Die Flucht

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Der Kittel behindert mich Gott sei dank nicht beim laufen. Ich renne durch die Dämmerung und Schottlands Gassen. Ich fühle mich frei, ich fühle mich entlastet. Selbst das rennen macht mir nichts aus, ich genieße das Geräusch meiner Schritte auf dem kalten Pflaster. Mein Kopf ist leer, ich renne einfach der untergehenden Sonne entgegen. Wir haben es geschafft wir haben trotz der Gefahren und dieses Psychos die Flucht ergriffen, ich bin so stolz Eleyna, spricht meine innere Stimme. Ich komme einem kleinen Stück Wald entgegen und überlege die Straßen oder den Wald als Versteck zu benutzen. Der Wald liegt dunkel und voller Schrecken vor mir, die Straße ist in regelmäßigen Abständen beleuchtet. Doch auf der Flucht ist Licht nicht mein Freund sage ich mir, laufe zum Rand der Straße und rutsche eine kurze Böschung hinab, den dicken, bemoosten Stämmen entgegen. Ich habe mir das Knie ein wenig aufgekratzt, doch im vergleich zu den Schmerzen die ich bei ihm gespürt habe ist das Garnichts. Ich laufe ein stück weiter in den Wald hinein, über tote Äste und kleine Felsen. Ich fühle mich nicht sicher also suche ich mir ein Versteck für die Nacht. Nach einer kurzen Weile finde ich etwas Höhlenartiges, und verstecke mich darin. Er wird uns schon nicht finden. Spricht mein Unterbewusstsein und ich hoffe es hat recht. Ich versuche mich bequem hinzulegen und zu schlafen, doch so viele Gedanken halten mich wach, ich frage mich immer wieder ob ich nicht jemanden ansprechen sollte aber ich habe viel zu viel Angst davor entdeckt zu werden. Und eine weitere verwirrende andere Stimme in mir will entdeckt werden, von ihm gefunden und bestraft werden. Ich ignoriere diese Stimme und versuche zu schlafen um mich für den nächsten Tag und die Heimreise zu kräften ich lege mich hin doch nach Minuten drehe ich mich nur hin und her als ich grade einschlafen will vernehme ich Geräusche, ich bin gut versteckt bloß keine Angst sage ich mir immer wieder, langsam und möglichst geräuschlos richte ich mich auf und blicke mich um. Es läuft jemand mit einer Taschenlampe rum, nein nicht nur einer es sind drei sehe ich weiter. Meine Atmung beschleunigt sich und mein Herz schlägt schneller. Bilde dir nichts ein Anna vielleicht sind das einfach Jäger. Will mich meine innere Stimme beruhigen. Meine Beine wollen trotzdem schneller weiter. Ich renne weiter, zwänge mich durch das Gestrüpp, statt ausgetretene Pfade zu benutzen. Ich stolpere durch einen Himbeerbusch, zerkratze mich. Der Kittel reißt kurz unter meiner Brust auf und eine schneidende Brise stellt meine Härchen auf. Die Hochzeit meiner Haut mit den Dornen liefert eine blutige Mitgift. Plötzlich springt ein Lichtkegel durch das dichte Grün vor mir. Ich bleibe stehen, kauer mich auf den Boden. Stacheln bohren sich in meine Knöchel und mein Herz pocht bis in meine Schläfen. Ich schmecke einen metallischen Geschmack an meinem Gaumen und jetzt erst merke ich wie viel ich in meinem angeschlagenen Zustand gelaufen bin. Der Lichtstrahl verschwindet wieder. Alles in mir kommt zu ruhe. Ich zucke zusammen, als ich einen eisernen Griff an meiner Schulter spüre. Bevor ich mich umwenden kann, werde ich auch schon nach hinten gezogen. Meine Beine Schlagen aus, doch nichts hilft. Ich will schreien, doch da wird mir auch schon ein Knebel in den Mund gestopft. Plötzlich wird alles schwarz. Doch nicht weil ich mein Bewusstsein verloren hätte. Jemand hat mir etwas über den Kopf gezogen! Ich spüre meinem Atem an meinen Wangen kondensieren und wie die Luft dicker wird. Mit einem Mal schlingt sich etwas um meinen Hals. Panisch ziehe ich meine Arme hoch, bekomme das Seil, das sich da um mich schlingen will, zu fassen und schleudere es von mir. Eine Handbewegung und der Sack ist von meinem Kopf, ich schlage und trete, merke, dass meine Fingernägel etwas Weiches, Menschliches treffen, rapple mich auf und stolpere so schnell ich kann davon. Mit jedem Schritt werde ich wieder sicherer. Diese Gestalten stets hinter mir her. Ich renne so schnell ich nur kann.

"Eleyna du kannst mir nicht entkommen, bleib sofort stehen, du machst es nur schlimmer!"
Diese Stimme erkenne ich sofort: er ist es! Wie konnte er mich finden? Ich kann es nicht verstehen. Für einen kurzen Moment werde ich langsamer, als ich mich wieder sammele und weiter renne. Weiter vorne kann ich eine Straße erkennen, meine Rettung denke ich mir. Ich laufe so schnell mich meine Füße tragen zur Straße. Ich schreie um Hilfe und renne weiter
"Hilfe", schreie ich immer wieder und ein mittelaltes Pärchen kommt schnellen Schrittes auf mich zu.

"Was haben sie, können wir ihnen helfen" fragen sie und ich pruste drauf los

"Ich werde verfolgt bitte helfen sie mir die wollen mich entführen und ich werde..." als Mr. Norten zu dem Pärchen tritt und meine anderen Verfolger weiter hinten stehen bleiben.

"Hier bist du Eleyna, ich bin der Psychiater sie hat meinen Kittel gestohlen und ist aus der Klinik geflohen"
Erzählt er lügend weiter.

"Nein er lügt" schreie ich verzweifelt "er will mich entführen und bestrafen" sage ich weiter aus der Puste. Das Pärchen schaut sich unsicher an.

"Sie sind wirklich der Arzt?", versichern sie sich.

"Ja, sie ist geflohen und muss schnell wieder in die Klinik und ihre Verletzungen behandeln", lügt er sie weiter an.

"Nein er lügt glauben sie mir" doch sie schenken ihm ihre Aufmerksamkeit

"Bringen sie das Mädchen schnell zurück", spricht der Mann und seine Frau starrt mich noch einmal an und stimmt ihm nickend zu. Ich sinke weinend zu Boden, wieso glauben sie mir nicht? Die beiden Männer die eben noch hinten standen treten auf uns zu, sie haben wohl zugehört denn sie sprechen Mr. Norten mit Dr. Norten an

"Dr. Norten wir müssen sie jetzt weg bringen" sagen sie schnell. Das Pärchen schaut mich noch mal mitleidsvoll an und tretet dann zurück

"Danke, das sie sie aufgehalten haben wir müssen jetzt los" spricht Mr. Norten und ich kann meine Fassung kaum bewahren, weine bitterlich und kniend vor mich her. Das Pärchen geht weiter und dreht sich noch mehrere male um bis sie ganz um die Ecke verschwunden sind.

"Steh auf", fordert er ruhig doch ich weine weiter und haue meine Fäuste zu Boden

"Nein", sage ich wütend, traurig und trotzig.

"Eleyna bitte du musst dich ausruhen", sagt er weiter und tritt näher auf mich zu um mich wie ein kleines Kind in seine Arme zu heben

"Holt das Auto", knurrt er den Männern zu.

"Und fasst mein Eigentum nie wieder so an!" Die Männer laufen los und wenige Zeit später fährt ein schwarzer Geländewagen mit verdunkelten Fenster vor. Einer der Männer öffnet die Tür und bittet Mr. Norten herein. Wir steigen ein und er legt meinen Kopf auf seinen Schoß, ich habe keine Kraft mich zu wehren und gewähre es ihm.

"Lauf nie wieder davon", sagt er mit leicht trauriger aber ernster Stimme, ich schaue ihm noch einmal in die Augen. Irgendwas in mir ist froh, dass er mich gefunden hat. Dann schlafe ich müde ein.

Under the TreesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt