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Ich lasse Lia zuerst duschen und ignoriere auf ihren Wunsch hin jegliches Klopfen an der Tür. „Hey..." Eine lange Pause entsteht. „Schwesterherz, mach die Tür auf!"

Überrascht, dass Thiemo seinen Wutausbruch scheinbar beendet hat, schnaube ich kurz auf. Er klingt so sanft, als hätte er nie etwas getan. Wütend wende ich mich wieder meinem Buch zu und versuche in die Geschichte einzutauchen. Wenig später bin ich bereits erfolgreich so sehr darin versunken, dass ich nicht einmal bemerke, dass Lia mit dem Duschen fertig ist. Erst als sie sich neben mich aufs Bett schmeißt, komme ich gedanklich wieder in der Gegenwart an.

„Worum geht's da?", erkundigt sie sich neugierig und versucht den Titel zu entziffern. Irritiert bleiben meine Augen kurz an ihr kleben, die, nur in ein Handtuch gewickelt, auf dem Bauch liegend mit den Beinen in der Luft wackelt. Da die Handtücher nicht die Größten sind, sieht es aus, als würde sie ein trägerfreies Cocktailkleid tragen. Ein sehr weißes und flauschiges.

„Um einen Jungen, der mit Wasser im Hirn im Indianerreservat geboren worden, total schlau und ein guter Basketballspieler ist. Er will auf ne weiße Schule gehen und das gibt im Endeffekt natürlich Stress."

„The Absolut True Diary of a Part-Time Indian. Liest du das auf Englisch? Cool. Hab mein letztes englisches Buch zwangsläufig in der Schule gelesen."

Ich lege das Buch auf die Seite, nachdem ich mein Lesezeichen zwischen die aktuellen Seiten gesteckt habe. Dann schlage ich Lia vor: „Wenn du willst, kannst du es ja mal lesen. Ich bin jetzt aber mal duschen."

Damit flüchte ich aus dem Zimmer ins Bad und schließe die Tür hinter mir. Das Bad ist erfrischend und währenddessen schaffe ich es, mich ein wenig zu sortieren. Wie durcheinander ich bin, habe ich bis zu dem Zeitpunkt gar nicht bemerkt. Nachdem ich fertig bin, beschließen Lia und ich einen Versuch zu wagen, in die Küche zu gelangen und uns Reste vom Frühstück zu stibitzen. Tatsächlich begegnen wir kaum jemanden und dann nur ein paar Leuten, die sich nicht für uns interessieren.

„Alessandro!", begrüßt Lia einen Mann in der Küche und sie begrüßen sich locker mit einem Handschlag.

„Na? Hab schon gehört, dass du wieder aufgetaucht bist. Zum Glück, wie soll ich nur ohne dich die Küche schmeißen? Hast du Verstärkung mitgebracht?", bombardiert er uns und ich lächle schüchtern. Kochen ist nicht gerade meine Stärke.

Die beiden witzeln ein wenig herum, während ich unschlüssig daneben stehe. Wieder einmal knurrt mein Magen, was Lia schließlich dazu veranlasst, uns beiden etwas zu essen zusammen zu suchen und mich an einen kleinen Tisch zu verfrachten.

Nach dem Essen schlendern wir gemeinsam über das Schiff. Unterwegs begegnen wir einigen Leuten, unter ihnen viele unserer Bekanntschaften, die wir in den letzten Wochen auf dem Schiff geschlossen haben. Sie erkundigen sich nach uns und unserer vorübergehenden Abwesenheit, die scheinbar schnell die Runde gemacht hat.

„Logisch", denke ich mir, „schließlich haben sie bestimmt nach uns gesucht."

Schließlich begegnen wir Lilliana, die mit geröteten Wangen auf uns zu rennt.

„Gott sei Dank, ihr seid wieder da. Ich hab's zwar gehört, wollte mich aber selbst davon überzeugen. Ihr macht vielleicht Sachen! Wisst ihr, wie aufgeregt alle waren? Thiemo ist ausgeflippt!"

„Das kann ich mir vorstellen", grunzt Lia, lächelt Lilliana dann aber freundlich an.

„In Wahrheit wollten wir einfach nur etwas Zeit für uns haben", flüstert sie verschwörerisch und zwinkert dem Mädchen zu. Dieses stutzt und schaut unsicher zwischen uns hin und her. Der anzügliche Ton lässt mich rot anlaufen und ich weiß nicht, was ich davon halten soll.

Als ich im Jahr 2974 erwachteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt