Carcharoth

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Carcharoth wurde von etwas hellem umgerissen, bevor er Mablung erreichte. Mit kreischendem Geheul kam er auf und auf ihm thronte Huan. Mit fletschenden Zähnen näherte er sich Carcharoths Gesicht. Mablung stand stocksteif da, gedanklich noch einen Moment zurück. Beleg hingegen handelte schnell und jagte an den beiden Hunden vorbei auf Beren zu. Er ließ seinen Bogen neben den reglosen Menschen liegen und strich ihm durchs Gesicht. Im nächsten Moment war Itarilles Aufmerksamkeit wieder bei den Tieren. Carcharoth hatte Huan mit aller Kraft von sich gestoßen und war auf die Beine gekommen. Mit grausam klingendem Knurren drehten sich die beiden im Kreis. Beide Körper waren angespannt, darauf fixiert den Gegner mit jedem Schlag oder Biss umzubringen. Mablung löste sich derweil aus seinem Schockzustand. Er sah sich um und eilte zu Beleg, der mit besorgtem Gesicht neben Beren kniete. Huan knurrte erneut und sprang auf Carcharoth zu. Grummelnd wich der Wolf Huan aus und griff ihn von hinten an. Mit seinem gewaltigen Zähnen biss er dem Hund ins Becken und Huan ging für einen kurzen Moment zu Boden. Carcharoth heulte einmal laut auf, wurde aber von Huan unterbrochen, der ihm in eines der Vorderbeine biss. Das Heulen entwickelte sich zu einem ohrenbetäubenden Schrei. „Wo ist der König?“, hörte Itarille einen der Krieger durch das Gejammer der Hunde sagen. „Er stirbt bald.“ Ohne über die Konsequenzen nachzudenken, lief Itarille aus ihrem Versteck und Thranduil sprang ihr besorgt nach. Allerdings waren die Tiere so sehr in ihren eigenen Kampf verwickelt, dass sie Itarille und Thranduil nicht beachteten. Mablung sah verwundert zu, wie sich Itarille neben Beleg und den Verletzten kniete und seine Wunden begutachtete. Thranduil blieb stehen und stellte sich schützend vor sie. Mit überraschtem Blick erhob sich Mablung und stellte sich neben Thranduil. „Was tust du hier?“, fragte er und in seiner Stimme klang Wut mit. „Das frage ich mich auch“, antwortete Thranduil knapp und sah über die Schulter. Huan schleuderte Carcharoth über den Weg und binnen Sekunden hatte sich das Untier wieder aufgerappelt. Beide hatten mittlerweile einige Verletzungen, die ihre Bewegungen nun stockend erschienen ließen. Itarille tastete vorsichtig den Bauch Berens ab. Sie hatte nicht viele Kenntnisse in Heilkunde, aber seine schweren Verletzungen in seiner Bauchgegend bemerkte selbst sie. Allerdings waren es nicht diese Wunden, die sie besorgten. „Eru“, flüsterte sie und Beleg fragte besorgt: „Was ist mit ihm?“ Itarille sah von dem Kranken auf. „Ich kann es nicht genau sagen, aber sein Geist verlässt ihn“, sprach sie und schluckte. Luthien war nicht da, um ihm beizustehen. Plötzlich wendete sich Beren hustend. Beleg und Itarille wichen ein Stück zurück. Er rollte sich auf die Seite und seine Arme drückte er mit letzter Kraft auf seinen Bauch. Aus seiner Kehle kam ein kratziges Husten und Blut lief aus seinem Mundwinkel. Mit einem Stöhnen rollte er seine Augen und schloss sie danach. Schweratmend lag er auf der Seite. „Shh, alles wird gut“, hauchte Itarille ihm zu und strich ihm liebevoll durch das blutige Gesicht. Einen Moment wunderte sie sich darüber, wie sehr sie sich um einen Menschen sorgte. Sie würden die Kreise der Welt früher oder später sowieso verlassen. Berens Muskeln spannten sich noch einmal an und Itarille drückte leicht auf seine Schulter, sodass er sich auf den Rücken drehte. Ein letztes Keuchen und er sank zusammen. „Beren!