anxiety

272 3 0
                                    

Mürrisch steckte ich den Schlüssel in das Schloss. Eigentlich würde ich jetzt noch bei Andre sein, aber da mir ja keiner meiner Familie antworten konnte, ob ich länger bleiben durfte, als eigentlich erlaubt, kam ich eben doch nach Hause, da ich keinen verärgern wollte mit meinem zu spät kommen. Trotzdem wunderte ich mich, warum denn keiner es für nötig hielt mir zu antworten, nicht einmal meine Schwester, die für gewöhnlich 24/7 am Handy hing. "Ich bin wieder da", rief ich in die Stille, erhielt jedoch keine Antwort. Ich runzelte die Stirn und blickte nochmals heraus. Das Auto stand vor der Garage, demzufolge musste doch jemand Zuhause sein. "Hallooo?!". Also hätte ich ja doch noch bei Andre bleiben können, gestört hätte es offensichtlich keinen. Seufzend stieg ich die Treppen hoch, führte meinen Weg fort in mein Zimmer, als ich einen merkwürdigen Geruch vernahm. Die Nase rümpfend sah ich mich um, bemerkte, dass Annes Zimmertüre weit offen stand, was ziemlich ungewöhnlich für sie war, und aus diesem schien auch dieser merkwürdige Geruch zu stammen. "Ist ja widerlich...", ich unterdrückte mir das Würgen, ich hatte das Gefühl ich müsste mich übergeben. "Alter, das hält man ja ni-", ich stockte in meiner fluchenden Beschwerde, als ich an der Türschwelle stand. Und prompt in diesem Moment verstärkte sich das üble Gefühl in meinem Magen, meine Kehle schnürte sich zu, die letzten Schritte zum Badezimmer schwankte ich, bis ich mich förmlich auf den Boden vor die Toilette stürzte und mich übergab. Tränen bannten sich in meine Augen und brannten fürchterlich, ich wollte schreien, aber konnte nicht. Zitternd wischte ich mir mit meinem Pullover über den Mund und spülte ab. Die Tränen flossen immer weiter über mein Gesicht, wurden immer mehr. Und als ich mich am Waschbecken abstützte, in den Spiegel sah, fing ich an zu schreien. Durch die Haare raufend rannte ich aus dem Bad, stolperte die Treppe hinunter, blieb an einer Stufe hängen und schlitterte die restlichen hinunter. Ich spürte Blut an meinem Hinterkopf, mit dem ich auf dem Boden aufgekommen war, spürte den Schwindel, die Schmerzen. Aber keiner dieser Schmerzen würde mir das nehmen, was ich soeben gesehen hatte. Meine Schwester mit aufgeschlitzter Kehle, meine Eltern ebenfalls mit aufgeschlitzter Kehle in der Badewanne. Es wurde schwarz, man nahm mir die Sicht und ich hoffte nie wieder aus dieser Schwärze heraus kommen zu müssen.

---

Ein hallender Schrei erfüllte den Raum, mein Schrei. Ich raufte mir die Haare, war drauf und dran sie mir alle vom Kopf zu reißen, wären da nicht diese sanften Hände, die mich davon abhielten und über mein Gesicht strichen, um die Tränen fort zu streichen. Die warmen und starken Arme, die mich in eine Umarmung zogen und beruhigend über meinen Rücken glitten, um mich zu beruhigen. Die leise Stimme, die in mein Ohr hauchte. "Ich bin bei dir, Jan". Ich schluchzte laut auf und krallte mich an ihn, versteckte mein Gesicht in seiner Halsbeuge. "Ganz ruhig, Kleiner. Ein- und ausatmen, okay?". Langsam befolgte ich seine Anweisungen, erholte mich mehr oder weniger von dem Schock und ließ mich zurück auf die Matratze fallen, schloss meine Augen für einen Moment. "Es wird wieder schlimmer", nuschelte ich, obwohl er sich dessen auch schon bewusst war. "Soll ich einen Termin mit dem Therapeuten vereinbaren?", fragte er, während seine Hand durch meine Haare streicht. "Ich weiß nicht... ich dachte es wäre besser geworden, ich will da nicht wieder hin", der Klang meiner brüchigen Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken. "Ich weiß, dass du das nicht willst, Jan. Aber du hast seit Tagen kaum etwas gegessen, die Alpträume kehren alle wieder und du sitzt nur lustlos im Zimmer. Ich mache mir Sorgen, ich will nicht, dass es meinem Baby schlecht geht". Kurz huschte ein Schmunzeln über meine Lippen, er war so fürsorglich. "Komm, versuch wieder einzuschlafen. Wir können morgen früh noch darüber reden". Leicht nickte ich, setzte mich allerdings nochmals auf und zog ihn zu mir in meine Arme. "Danke, Andre", flüsterte ich leise, kaum hörbar, aber ich wusste, dass er mich verstanden hatte. "Du musst dich nicht bedanken, oh Gott, Jan. Das ist alles, was ich für dich tun kann, für dich da zu sein. Und weißt du warum? Weil ich dich liebe und es nicht ertragen könnte dich wieder so niedergeschlagen zu sehen, wie vor ein paar Jahren. Du bist mein ein und alles, Baby. Niemals würde ich es mir verzeihen, wenn ich dich verlieren würde. Niemals werde ich dich gehen lassen und du wirst auch niemals alleine sein, hörst du? Ich werde immer an deiner Seite sein und dich unterstützen, mein Engel". Die Tränen traten wieder in meine Augen. "Ich liebe dich auch, Andre, ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde". Kurz drückte ich meine Lippen auf seine, er lächelte. "Versuch zu schlafen und solltest du noch länger wach bleiben, weil du nicht einschlafen kannst, dann weck mich einfach". "Ist gut", nuschelte ich und legte mich hin, kuschelte mich an seine Brust. Er legte einen Arm um mich und sogleich fühlte ich mich viel geborgener, so dass in Kürze friedlich die Augen schloss und ohne weitere Träume in den Schlaf glitt. ---

#Jandre ONESHOTSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt