(Lippenbekenntnisse)

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Aber nach Antwerpen ist alles wieder wie zuvor. Alles läuft wieder in die falsche Richtung zwischen Ben und mir. Ich müsste dringend die Notbremse ziehen. Je länger wir diese Affäre haben, umso mehr merke ich, dass nur ich ihn liebe.

Es scheint ihm egal, wenn wir streiten. Es scheint ihm egal, ob wir uns wiedersehen, wenn wir uns am Abend trennen. Es scheint ihm egal, ob ich an ihn denke oder nicht. Er kann es verschmerzen, wenn ich es nicht tun würde, wenn ich mich von ihm abnabeln würde. Vielleicht wäre es ihm sogar lieber. Auf lange Sicht bestimmt.

Aber ich kann es nicht so leicht verschmerzen. Ich weiß, was für Qualen mir bevorstehen, wenn ich es versuche. Wenn ich es versuche, dann muss ich es durchziehen und dazu bin ich noch nicht bereit und vielleicht auch nicht in der Lage. Nicht nach Antwerpen.

Dabei weiß ich, dass es falsch ist, weiterzumachen. Es fühlt sich so an, als würde er ausprobieren, wie weit er bei mir gehen kann. Er peitscht mich neun Mal aus und beim zehnten Mal streichelt er mich, als sei damit alles wieder gut.

Wahrscheinlich probiert Ben mit mir all die Dinge aus, die er mit seiner Freundin nicht machen kann. Ich bin sein persönliches Beziehungs-Versuchskaninchen und ich kehre freiwillig immer wieder in diesen Käfig zurück und lasse mich malträtieren. Manchmal frage ich mich, was mit mir nicht stimmt. Vielleicht habe ich Stockholm.

An einem der Abende als ich bei ihm bin, sagt er mir, dass ihm meine ordinären Lippen gefallen.

Er sagt das einfach so. Ohne Not. Es ist nichts vorgefallen. Wir sind gerade dabei uns zu verabschieden und eigentlich war der Abend ganz normal, ein ganz normaler Affärenabend, wenn es so etwas gibt. Wir haben zusammen gegessen und sind dann in seinem Zimmer rumgelegen und haben geredet, Beach House gehört und etwas getrunken.

Er versteht überhaupt nicht, was das bei einem Mädchen auslöst, die einen liebt, wenn man so etwas von seinem Liebsten zu hören bekommt. Es ist schlimm genug, dass ich in der Schule Gerüchte über mich höre und mich frage, welche Gerüchte, von denen ich nichts weiß, noch so über mich kursieren. Überall Gespenster.

Ich frag mich, ob er überhaupt weiß, was Liebe ist. Wahrscheinlich hat er nur eine vage Vorstellung davon. Bestimmt hat er mal in einem Buch davon gelesen... Überhaupt zweifele ich an seiner Fähigkeit, sich vorzustellen, wie anderen Menschen fühlen. Er ist so selbstbetrunken, dass ihn das gar nicht zu interessieren braucht. Es reicht ja, wenn die anderen das tun. Wenn alles sich um einen selbst dreht.

Nach diesem Spruch bin ich wieder für mindestens einen Tag komplett blockiert. Ich versuch rauszukriegen, was mit meinen Lippen nicht stimmt, seh sie mir im Spiegel an und frag meine beste Freundin, ob sie meine Lippen seltsam findet.

12 WochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt