Kapitel 21

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-MAVEN-

Ich hörte aufgeregte Stimmen, spürte kalten Wind auf meiner warmen Haut.
Vor mir ragte ein großes Zelt in den Nachthimmel, an dessen Eingang zwei Wachen in Uniform standen.
Man schob mich ins Innere des stickigen Zeltes, ohne die braunhaarige Fremde eines Blickes zu würdigen.

Eine Wand warmer Luft stieg mir entgegen, es roch nach Rauch und Wein.
Ein großer Mann mit schmutziger, roter Uniform saß auf einem dunklen Stuhl mit hoher Lehne und lächelte mich verstohlen an.

Es war eine große Tafel aufgestellt worden, an dessen Stirn er saß.
Das Holz des Tisches war dunkel und der Flammenschein schimmerte geheimnisvoll darauf.
Es waren etwa zehn weitere Männer anwesend, die gespannt zum Zelteingang blickten.

Castors braune Haare hingen ihm in die Stirn und er trank langsam aus seinem randvollen Becher.
»Das Mädchen ist da«, raunte er dem unscheinbaren Mann neben sich zu, der ihn wachsam ansah und nickte.

»Setz dich«, befahl mir meine Wache und wies auf den leeren Stuhl zu Castors Rechten.
Aus einer Ecke des Zeltes hörte ich laute Musik, sah einige Männer im Takt mit den Fingern auf ihre Lehnen trommeln.

Castor gab dieses Fest zur Feier seiner Machtübernahme und von dem, was ich gehört hatte, endeten solche Art von Festen bei Menschen wie Castor nie vor Sonnenaufgang oder mit weniger als einem Skandal.

Man schob mir einen Weinbecher hin, doch ich rührte ihn nicht an.
Die Wachen verließen das Zelt. Als der Eingang zu schwang, wurde die Musik ein wenig lauter.
Auf dem Boden neben Castors Füßes standen mehrere leere Tonkrüge, bemerkte ich.
»Trink doch etwas«, sagte der fremde Mann zu meiner Rechten und wies auf meinen Becher.
»Heute bezahlst du für nichts.«

Wiederwillig hob ich den Becher an meine Lippen, während sich mein Sitznachbar wieder in ein Gespräch vertiefte.
Ich wusste, was er mir entgegenbrachte, war lediglich gespielte Höflichkeit, denn alle Männer in diesem Raum waren mindestens Offiziere, wenn nicht sogar Könige.

Mein Blick fiel auf Castor, dessen Augen wachsam durch den Raum schweiften.
Seine Finger strichen sanft über seinen Becher, während er lächelte.
Er fiel sich zu gefallen, dieser Mann.

Ich konnte nur erahnen, wie es war sich selbst König zu nennen.

In einer Ecke des Zeltes, dort, wo die vielen Fackeln den Raum nur schwach beleuchteten, entdeckte ich einige Frauen mit Weinkrügen und Tänzerinnen, die sich zum Takt der Musik bewegten.

Das Zelt war geschmückt mit rotem Samt, blutrote Diamanten glänzten in goldenen Halterungen. 
Alle Gäste trugen rote und braune Kleidung und goldenen Schmuck, der im den Fackelschein leuchtete.

Castor, der bisher kein Wort mit mir gewechselt hatte, sah mich nun an.

»Du bist schön«, erklärte er und sah mich lange an.
»Wie heißt du?«

»Maven«, antwortete ich und wagte nicht, den Blick zu heben.

»Nun, Maven, warum bist du heute hier?«, fragte Castor und sah mich unverwandt an. Ich bemerkte, wie er sich langsam zu mir lehnte.

Nun sah ich auf. Seine Augen überzog ein glasiger Film. Er war betrunken.
Ich wusste nur zu gut, wie Kontrollverlust aussah.
Doch dies war Castor und ich hatte gelernt, diesem Mann nicht zu trauen.

Tochter der SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt