- PoV Andre -
Zerstreut stand ich vor meinem Kleiderschrank und überlegte, was ich anziehen sollte. Eigentlich war es egal, was ich anzog, theoretisch konnte ich auch einfach in Boxershorts rausgehen, denn am Ende hätte ich sowieso keine Klamotten mehr an. Nach 2 Wochen praktischer Erfahrung wusste ich das. So war Jan eben. Wenn er eine Chance hatte etwas mit mir zu unternehmen, dann nutzte er diese auch. Seine Vorwände bestanden bisher immer darin einen Film zu schauen, was mir immerhin auch taten, bloß bekamen wir nie mehr mit als die ersten 10 Minuten, wenn nicht sogar 5, da wir den Rest des Films damit beschäftigt waren uns auszuziehen, rumzuknutschen und zu fummeln. Manchmal fühlte ich mich wie ein pubertierender 14-jähriger, dabei war ich vermutlich einfach ein pubertierender 19-jähriger, der seine Gefühle nicht unter Kontrolle bringen konnte, wenn er den Blondschopf sah mit seinen rosaroten Lippen, die einen förmlich dazu einluden sie zu küssen. Immer noch etwas zerstreut zog ich schließlich einen schwarzen Hoodie an, krempelte die Ärmel hoch und eine einfache Jeans. Mit einem Lächeln auf den Lippen verließ ich meine Wohnung und lief rüber zu Jan, schließlich waren es kaum 15 Minuten, die uns voneinander trennten.
Grinsend öffnete Jan mir die Türe, stand nur in einer Boxershorts vor mir, als hätte er meine Gedanken vorhin mitbekommen und auf sich übertragen. "Hey, komm rein. Hab den Film schon eingelegt". Ich konnte mir kein Schmunzeln verkneifen, trat ein und zog mir die Schuhe aus. "Mach's dir gemütlich, ich komme gleich", sagte er und verschwand in der Küche. Skeptisch sah ich ihm nach, sonst vergeudete er doch auch nicht so viel Zeit? Neugierig, wie ich war, folgte ich ihm und beobachtete ihn, wie er 2 Weingläser aus dem Schrank nahm. Schnell schlich ich mich an und umarmte ihn von hinten, legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab. Er war zwar älter als ich, aber von der Größe her überragte ich ihn. "Was wird das?", fragte ich grinsend und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Lass dich überraschen, Großer", und damit scheuchte er mich aus der Küche in das Wohnzimmer, wo ich mich auf die breite Couch setzte und ihm zusah, wie er nach einer Weinflasche suchte. "Rot- oder Weißwein?". "Was ist mit Whisky?", lachte ich und deutete auf die Flasche im Regal. "Hast Recht", nuschelte er und griff nach der Flasche, kam zurück zu mir und füllte die beiden Gläser auf. "Mit den Weingläsern musst du trotzdem leben".
Nachdem die halbe Flasche leer war, mittlerweile gute 8 Minuten des Films rum waren und ich immerhin erfahren hatte, dass der Protagonist eine Krebsdiagnose erhalten hatte, lag Jan schon über mir und unsere Zungen trugen einen Kampf aus, der intensiver nicht hätte sein können. Seine Hände, die mittlerweile unter meinen Hoodie geglitten fahren, hinterließen eine sanfte Gänsehaut und anscheinend genoss er, welche Wirkung er auf mich hatte. Als auch ich nur noch mit meiner Boxershorts bekleidet war, griff er mir in den Schritt und überrascht stöhnte ich leise auf. "Ich will heute weiter gehen, als sonst immer...", hauchte er mir ins Ohr und prompt öffnete ich meine Augen und sah in seine. Sein sonst so helles blau, strahlte nun dunkler auf, seine Pupillen waren geweitet. "Du... Sex...?", flüsterte ich leise und grinsend nickte er. Ich wandte meinen Blick ab, biss mir auf die Lippe und dachte angestrengt nach. Ich wusste, dass dieser Moment kommen würde und natürlich hatte ich auch schon mit einigen Typen geschlafen, aber war ich dazu bereit mit Jan zu schlafen? Immerhin war er etwas Besonderes für mich und ich wusste nicht, ob unser erstes Mal etwas zu überstürzt war. "Nur wenn du willst natürlich, ich zwinge dich zu nichts, Andre". Aus unschuldigen Augen sah er mich an, bewegte dabei seine Hüfte gegen meinen Schritt und eine Welle der Erregung durchströmte meinen Körper, meine Ängste waren wie verflogen. "Verdammt, schlaf mit mir", keuchte ich und presste meine Lippen mit etwas Druck auf seine. "Ich stehe aber nicht so auf diesen langweiligen Blümchensex... ich... mag's was härter", nuschelte er an meinen Hals und verpasste mir einen Knutschfleck.
Was genau er mit härter meinte, kam mir erst in den Sinn, als ein harter Schlag auf meine Brust folgte und ich die Augen aufriss. Etwas panisch sah ich Jan an, der auf meinem Schritt saß und mit einem unschuldigen Lächeln die Peitsche über meinen Oberkörper gleiten ließ. Bevor ich auch nur etwas sagen konnte folgte der nächste Schlag und ich wimmerte leise auf und so konnte ich nicht verhindern, dass die ganzen Erinnerungen an die schlimmsten Jahre meiner Kindheit mich wie ein Blitz trafen. Die Erinnerungen an meinen Vater, seine täglichen Schläge, seine Schreie. Jeder Schlag von Jan rief eine neue Erinnerung in mir auf und ich sah sein Gesicht wieder vor mir, dass ich versucht hatte zu verdrängen, seine Augen, die den puren Hass mir gegenüber zeigten. Mein Körper versteifte sich und aus glasigen Augen heraus sah ich Jan an, der plötzlich aufgehört hatte und mich besorgt musterte. "Andre, ich-", stammelte er und ließ seine Hand langsam auf meinen Oberkörper sinken. "HÖR AUF!", schrie ich völlig panisch und hielt mir die Hände vor mein Gesicht, schluchzte auf. Ich hatte nicht Jan vor mir, ich sah immer noch meinen Vater, wie er mich schlug und mir Beleidigungen an den Kopf warf. Ich begann zu zittern, es schmerzte. Die psychischen Schmerzen waren schlimmer als die physischen.
"Andre? Andre, es tut mir Leid. Hörst du mich? Scheiße... hey, ich bin bei dir, okay? Beruhige dich", hörte ich es in meinem Kopf rauschen, als wäre Jan ganz weit entfernt. Nach, gefühlt endlosen, Minuten in denen er mich mit Worten versuchte zu beruhigen und mir sanft über den Rücken strich, konnte ich wieder normal atmen, drückte mich jedoch noch gegen seinen warmen Körper, der mir gerade Schutz bot. Ich wollte nicht, dass er mich weinen sah, sah wie verletzlich ich war. "Es ist vielleicht besser, wenn ich jetzt gehe", schniefte ich und stand schnell auf, senkte den Kopf und suchte meine Sachen zusammen. "Andre... geh jetzt bitte nicht. Es tut mir Leid, fuck, ich wusste doch nicht, dass du... so... reagierst. Ich... willst du darüber reden?". Seine Hand griff nach meiner und ich wagte es ihm nicht ins Gesicht zu sehen, mit meinen vermutlich rot unterlaufenen Augen. "Ich mach dir auch eine Heiße Schokolade, Großer. In der Zeit kannst du dich ja kurz im Bad frisch machen... abgemacht?". Zögernd nickte ich und tapste in sein Bad, wo ich mich am Rand des Waschbeckens festhielt und mein Spiegelbild ansah. Mein hässliches Spiegelbild. "Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen...", murmelte ich mir entgegen, sah in die müden fahlen Augen, das struppige Haare, die Augenringe. Ich drehte den Wasserhahn auf, spritzte mir etwas Wasser ins Gesicht, blickte wieder auf. "Ich hasse dich!", schrie ich und raufte verzweifelt an meinen Haaren, während mir wieder die Tränen, wie Bäche die Wangen runterflossen.
In wenigen Sekunden war auch schon Jan bei mir, der mich sofort in seine Arme zog und mich vor dem nächsten Zusammenbruch bewahrte. "Shh... es ist alles gut, Andre...". Energisch schüttelte ich den Kopf. "Nichts zu gut... es ist die Hölle". Sanft, aber bestimmt drückte Jan mich von sich, sah mich an. "Es tut mir Leid, dass ich dich gerade dazu gedrängt habe. Ich... ich wollte nicht, dass du das nochmal durchleben musst, was du gerade durchlebst. Aber du kannst mit mir darüber reden, okay? Ich werde dir zuhören und dir helfen, ich möchte nämlich nicht, dass du in dieser Hölle weiter leben musst. Ich... liebe dich...". Mir stockte der Atem. In den ganzen 2 Wochen, die wir uns jetzt fast täglich trafen, hatte er mir noch nie gesagt, dass er mich liebte. "Komm, Großer. Deine Heiße Schokolade ist schon fertig". Wir gingen gemeinsam zurück in das Wohnzimmer, er wartete ab bis ich saß und reichte mir die dampfende Tasse, setzte sich dann nah an mich, legte einen Arm um meine Hüfte. Zitternd schlürfte ich an der Tasse und starrte tief hinein, versuchte irgendwie das ganze hinauszuzögern. Scheiße, konnten wir jetzt nicht doch einfach Sex haben? Ich wollte nicht reden. Also tat ich, was in meinem Kopf gerade besser aussah, stellte die Tasse ab und attackierte ihn förmlich mit meinen Lippen. "Woah... Andre...", nuschelte er und konnte sich keine Stöhnen verkneifen, als ich in seinen Schritt griff. Zwar ließ er sich im ersten Moment darauf ein, zögerte dann jedoch und drückte mich bestimmend von sich. "Versuch nicht abzuschweifen. Ich... weiß, dass es jetzt nicht leicht ist darüber zu reden, aber... vertrau mir, bitte". Seine Stimme war nicht mehr, als ein leiser Hauch und sanft nahm er mein Gesicht in seine Hände, strich mir die Tränen beiseite, die mein Gesicht wieder überströmten. Sein Blick strahlte eine solche Vertrautheit aus, eine solche Intensität von Zuneigung und... Liebe, dass ich mich geschlagen gab und anfing zu erzählen. Erst nur unsicher und in Bruchstücken, bis es mir egal wurde und ich meinen ganzen Frust, meine ganze Wut und Trauer herausließ. Es störte ihn nicht, dass ich wieder in Tränen ausbrach und mich in seinen Armen versteckte, er hörte mir einfach zu und strich in kreisenden Bewegungen durch meine Haare. "Das tut mir Leid... aber weißt du was? Dieser Mann ist deine Tränen nicht wert. Du bist stark, so unglaublich stark, Andre. Und du wirst geliebt, gott, ich liebe dich so sehr, hörst du das? Ich liebe dich so sehr, dass es mich fast schon zerreißt. Ich dachte am Anfang das mit uns wird so ein Freundschaft+ Dings, aber... du hast so viel mehr in mir ausgelöst und... fuck... du bist so wunderschön und ich verliebe mich jeden Tag ein Stück mehr in dich. Ich kann es nicht ertragen dich so zu sehen und es tut mir Leid, dass ich dich erst wieder in diese Lage gebracht habe. Wir können von mir aus den blumigsten Sex haben, den du dir vorstellen kannst, nur bitte bleib bei mir". Er redete so viel, ich konnte ihm beinahe nicht folgen. Und perplex, wie ich war, konnte ich ihn bloß aus großen Augen anstarren. Es war rührend und mir stiegen schon wieder die Tränen auf, fuck. "A-andre? Shit, bitte wein nicht, es tut mir-", stotterte er, doch ich unterbrach ihn schnell mit einem Kuss, der leidenschaftlicher nicht hätte sein können. Sanft knabberte ich an seiner Unterlippe, während er voller Begierde seine Zunge in meinen Mund gleiten ließ. "Ich liebe dich auch", keuchte ich zwischen den Kuss und konnte in diesem Moment nicht glücklicher sein. ---