- Jan Pov -
"Babe?", schallte es durch die Wohnung und ich schaute erschrocken von meinem Buch auf. War er schon wieder zurück? Völlig in Gedanken versunken bemerkte ich gar nicht, dass er in meinem Zimmer stand. "Der ganze Kram liegt ja immer noch hier rum". "Ich muss lernen, Andre", erwiderte ich daraufhin bloß. "Du lernst schon seit zwei Wochen durchgehend und wenn du mal nicht lernst, bist du bei den Vorlesungen. Ich bekomme dich kaum noch zu Gesicht". Ich sah den traurigen Ausdruck in seinen Augen und wie sehr es ihn belastete, meine Nähe nicht mehr in einem so großen Ausmaß zu bekommen. "Ich weiß und es tut mir auch Leid, aber ich schreibe in drei Wochen mein Physikum. Und wenn ich das verhaue, sind diese ganzen Semester bisher umsonst gewesen". "Kannst du wenigstens heute eine Ausnahme machen? Oder du lässt morgen einfach mal eine Vorlesung sausen und wir schlafen aus, ich kann uns ein tolles Frühstück herzaubern. Ich kann auch jetzt schnell was zum Abendessen kochen, ich war gerade einkaufen. Ich mache dein Lieblingsgericht, du kannst meiner Lasagne nicht widerstehen, komm schon!", euphorisch kam er auf mich zu und lächelte mich an. "Das klingt wirklich toll und verlockend, aber... ich kann echt nicht". Ich sah förmlich wie jeder Funken Freude aus seinem Gesicht verschwand. "Okay, verstehe schon", murmelte er. "Dann lern mal schön weiter". Er wollte schon eilig aus meinem Zimmer laufen, als ich ihn noch aufhielt. "Andre? Ich liebe dich". "Hm... ich dich auch". Seufzend starrte ich die geschlossene Tür an. Ich wusste, dass es ihn verletzte und er sich vernachlässigt fühlte, aber mein Studium ging nun einmal vor. Und darüber hatten wir bereits ganz zu Beginn gesprochen und er war einverstanden, sonst hätte ich nie mit dem Medizin Studium begonnen. "Noch drei Wochen, dann ist der ganze Mist fürs Erste vorbei...", redete ich mir selbst ein und setzte mich an die Unterlagen. [...] Mein Wecker klingelte um 6 Uhr in der Früh, genervt schaltete ich ihn stumm und drückte mein Gesicht in die Kissen. Ich war völlig fertig mit den Nerven, hatte noch bis spät in die Nacht gelernt und fühlte mich wie ausgelaugt. Vielleicht sollte ich heute doch Zuhause bleiben, mich zu Andre legen und mit ihm ausschlafen, gemeinsam frühstücken, vielleicht anderweitig Sport betreiben. Frustriert schlug ich die Decke von meinem Körper und war schneller aufgestanden, als dass ich bis drei zählen konnte, ehe ich in das Zimmer meines Freundes ging. "Bist du wach?", fragte ich und knipste das Licht an, doch gähnende Leere erwartete mich bloß. Andre war nie so früh wach, aber vielleicht war er ja durch meinen Wecker wach geworden? "Andre?", rief ich, doch in der Wohnung blieb es still. Ich schaute mich in der Küche um, entdeckte die Lasagne, die auf dem Herd stand. Er hatte ja doch gekocht. Und mich nicht mal mehr zum Essen gerufen, er musste wirklich sauer auf mich sein. Ich hörte das Rascheln, als auch schon die Haustür zuknallte. "Andre? Wo warst du denn so früh?", sofort eilte ich in den Flur und betrachtete meinen Freund. "Was geht's dich an", zischte er und warf die Schlüssel auf den Tisch, striff sich Jacke und Schuhe ab und ging an mir vorbei. "Hast du was getrunken?", fragte ich, als der beißende Geruch von Alkohol in meine Nase stieg und verschränkte prüfend die Arme. "Und wenn schon", murrte er sichtlich genervt und kramte im Schrank nach einem Glas und Aspirin. "Du gehst nie unter der Woche trinken. Mit wem überhaupt?". Ich fühlte mich schuldig, hatte er sich nur wegen mir betrunken? "Alex", brachte er bloß knapp über die Lippen und schluckte die Tablette. "Alex?", fragte ich entsetzt. "Du willst mir weis machen, dass du mit deinem Ex was trinken warst?". Das konnte doch nicht sein Ernst sein. "Erstens, ist er nicht mein Ex. Zweitens, er war erst hier und wir haben zusammen meine Lasagne gegessen". Er brachte es so einfach über sich, wusste er eigentlich wie viele Messerstiche er mir damit verpasste? "Ihr hattet trotzdem mal was miteinander gehabt! Und willst du mich verarschen? Er war in unserer Wohnung?!", schrie ich ihn an, ich war außer mir vor Wut. Er hatte mir gesagt, er hätte schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm. "Musst du nicht zur Uni?", fragte er desinteressiert, schnalzte mit der Zunge und blickte mir starr, ohne Emotionen in die Augen. "Weißt du was? Ja, ich gehe jetzt zur Uni. Ich hatte mir eigentlich überlegt heute doch hier zu bleiben und mir mit dir einen schönen Tag zu machen. Aber weißt du was? Fick dich", schnauzte ich ihn an und lief zur Garderobe, riss meine Jacke vom Bügel und zog sie mir über, zog meine Sneaker an und wollte mir gerade meine Schlüssel schnappen, als er mich mit seinen Worten noch aufhielt. "Wir hatten Sex". Ich erstarrte in meiner Bewegung, mein Herz setzte aus. "Was?", hauchte ich, hoffte, dass das ein blöder, verdammt blöder, Scherz von ihm gewesen war, doch da stach er auch schon wieder zu. "Wir haben miteinander gevögelt. Alex und ich. Und weißt du was? Ich hatte den besten Sex meines Lebens gehabt. Nicht dieses langweilige Blümchen Getue, oh nein. Harter, geiler Sex. Und ich hab es genossen, wie er meinen Namen stöhnte, wie ich ihn zum Schreien brachte und wie er sich an meinen Rücken krallte. Willst du die Kratzspuren sehen?". Ohne einen Kommentar dazu abzugeben rannte ich aus der Wohnung. Als ich draußen die kühle Morgenluft einatmete, realisierte ich erst so wirklich, was er mir gerade gesagt hatte. Er hatte mich betrogen. Ich schnappte nach Luft, spürte die aufsteigenden Tränen und schlug voller Verzweiflung und Wut gegen die Hauswand. So lange, bis meine Fingerknöchel aufplatzten und das Blut auf den Asphalt tropfte, bis meine Tränen verebbt waren, bis meine Schreie verstummten. Ich kniff die Augen zusammen, lehnte mich außer Atem an die Hauswand und raufte mir die Haare. Das konnte doch alles nicht wahr sein. [...] Ich betrat die Wohnung erst sehr spät, ignorierte den ganzen Tag Andres Nachrichten und Anrufe. In der Uni war ich heute nur kurz gewesen, um etwas zu klären. Und auf dem Weg zurück begegnete ich jemandem, mit dem ich mich einige Stunden unterhielt. Den Rest verbrachte ich in einer Bar, saß dort und nippte stundenlang an meinem einzigen Bier, um über das alles nachzudenken. Und nun stand ich im Hausflur, hang meine Jacke gerade auf, als mich eine brüchige Stimme zum Stillstand zwang. "Jan?". Ich schloss die Augen, ließ einen langen Seufzer aus, ehe ich mich zu ihm umdrehte. "Was willst du? Mich weiter mit deinen Bettgeschichten zu labbern?". "Können wir bitte reden?", flehend sah er mich an und ich folgte ihm in sein Zimmer, in welchem er sich direkt auf den Bettrand setzte, während ich vorerst Platz auf dem Stuhl nahm. "Sprich", forderte ich ihn auf, da er nur damit beschäftigt war auf seine knibbelnden, verschränkten Hände zu starren. "Es tut mir Leid, dass ich mich wie ein Arschloch benommen habe. Ich war einfach so... verletzt. Und ich weiß, dass das keine Entschuldigung für mein Verhalten ist. Das Studium ist dir wichtig, das verstehe ich, du wirst sicherlich mal ein toller Arzt werden und da möchte ich dir nicht mehr im Weg stehen. Deswegen-", quasselte er vor sich hin, bevor ich ihn mit dem Heben meiner Hand zum Schweigen brachte. "Ich war heute in der Uni und habe mich abgemeldet". Seine Augen weiteten sich, als er meine Worte realisierte. "Wegen mir? Wegen so einem Idioten wie mir gibst du dein Studium auf? Wieso tust du sowas dummes?", bombardiert er mich mit seinen Fragen, als ich seufzend Platz neben ihm nehme. "Weil ich dich liebe, Andre. Liegt das denn nicht auf der Hand? Und was Alex betrifft, ich-", diesmal war er es, der mich schnell unterbrach. "Ich habe nicht mit ihm geschlafen. Also... es stimmt schon, dass er kurz hier war und wir was trinken waren, aber da lief nichts. Kein Sex, kein Kuss, gar nichts. Ich war einfach so sauer und noch vom Alkohol angeschlagen, da ist mir das irgendwie rausgerutscht. Ich wollte dich nicht verletzen, Jan". Leicht lächelnd sah ich ihn an, wie er während seinem verzweifelten Gerede mein Gesicht sanft in die Hände nahm, mir über meine Wange strich. "Ich weiß. Ich bin heute zufällig Alex begegnet und er hat es mir erzählt. Ich bin nicht sauer. Also doch, zu Beginn schon, weil ich niemals auch nur einen Gedanken daran verschwendete, dass du mich mal betrügen würdest. Aber als ich dann Alex traf und Zeit hatte darüber nachzudenken, wusste ich, dass ich Prioritäten setzten musste. Eine gesunde Beziehung kann man nun einmal nicht führen, wenn man ein Medizin Studium versuchte zu absolvieren. Deswegen habe ich mich für dich entschieden. Was bringt mir ein gut bezahlter Job, wenn ich meine Liebe verloren habe? Ich liebe dich, Andre und ich möchte mein Leben mit dir verbringen, nur mit dir". Die letzten Brocken seiner Fassade, die ihn so stark wirken ließ, fielen endgültig und schluchzend fiel er mir in die Arme. "Ich habe so jemanden wie dich doch gar nicht verdient und du... fuck, ich liebe dich so sehr". "Und ich liebe dich. Hörst du? Verdammt, hör auf zu heulen, du Pussy, sonst fang ich gleich auch wieder damit an". Leise lachend bemerkte ich, wie sich auch auf seinen Lippen ein Grinsen kennzeichnete. "Wir bleiben für immer zusammen und das sage ich nicht einfach so, das ist ein Versprechen". Vorsichtig nickte er, ehe ich unsere Lippen in einen sanften Kuss verband. ---