“, kreischte wer und Itarille sah auf. Es war Luthien, die neben ihrem Vater auf die Gruppe zu rannte. Wortlos stand Itarille auf und trat an Thranduil heran, der sie in den Arm nahm. Über seine Schulter hinweg sah sie auf die Hunde. Huans Flanke war komplett aufgerissen und das Blut tropfte auf den steinernen Weg. Er würde sterben. Und mit ihm Carcharoth. Jener humpelte auf drei Beinen und rang mit Huan. Beide waren sichtlich am Ende ihrer Kräfte. Arasdir lag reglos hinter ihnen. Luthien hörte sie verzweifelt etwas auf Sindarin flüstern. Ihre Worte brachen ab und endeten in einem schluchzend. Itarille sah es nicht und wollte es nicht, ihr Blick war starr auf die Hunde gerichtet, aber sie konnte sich vorstellen, wie Thingol an Luthiens Seite stand und ihr tröstend über die Schulter strich. Beren, der reglos und zerfetzt neben ihnen lag. Beleg und Mablung, die sich schreckliche Vorwürfe machten. Das einzige was sie sah war Carcharoth, der schnaubend zu Boden ging und sich nicht mehr rührte. Und Huan, der sich auf den Boden fallen ließ und starb. „Es ist vorbei“, flüsterte sie Thranduil ins Ohr und er drückte sie vorsichtig von sich ab, bevor er sich umdrehte und auf die Toten starrte. Langsam ging er auf Arasdir zu und betrachtete ihn traurig. Itarille folgte ihm vorsichtig und achtete darauf, nicht auf die Hunde zu treten, die ihr im Weg lagen. Als sie neben Thranduil zum Stehen kam, schnappte sie nach Luft. Arasdir war komplett zerquetscht. Das Blut tropfte aus feinen Rissen und großen Wunden aus ihm heraus. „Er war mein Freund“, hauchte Thranduil benommen. „Den du vor wenigen Minuten umbringen wolltest“, erinnerte ihn Itarille. Auch wenn sie den Elben kaum kannte, sympathisch war er ihr nie gewesen. Da fand sie sogar Serondrych, der einen sehr fraglichen Charakter und Launen wie das Meer besaß, noch freundlicher. „Savo hîdh nen gurth“, nuschelte Thranduil. „Was hast du ihm gesagt?“, fragte Itarille und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dass er im Tod seinen Frieden finden solle“, antwortete Thranduil und sah auf. In seine Augen zeichnete sich die tiefe Trauer ab. Allerdings konnte Itarille sie nicht nachvollziehen. Aber vielleicht stimmte es, man erkannte erst was man an einem Freund, oder eben auch nicht, hatte, wenn er starb. „Eines Tages, so Mandos und Manwe es wollen, wird er zurückkommen. Der Tod ist für unseres gleichen nichts Endliches. Sehe es als Ruhestätte, bis die Seele sich erholt hat.“ Dies waren die einzigen tröstlichen Worte, die Itarille einfielen, trotzdem schien Thranduil sie zu verstehen. „Hast du Angst vor dem Sterben?“, fragte er und Itarille war darauf nicht vorbereitet. Verwirrt sah sie an und versuchte ihre Gedanken zu sortieren. „Eh“, stotterte sie und plötzlich drängten sich die Stimmen der anderen wieder in ihren Kopf. „Bringt ihn zu Melian“, sprach Thingol zu seinen Kriegern und Itarille drehte sich zu ihm. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Thranduil sich wieder an seinen gefallenen Freund wendete. Hatte sie Angst vor dem Tod? „Jawohl, mein Heer“, sagte Beleg und hob Beren zusammen mit Mablung von der Erde auf. Luthien ließ widerwillig von ihm ab und schmiegte sich in den Arm ihres Vaters. Was hätte sie dafür gegeben. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr Vater sie je so liebevoll in den Arm genommen hatte. Warum auch? In seinen Augen war immer alles perfekt. Und der Tod? War er auch in seiner perfekten Welt vorhanden? In Aman brauchte sich kein Elb darum sorgen, aber in den östlichen Ländern war er anscheinend ein ständiger Begleiter. Aber würde sie sich davor fürchten, wenn es soweit war? Ihre Seele würde Ea niemals verlassen, solange die Welt nicht untergeht. Was danach mit ihr passiert, würde nur Iluvatar selbst wissen. Die Vorstellung, dass sie für einige Jahrhunderte oder Jahrtausende in Mandos Hallen ruhen würde, war nichts, was sie fürchtete. Aber der Gedanke daran, ihre Liebsten alleine zu wissen. Was würde Thranduil ohne sie tun? Wie würde ihr Vater reagieren?

Itarille & Thranduil || Im SternenlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt