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Autor: AnnKathrinMller

Werke: 1

Die Stadt des Hasses

Leseprobe:

Worte. Sie drücken aus was wir sagen wollen. Sie sind in meinem Kopf, in meinem Körper, in meinen Händen. Nichts als Worte in einem leeren Raum eingesperrt hinter den eigenen Gedanken. Manche dazu verurteilt, nie frei gelassen zu werden. Es ist wirklich schwer, seine Gedanken, Gefühle und Eindrücke in Worte zu fassen. Noch schwerer ist es aber, sich seinem Gegenüber verständlich zu machen. Ihn zum Mitfühlen, Mitgrübeln, Mitdenken anzuregen und ihn so fühlen lassen wie diejenige Person, die geküsst, geliebt, misshandelt wird.

Aber eines kann man sich gewiss sein:

Man hat nicht immer die Wahl im Leben, egal wie sehr man sich das wünscht oder was man alles dafür zu geben bereit wäre. Nichts dauert unendlich, Worte verblassen aus den Gedanken, dem Papier, dem Gedächniss, der Welt und zurück bleibt nichts außer einem Nachhall der gesprochenen Worte. Sie verlieren ihre Bedeutung, ihren Wert, wir wissen sie nicht mehr zu schätzen. Verletzten Andere mit ihnen ohne es zu merken, denn für uns haben sie keine Bedeutung mehr. Für uns ist es nur ein Spaß, eine Versuchung, ein Scherz, der von dem Anderen besser ignoriert werden sollte. Aber so einfach ist es nicht, wegzuhören meine ich. Wir lieben das Leben, die Worte, den Schmerz, Hass & Gewalt, ohne es zu wissen.

Denn wie würden wir lieben ohne Hass? Wie würden wir heil bleiben ohne Schmerz? Was würden wir tun ohne Gewissen?

Worte. Sie verlieren mit der Zeit ihre Bedeutung. Man sollte sparsamer mit ihnen umgehen. Ich habe beschlossen jedes einzelne abzuwägen, ob in Wut, Trauer oder Empörung. Ich werde sie nicht durch den Dreck der Gefühle ziehen, sie verunreinigen oder nur deshalb aussprechen, weil ich Lust dazu habe.

Ich habe gelernt mit ihnen umzugehen wie mit einer gut geführten Klinge. Es kann sowohl Leben retten, bewahren und verschonen wie Leben zerstören.

Ich habe mich für letzteres entschieden. Weil es meine einzige Chance ist.

Um zu überleben.

Ich weiß ich sollte dieses Tagebuch nicht führen. Ich weiß es ist dumm.

Darf dem Feind keine Hinweise hinterlassen.

Ich kann nur leider nicht anders. Manchmal überkommt es mich einfach, in meinem Kopf ist nicht mehr genügend Platz für diese Gedanken, diese Worte und sie müssen frei sein. Von jemandem gelesen werden, auch wenn ich nicht derjenige sein werde. Obwohl, eigentlich müssen sie nicht gelesen werde. Sie müssen nur mit Hilfe eines Stiftes aus ihrem überfülltem Gefängnis befreit werden.

Denn ich habe mir geschworen es niemandem freiwillig zu überlassen, es sei denn ich stecke in einer Notsituation und kann mit der Option, meine geheimsten Gedanken wegzugeben, leben. Ich weiß das klingt jetzt doof, aber es ist so. Es ist besser man überlegt sich so etwas schon im voraus, als impulsiv zu handeln und mit der Entscheidung im Nachhinein unglücklich zu sein.

Trotzdem.

Eigentlich sollte niemand sie lesen!

Die Gedanken Anderer zu lesen, zu fühlen, über sie zu sprechen, ist ein solch verbrecherisches Vergehen wie man es sich nicht auszumalen traut. Meine Gedanken. Mein Leben. Meine Privatsphäre!

Ich würde niemals so etwas geheimes anrühren, denn hier kann man seinen dunkelsten Seiten die Führung überlassen ohne über die Folgen nachdenken zu müssen.

Der Himmel ist grau, blau, schwarz, von Sternen überfüllt, hell, dunkel, Licht und Finsternis, Liebe und Nichtachtung, Körper und Seele. Alles gehört zusammen, untrennbar. Man kann seinem Geist nicht einfach befehlen den Körper zu verlassen. Ich habe es öfter ausprobiert, aus reiner Neugier ob ich es nicht doch vielleicht mit genügend Anstrengung, mit genügend Konzentration schaffen könnte. Natürlich hat es kein einziges Mal funktioniert und ich habe mir gedacht dass man es vermutlich nur WOLLEN und damit rechnen muss, dabei zu sterben. Aber so abstoßend das Leben in manchen Situationen auch sein kann, desto schöner ist ein einfacher Sonnenuntergang in rot, violett, orange und gelb.

Ich würde es nicht wegschmeißen. Die ganzen Farben des Lebens, die man nicht kopieren kann. Selbst die besten Künstler können es nicht genau wiedergeben.

Ich glaube es liegt an der stetigen, kaum merkbaren Veränderung der Sonne, die immer tiefer sinkt und von Mutter Erde verschlungen wird um am nächsten Morgen neu wiedergeboren zu werden.

Grundsätzlich habe ich nichts gegen das Töten. Wir leben, wir sterben. An Krankheit, Hunger oder Krieg. Es sind nur verschiedene Wege die zum selben Ziel führen.

Natürlich ist es nicht schön Leuten ihre Kraft zu rauben und dann in den staubigen Gassen einer gottverdammten Stadt liegen zu lassen. Darauf hoffend, dass irgendjemand aus seiner Familie überleben konnte um denjenigen zu begraben oder zu verbrennen. Ihm einen würdigenAbgang zu gewährleisten. Durch den Tod kommen die Krankheiten in die Stadt. Und durch die Krankheiten der Tod. Das ewige Spiel der Verdammnis, um armen Seelen auch noch das letzte Stückchen Hoffnung, das letzte bisschen Kampfgeist zu rauben, zu nehmen und mit dem Tod zu bestrafen. Oder zu belohnen. Je nachdem, wie man es nimmt. Bestimmt war es für einige eine...

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als mir jemand auf die Schulter tippte. Jason. Mal wieder.

,,Hey!", sagte er. ,,Mal wieder unerlaubt vom Schlachtfeld entfernt?" Dabei bekam er seine Jason-typische Grübchen, während er ein Grinsen zu unterdrücken versuchte. Erfolglos.

,,Jason, du sollst mich doch nicht bei meinen 'meditativen Übungen' stören", alberte ich dabei herum und immitierte dabei fast perfekt den Tonfall von Oberbefehlshaber Kane, wenn er mal wieder von seinen komischen 'spirituellen' Dingen schwärmte. Wir wussten beide dass ich einfach nur in meinen Gedanken versunken gewesen war und ihnen freien Lauf gelassen hatte. ,, Entschuldigen Sie, Euer Hochwohlgeboren. Habe ich die Erlaubnis mich neben Eure Königlichkeit zu setzten?" Eine übertriebene Verbeugung von Jason. Ich antwortete daraufhin mit einem Augenverdreher. ,, Erlaubnis erteilt! Setzten, Soldat", sagte ich mit meiner kältesten, befehlensten Stimme, die ich für ihn aufbringen konnte. ,,Du bist ein Idiot, weißt du das?",,Ja, das haben mir schon viele gesagt. Keine Ahnung wie die auf so etwas absurdes kommen. Wo ich doch so ein herzensguter Mensch bin...!", erwiderte Jason und versuchte sich an einem Hundeblick. Es sah einfach nur lächerlich aus.

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