(Mein Geburtstag)

1.2K 89 8
                                    

Ich wache auf und mir ist schlecht. Es ist mein 18. Geburtstag und seit mehr als einer Woche sind meine Tage überfällig.

Am liebsten würde ich die Lider gleich wieder schließen nachdem ich sie geöffnet habe. Mich der Dämmerung hingeben und mich hinter ihr verstecken wie hinter einem dicken samtigen Vorhang. Mich einfach umdrehen, einrollen, die Hand zwischen die Knie klemmen und warten bis der Schlaf mein Bewusstsein zu sich zurücknimmt.

Aber ich muss wach sein und aufstehen. Ich muss gute Miene zum bösen Spiel machen. Ich muss mich schminken, die Haare machen und mich anziehen und dann zu meiner Mutter in die Küche gehen und freudestrahlend die Geschenke öffnen und die Flamme der Kerze auspusten, die auf einer kleinen Marzipantorte auf dem Küchentisch auf mich wartet. Meiner Mutter vorspielen, dass ich ein glückliches Mädchen sei, das sich wahnsinnig über seinen 18. Geburtstag freut. Wenigstens ihr das Gefühl geben, dass sie alles richtig gemacht hat, wenn ich schon selbst mit meiner Existenz überfordert bin.

Und dann?

Ruhe bewahren. Auf dem Weg zur Schule einen Schwangerschaftstest besorgen und mich in irgendeiner Toilette in irgendeinem Café auf dem Weg einschließen und den Test durchführen. Vielleicht bin ich ja nur krank. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Und wenn alle Stricke reißen, wenn sich herausstellt, dass dieser Alptraum kein Alptraum ist, sondern bittere Realität, bin ich immerhin volljährig. Genau zur richtigen Zeit. Ich kann meine Krankmeldungen selbst unterschreiben, kann Autofahren, mich vor Züge werfen oder eine Abtreibung durchführen lassen, wenn es denn nötig sein sollte.

12 WochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt