Freund zu verlieren", erklärte er Itarille, der nun einiges klar wurde. „Ihr solltet ihm und vor allem ihr sagen, was ihr wirklich denkt", antwortete Itarille zögernd. „Ich habe Angst sie zu verletzten", entgegnete er nachdenklich. „Dann kann ich euch beruhigen, je länger ihr wartet, desto weniger schlimm wird es für sie sein", sagte Itarille sarkastisch. „Ihr habt ja Recht", sprach er. „Also, wenn ihr mich entschuldigt, Varisse und Erundil warten auf mich", sagte Itarille und Thranduil nickte. Itarille setzte ihren Weg zum Dorf fort und Thranduil folgte ihr.

Itarille & Thranduil || Im SternenlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt