„Ja klar", antworte ich wie aus der Pistole geschossen und schaue mich um. Die Umgebung sieht genauso aus wie in meiner Erinnerung, doch ich stelle rasch fest, dass das nichts heißt. Auf dem Hinweg habe ich mich mehr auf Lia konzentriert und egal wohin ich auch schaue, es sieht alles gleich aus.
Beschämt lasse ich den Kopf hängen. „Sorry, keine Ahnung", murmle ich. „Oh fuck man", stöhnt Lia frustriert auf und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Ich zucke zusammen und spüre einen immer schneller größer werdenden Kloß im Hals.
„Wie hatte ich uns in diese Lage bringen können?", überlege ich betreten und merke, wie ich auch noch schamrot anlaufe. Dass ich weiterhin meine Umgebung in Augenschein nehme, ändert nichts an dem Gefühl, keine Ahnung zu haben, wo ich mich befinde. Lia legt den Arm um mich. „Hey komm schon, ist doch nicht deine Schuld", versucht sie mich zu trösten. Mich überrascht, dass sie in keinster Weise böse auf mich zu sein scheint.
Der Gedanke, sich verirrt zu haben, beunruhigt mich und lässt die Bäume um uns herum kälter wirken. Wind raschelt durch ihre Blätter und hinterlässt eine Gänsehaut auf meinen Armen, die gewiss nicht nur von der Kälte kommt. Ängstlich werfe ich Blicke in das Gestrüpp, doch die Schatten verlieren nichts von ihrer bedrohlichen Wirkung.
Auch Lia scheint sich nicht mehr so wohl zu fühlen. Der Druck ihres Armes, den sie immer noch um meine Schulter gelegt hat, wird fester und ihre Hand krallt sich in meine Schulter.
„Lass uns einfach mal weiter gehen und hoffen, dass wir im Dorf rauskommen", schlägt sie vor. Ihre Stimme zittert und ihr Kopf dreht sich nervös nach links und rechts. Langsam setzen wir unseren Weg fort, vorsichtiger als vorher. Alles scheint plötzlich eine potenzielle Gefahr darzustellen. Wir klammern uns aneinander. Das Flüstern der Bäume um uns herum lässt mich paranoid werden. „Folgt uns jemand? Habe ich etwas überhört?", frage ich mich immer wieder, doch erkennen kann ich in der Dunkelheit nichts.
„Schuhuu, schuhuu", kommt es plötzlich von oben und ich schreie erschrocken auf. Daraufhin fliegt die Eule von ihrem Platz auf dem Ast und macht sich davon. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und ohne nachzudenken renne ich los, Lia am Arm hinter mir her ziehend. Einfach weiter geradeheraus, immer weiter. Je mehr ich keuche, desto schneller versuche ich einen Schritt nach dem anderen zu machen.
„Claire! Claire! CLAIRE!", ruft Lia und versucht mich zum Anhalten zu bringen, doch die Angst lässt mich stärker werden, sodass ich sie weiter mitziehe. Sie stolpert, doch ich fange sie und laufe weiter. Ein Stechen in meiner Seite macht sich breit und schließlich taumle ich. Verzweifelt versuche ich das Gleichgewicht zu halten und stürze, Lia mitreißend, zu Boden. Durch den Schwung drehe ich mich mehrfach um die eigene Achse und werde schließlich durch einen Baum gestoppt. Mit voller Wucht pralle ich mit der Schulter voran gegen ihn und stoße einen unterdrückten Schmerzenslaut aus. Tränen schießen mir in die Augen und ich stöhne auf.
Währenddessen fliegt Lia an mir vorbei in einen niedrigen Busch hinein. Sie verschwindet zwischen seinen kleinen Ästen und schreit jäh auf. „LIA!", brülle ich, doch eine Antwort erhalte ich nicht. Ohne nachzudenken krieche ich ihr hinterher. Der Busch wächst augenscheinlich an einem Hang, stelle ich fest. Er verdeckt mit seinen Blättern eine abrupte Kante. Knappe drei Meter tiefer liegt Lia im Sand, schweratmend und die Augen geschlossen. Kurzerhand rutsche ich zu ihr herunter und hocke mich neben sie.
„Alles okay?", murmle ich besorgt und betrachte ihr bleiches Gesicht. Ein schwaches Nicken kommt zurück. „Was musst du auch so rasen?", keucht sie und öffnet ihre Augen. „Ich hab mich erschrocken. Tut mir leid!", entschuldige ich mich. Die Röte schießt mir in die Wangen. Ganz bestimmt würde ich ihr nicht den wahren Grund meiner überraschenden Flucht nennen.
DU LIEST GERADE
Als ich im Jahr 2974 erwachte
Science FictionEine unbekannte Schwärze verschluckte die Welt und beendete damit vorerst das Leben auf der Erde. Als Claire erwacht, fühlt sie sich zunächst allein, verlassen und wünscht sich nichts sehnlicher, als sofort zu sterben. Doch sie ist nicht die einzige...