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„Du überraschst mich besonders heute immer wieder aufs Neue", staunt Lia. Erstaunlicherweise setzt sie meine Worte nicht einmal in Frage. Ich bin mir unsicher, ob ich das naiv finden soll oder nicht.

„Wie kommt man zu so einer Angst?", hakt sie neugierig nach. Fahrig streiche ich mir mit der Hand durchs Haar. Seit dem gestrigen Tag habe ich ihr so viele Dinge über mich erzählt, die ich lieber für mich behalten hätte. Den genauen Grund dafür konnte ich mir selbst nicht erklären.

Könnte ich nur reden mit dir, dich anschauen ohne viel zu denken", schießt es mir durch den Kopf und ich verbanne die Worte in die hintere Ecke. Das ist hier definitiv falsch am Platz.

„Mein Opa hatte einen Wellensittich und der hat mich öfters ‚liebevoll gezwickt', wie mein Großvater es immer ausgedrückt hat, allerdings tat das jedes Mal so weh, dass ich nur in seine Wohnung gekommen bin, wenn der Vogel im Käfig war. Damals hatte ich dann schon irgendwie Schiss vor Vögeln, hauptsächlich aber vor Wellensittichen. Tja, bis dann Mico Laine kam. Wir waren zusammen im Kindergarten und Karneval habe ich mich als Piratin verkleidet. Ich war sehr stolz auf mein Kostüm, bin ein wenig rumstolziert und hab Blödsinn gemacht. Jedes Jahr haben wir uns in der Turnhalle versammelt und Spiele gespielt. Als ich mit meinen Freundinnen in die Halle gekommen bin, hat Mico sich total gefreut mich zu sehen und wollte mich umarmen. Wir waren mehr oder weniger befreundet. Bei seinem Anblick bin ich allerdings schreiend aus der Halle gerannt und hab mich weinend auf der Mädchentoilette versteckt."

Lia prustet los und schüttelt sich vor Lachen. Ich kann es ihr nicht verübeln, denn obwohl ich mich mit Vögeln immer noch nicht anfreunden kann, finde ich die Entstehungsgeschichte meiner Vogelphobie doch recht amüsant.

„Und was hat das mit deiner Angst vor Vögeln zu tun?"

„Er hatte einen Onesie an, der einen Papagei darstellen sollte. Beim Laufen ist seine Kapuze vor sein Gesicht gerutscht und ich hab plötzlich einfach Panik bekommen, weil ich dachte, er würde mich piken oder so. Danach habe ich nie wieder ein Wort mit ihm geredet und bin ihm aus dem Weg gegangen."

Kichernd hält Lia sich die Hand vor den Mund. Dabei stolpert sie kurz und versucht schwankend ihr Gleichgewicht wieder zu finden. Grinsend stupse ich sie anschließend in die Seite.

„Wie ist das mit Tauben und Spatzen? Die fliegen doch überall rum!", denkt sie laut und mustert mich neugierig. Ich zucke daraufhin nur mit den Schultern.

„Ich mag sie nicht, aber ich hab mich zwangsläufig an sie gewöhnt. Wir müssen uns ja nicht nah sein."

„Und Enten?"

„Enten sind lecker", kommentiere ich und ein freches Grinsen bildet sich auf meinen Lippen. Empört stemmt Lia die Hände in die Seite und bleibt fast stehen.

„Wie kannst du Enten denn bitte NUR lecker finden? Die sind doch total süß! Und lecker. Aber vor allem süß!" Ich verdrehe die Augen und schüttle den Kopf. Hätte ich es ihr besser nicht erzählt. Allerdings fasziniert es mich, dass sie Enten scheinbar so süß findet und ihr fassungsloses Abbild neben mir ist so niedlich, dass ich sie kaum ernst nehmen kann.

„Jetzt sei nicht so. Du hast doch bestimmt auch vor irgendwas Angst und kannst nichts dazu", verteidige ich mich und stoße auf Schweigen.

„Kühe", murmelt sie schließlich und verschränkt die Arme vor der Brust. Stirnrunzelnd versuche ich herauszufinden, ob sie sich einen Scherz erlaubt und mich veräppeln will. Die Verlegenheit wirkt jedoch echt. Lia fixiert den Boden und versucht mit ihren Haaren die roten Wangen zu verdecken.

„Das musst du jetzt aber auch erklären", fordere ich sie auf. Wenn ich schon meine peinlichen Geheimnisse alle preisgegeben hatte, konnte sie genauso gut auch etwas über sich erzählen.

Als ich im Jahr 2974 erwachteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt