- Andre PoV -
"Und, mit wem geht ihr zum Abschlussball, Jungs?", fröhlich grinsend stellt Melina die Frage in die Runde und schaut uns der Reihe nach an. "Cengiz, mit wem gehst du?". Seine Wangen färben sich für einen Moment rosa, ehe er grinst und leise, "Sarah", nuschelt. "Das ist doch super. Jan, Andre, was ist mit euch?". Mürrisch kaue ich auf dem Salat rum, zucke mit den Schultern. "Keine Ahnung". Melina sieht mich prüfend an, hebt eine Augenbraue, was so viel bedeutete wie, sie wolle noch einmal unter vier Augen mit mir reden. Dann sieht sie Jan an und auch mein Blick heftet sich an den kleinen Blonden, der neben mir sitzt. "Ähm, also bisher... niemand. Ich weiß nicht, es gibt keine so große Auswahl und so wichtig ist mir der Ball jetzt auch nicht", murmelt er und zupft an seinem Ärmel. "Ach quatsch, wir finden noch einen schnuckeligen Typen, der mit dir ausgehen möchte", lächelt Melina zu motiviert über die Situation und fixiert dabei einen kurzen Augenblick mich. "Hm... mal sehen. Ich hole mir schnell eine Wasserflasche", damit steht der Blondschopf von seinem Platz auf und begibt sich an den Kiosk, seufzend schaue ich ihm hinterher, jeden seiner Schritte verfolge ich. "Andre, wann fragst du ihn endlich?". Grummelnd sehe ich zurück zu Cengiz und Mel. "Gar nicht. Er wird nicht mit mir ausgehen, weil wir 1. Beste Freunde sind, er 2. nicht auf mich steht und 3. ... weiß er nicht einmal, dass ich auch auf Männer stehe, weil ich zu feige bin es ihm zu erzählen". "Warum erzählst du es ihm denn nicht einfach?". "Keine Ahnung, das ganze ist total komisch. Ich habe irgendwie Angst, dass er mich hassen könnte, dabei weiß ich eigentlich was ein Schwachsinn das ist, weil er ja selbst schwul ist. Aber... ich will ihn nicht durch irgendwelche Taten verlieren und ich denke nicht, dass es gut ist mit ihm zum Abschlussball zu gehen, er... ist mein Bester Freund. Und das sollte auch so bleiben, Gefühle haben da einfach nichts zu suchen", nuschel ich, vergrabe verzweifelt meine Hände in den Haaren. "Du weißt, dass man Gefühle nicht einfach verdrängen kann, Andre. Versuch es doch wenigstens, sonst wirst du immer mit dieser Ungewissheit leben. Triff dich mit ihm und rede darüber, das ist das Wichtigste und glaub mir, ihr werdet immer Beste Freunde bleiben, das vergeht nicht einfach so". Seufzend kommentiere ich ihr Geschwaffel, das hat doch alles keinen Sinn.
Lange ist es still, bis Jan wieder kommt und sich grinsend an seinen Platz setzt. "Was ist denn mit dir passiert? Haben sie dir Drogen, statt Wasser verkauft?", lacht Cengiz, doch Jan sitzt dort, immer noch dieses Grinsen auf den Lippen, wie eingemeiselt. "Ich habe eine Verabredung. Mit Finn". Dieser Satz lässt alles in mir gefrieren, alles in meinem Kopf ist wie leer gefegt. Damit habe ich meine Chance wohl schlussendlich verpasst. Ich ignoriere die mitleidigen Blicke der beiden, als ich schnell aufstehe und mich damit entschuldige, schon mal zum nächsten Kurs zu gehen.
|| ZEITSPRUNG ABSCHLUSSBALL ||
"Andre, du musst mit kommen", versuchte Melina mich seit einer geschlagenen halben Stunde aus dem Bett zu scheuchen. "Ich will aber nicht", murrte ich und vergrub meinen Kopf tiefer in das Kissen. "Verdammt, tu nicht so als wärst du das Opfer. Du hättest ihn fragen können, aber nein, dazu warst du ja zu feige. Du bist selbst Schuld. Gott... Jan wird mich umbringen, wenn ich dir das jetzt sage, aber eine andere Wahl habe ich anscheinend nicht". Langsam setzte ich mich auf, schaute sie abwartend an. "Sag schon, es wird vermutlich sowieso nichts an meiner Einstellung ändern". Warnend blickte sie mich an. "Jan ist... mein Gott Andre, er hat bloß darauf gewartet, dass du ihn fragst, er hat sich jeden Tag neue Hoffnungen gemacht, dass du auf ihn zukommst. Dass du ihn nach dieser blöden Verabredung fragst. Weißt du überhaupt wie verzweifelt er gewesen ist? So oft wie du ihn beobachtest hättest du doch sehen müssen, wie es ihm wirklich geht. Er war verletzt, aber was sollte er schon machen? Du bist ja nur sein heterosexueller Bester Freund, was würde dieser schon von ihm wollen". Den Tränen nahe, in letzter Zeit war ich sehr emotional geworden, knetete ich meine Hände, schaute auf die Bettdecke. "Hat er das so gesagt...?". "Verdammt nochmal, ja. Wir haben noch eine Stunde bis der Abschlussball beginnt, also los, geh dich fertig machen und dann wirst du mit Jan reden".
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Genervt saß ich nun hier, beim Abschlussball, völlig allein, weil jeder gerade mit seiner Verabredung auf der Tanzfläche war und zu einem langsamen Lied tanzte. Meine Hand schloss sich fester um mein Glas mit Bowle, so dass meine Knöchel schon weiß hervorragten, als ich Jan in der Menge fand. Mit Finn, dessen Hände in aller Seelenruhe auf Jans Hüfte lagen, der ihn näher an sich zog und der Jan mit diesem schmierigen Blick anschaute. Ich sollte an seiner Stelle sein. Ich sollte der einzige sein, der Jan so anfassen und ansehen durfte. Ich war verdammt eifersüchtig, obwohl ich nicht einmal den Grund dazu hatte, schließlich war Jan nicht mein Freund. Aber in mir kochte einfach diese Wut, die Wut auf mich selbst, dass ich ein so feiger Egoist war. Nach stundenlanger Quälerei, so kam es mir zumindest vor, war das dämliche Liebesschnulzen Lied endlich zu Ende und ich nahm mir die Chance mit Jan zu reden zu Herzen. Also stürmte ich ihm schnell hinterher, als er gemeinsam mit Finn zur Getränkebar voran lief. Jan lachte gerade über irgendeinen Witz von Finn, als ich ihn mit einem Räuspern unterbrach. "Ich will euch beide echt nicht stören", oh doch, und wie ich das wollte, "aber hättest du vielleicht kurz eine Minute für mich, Jan?". "Ja klar...". Jan lächelte, während Finn nicht so begeistert aussah, aber was interessierte mich das schon? Ich zog ihn leicht am Ärmel mit, raus aus der Halle, dort war es viel zu stickig und laut, hier draußen waren wir immerhin ungestört und konnten in Ruhe miteinander reden. "Was ist los?", fragte er besorgt, sah mich mit einem sanften Blick an und das liebte ich so sehr an ihm. "Ich... ich muss dir etwas wichtiges sagen, was ich dir... schon lange verschweige. Ich fühle mich wirklich schlecht deswegen und es tut mir schrecklich Leid, dass du es als Letztes erfährst und das obwohl du... mein Bester Freund bist. Jan ich... ich weiß, dass meine Ängste total dämlich sind und du mich niemals dafür hassen könntest, aber bitte versprich mir, dass du mich nicht abstoßen wirst... Das würde ich nicht ertragen". Meine Stimme war bloß ein leichter Hauch, vefzweifelt drang meine Stimme zu ihm durch. "Andre, egal was du getan hast, nie im Leben könnte ich dich hassen oder von mir abstoßen. Versprochen". Er lächelte leicht, versuchte damit meine Ängste von mir zu nehmen. Tief atmete ich durch. "Ich bin bisexuell". Aus Panik, was nun folgen würde, schloss ich die Augen, presste sie fest aufeinander, wollte ihn nicht ansehen. Doch anstatt mir eine Predigt von ihm anhören zu müssen oder ähnliches, hörte ich seine bezauberndes Lachen. Zögernd öffnete ich meine Augen wieder, sah ihn an, er grinste. "Davor hattest du Angst? Dass ich dich hassen würde, weil du bi bist? Man Andre, ich steh doch auch auf Schwänze, warum sollte ich dann ein Problem damit haben, dass du es auch tust". Nochmal lachte er auf, ehe er seine Arme um mich schlang und sich an meinen Körper drückte. Es würde mir so viel besser gehen, wäre da nicht noch die andere Sache, die ich ihm beichten musste. "Wollen wir wieder rein gehen?", fragte er, als er sich von mir gelöst hatte und etwas benommen von meinen Gefühlen nickte ich nur. Er ging schon vorraus, als ich jeglichen Mut zusammen brachte, um meine Beichte fortzusetzen. "Jan warte, ich muss dir noch was sagen". Überrascht wendete er sich wieder zu mir, sah mich fragend an. "Ich...", ich holte ihn etwas ein und als ich direkt vor ihm stand, murmelte ich ein schnelles, "Gott, bitte hass mich nicht". Und dann drückte ich meine Lippen auf seine ohne an die Konsequenzen, die dieser Kuss mit sich tragen konnte, zu denken. Ich steckte all meine Emotionen in diesen Kuss, doch als Jan immer noch keine Reaktion zeigte, löste ich mich und sah ihn entschuldigend, und etwas verletzt, an. "Es tut mir Leid", nuschelte ich, blickte auf den Boden. Melina hatte es bestimmt falsch mitbekommen. Als würde Jan schon auf mich stehen. "Vergiss es einfach, lass uns wie-", noch ehe ich meinen Satz aussprechen konnte, spürte ich, wie sich zwei Hände an mein Jackett klammerten und sich diese perfekten Lippen wieder auf meine legten, nur diesmal mit viel mehr Zuneigung, viel mehr Liebe. Es fühlte sich an, als wäre eine ganze Herde Elefanten in meinem Bauch unterwegs und mein Kopf bestand im Moment nur noch aus Zuckerwatte. Ich war überwältigt von den ganzen Gefühlen, völlig benebelt. "Du verdammtes Arschloch", keuchte Jan, als wir uns aus diesem hitzigen Kuss lösten. Verwirrt musterte ich ihn. "Du hättest es mir viel früher sagen müssen. Dann hätte ich das hier auch schon viel früher machen können". Sofort waren unsere Lippen wieder versiegelt und mehr Worte brauchten wir im Moment nicht. Das hier reichte mir vollkommen und innerlich dankte ich Melina, dass sie mich dazu gebracht hatte hierher zu kommen, mit ihm zu reden, ihm das alles zu beichten. "Ich liebe dich, Jan", keuchte ich und spürte sein Lächeln an meinen Lippen, als er ein, "Ich liebe dich auch", erwiderte. Ich war glücklich, mehr als das und keiner würde mir das jetzt noch nehmen können. ---