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Ich erwidere den Blick und lächel, auch wenn man das in der Dunkelheit wahrscheinlich nicht erkennen kann.

"Doch, nur gerade irgendwie...ich weiß nicht. Es fühlte sich an, als wäre ich mehr Zuschauer als dabei."

Lia nickt verständnisvoll und wir stehen schweigend nebeneinander. Der Wind ist kühl und hinterlässt Gänsehaut bei mir.

"Siehst du den Mond? Er ist so wunderschön."

Lia schaut nach oben und scheint ganz hingerissen zu sein. Sie hat allerdings recht, denn an diesem Tag scheint er besonders groß zu sein. Fast so, als wäre er nur wenige Meter von uns entfernt.

"Glaubst du, Zuhause ist noch alles normal?", frage ich sie. "Nein. Ich glaube nicht, dass dort noch viele bekannte Gesichter sind", antwortet sie leise.

"Hoffst du nicht, dass deine Freunde noch da sind?" Überraschung schwankt in meiner Stimme mit.

Ihre Stimme klingt fest, als sie sagt: "Natürlich hoffe ich es, aber glauben kann ich es nicht. Ich habe schon mit Yanik und Thiemo Glück gehabt."

Ich verstehe sie. Sie versucht, ihre mögliche Enttäuschung in Grenzen zu halten. Doch ich selbst kann das nicht. Meine Familie ist verschwunden. Vielleicht habe ich Zuhause wenigstens noch ein oder zwei Freunde, die überlebt haben. Oder meinen Großvater.

Wir stehen noch eine Weile in der Dunkelheit und beobachten den Mond und die Sterne, bevor wir jeder für sich verschwinden.

Ich treffe Thiemo auf meinem Weg zurück zum Sonnendeck. "Bist du müde?"

"Hmmm", mache ich und nicke. Gemeinsam begeben wir uns zur Kabine und legen uns schlafen.

~~~

Als ich am nächsten Morgen erwache, kann ich weder Thiemo noch Yanik und Lia finden. Ich beginne den Tag mit einem Frühstück und lege mich anschließend aufs Sonnendeck.

Lange warte ich auf irgendjemanden, doch einzig ein paar fremde Menschen kreuzen mein Sichtfeld.

Gelangweilt mache ich es mir mit einem Buch auf dem Balkon der Kabine bequem, doch auch das vertreibt nicht die Einsamkeit in mir.

Schließlich bleibe ich an meinem Notizbuch hängen und schlage es auf. Alte Verse und einzelne Reime schlagen mir entgegen und ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus.

Bei fast allen Wörtern erinnere ich mich, wann ich sie geschrieben habe und ich hänge den Erinnerungen nach. Ich streiche mit dem Finger über meine letzen Verse. Kurz vor meiner Abfahrt habe ich sie geschrieben in der Hoffnung, diesen Moment festzuhalten.

Energisch blättere ich um und streiche die neue Seite glatt. Weiß und unbeschrieben liegt sie vor mir und ich beginne, sie mit Wörtern zu füllen, die mir seit dem gestriegen Abend im Kopf hängen.

Ich versuche, den Moment der Ruhe festzuhalten, die Person neben mir einzubinden und meinen Erinnerungen freien Lauf zu lassen. Lange sitze ich in Gedanken versunken an dem kleinen Tisch, suche nach Reimen und passenden Wörtern.

Zwischenzeitlich begebe ich mich zum Bett, lege mich auf den Bauch und schreibe weiter, bevor ich mich nach einiger Zeit wieder nach draußen setze.

Als ich im Jahr 2974 erwachteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt