Prolog

412 57 15
                                    

Ich schmeckte Salzwasser auf meiner Zunge.
Langsam öffnete ich die Augen, erblickte trübes, graues Wasser, spürte ein Kribbeln auf meiner Haut. Die See war kalt und fahles Mondlicht brach sich in den Wellen in meiner Nähe.
Wie in Trance sah ich meine Haare in mein Blickfeld schweben, schwache Strömungen umspielten meinen Körper.
Mein Herz schlug ruhig, jedoch verspürte ich keinen Drang zu atmen.
Ich sah nach oben und das Wasser über mir verzerrte meine Umgebung in gleichmäßigen Zügen.
Undeutlich erkannte ich den schwarzen Nachthimmel, die hellen Sterne in dieser stürmischen Nacht.

Mein Kopf war leer, meine Gedanken vernebelt. Die Schönheit des Meeres raubte mir den Atem. Ich bewegte meine steifen Finger, genoss den leichten Druck des Wassers auf meiner Haut.
Langsam erwachte mein Körper zum Leben und ich bemerkte, dass ich langsam dem Grund entgegensank. Wie Fangarme streiften die langen Blätter einiger Pflanzen meine Beine und ich sah kleine Luftblasen aus der Umgebung aufsteigen.
Das Mondlicht brach sich an der Wasseroberfläche, doch es erreichte diese Tiefen nicht.
Dunkles Wasser umgab mich, meine Augen starrten blind in die sich verdunkelnde Landschaft auf dem Grund des Meeres. Graue, harte Felsen schoben sich in mein Blickfeld und ich sah feine Schatten umherhuschen.

Mit einem Ruck drückte ich mich hoch und durchbrach nach einigen Schlägen mit dem Kopf die Wasseroberfläche. Kalte Seeluft strömte in meine Lungen, ließ sie schmerzhaft pochen.
Leichter Wind ließ mich frieren, überzog mich mit einer Gänsehaut. Über mir den unendlichen, schwarzen Himmel, unter mir die unvorstellbaren Weiten des Meeres spürend, begann ich zu lächeln. Die Naturgewalten schienen mich wiederzubeleben, meine Sinne zu schärfen.

In der Ferne erblickte ich einen schmalen Streifen Land, eine kahle, sandige Landschaft, einsam am Horizont. Mit steifen Zügen schwamm ich in Richtung des Landstreifens, die Augen fast geschlossen.
Ich bewegte meine Arme und Hände, spürte meinen Puls schneller werden und meine Atmung sich beschleunigen. Ich fühlte mich so frei wie noch nie zuvor in meinem Leben, hatte noch nie etwas derartiges erlebt.
Ich spürte meine Kleidung mich nach unten ziehen, und schäumende Wellen durchnässten mich erneut.

Mit einer kurzen Bewegung streifte ich beide Stiefel ab, sah sie langsam in der Tiefe versinken. Noch immer lag mir der Geschmack von Salz auf der Zunge und ich spürte ein leichtes Brennen in den Augen.
Die Insel rückte immer weiter in mein Blickfeld, ich erkannte karge Wälder hinter einem langen Strand.
Über alldem schwebte, majestätisch und still, eine steinerne Burg, die sich über das ganze Land auszubreiten schien.
Meine Arme wurden schwer, meine Beine taub vor Kälte, doch mein Wille war eisern. Die Wolle der fingerlosen Handschuhe, die ich trug, saugte sich voll mit schweren Meerwasser und ließ mich erschaudern.

Erst jetzt spürte ich einen ledernen Gurt um meine Hüfte, eng geschnallt und ebenfalls an meinem Mantel befestigt. Ein rostiges Schwert, leicht und kurz, schlug beim Schwimmen immer wieder gegen meine Beine.
Ich trug eine weite Hose, deren Stoff sich bei jeder Bewegung träge um meine Beine wickelte.
Es fiel mir schwer, den Drang, wieder unterzutauchen, zu unterdrücken, doch der dunkle Himmel zog mich in seinen Bann.

Ein weiterer Schatten schob sich in mein Blickfeld, zog meine Aufmerksamkeit erneut auf den Horizont. Es war ein langes, stattliches Ruderboot, dass schnell durch die wilden Wellen glitt.
Der Wind wölbte die weißen Segel und die Schönheit dieses Anblickes ließ mich staunen.
Am Bug standen mehrere kleine Gestalten, doch ich konnte nichts genaueres erkennen.
Das Schiff hielt ebenfalls Kurs auf die im Halbdunkel liegende Insel und ich sah die Wellen sich am morschen Holz des Buges brechen.

Ich beschleunigte meine Züge, doch bemerkte ich mit zunehmender Entfernung, die ich zurücklegte, dass auch meine Erschöpfung zunahm. Meine Kehle schmerzte von der kalten Luft, meine Finger zitterten mittlerweile. Wie lange war ich schon hier Draußen?
Mittlerweile füllte die Insel mein gesamtes Blickfeld aus, sie schien nur noch einen Steinwurf entfernt.
Am Strand entdeckte ich einige Lichtpunkte, sah dünne Rauchschwaden wie hundert Finger nach dem Himmel greifen.

Ein letztes Mal beschleunigte ich mein Tempo, bis meine fast tauben Füße endlich matschigen Boden berührten. Ich wusste, meine Beine würden mein Gewicht nicht mehr lange tragen können, deswegen ließ ich mich die letzten Meter an den Strand treiben, während das Rauschen der Wellen in meinen Ohren dröhnte.
Mit letzter Kraft zog ich mich an den Strand, fühlte den nassen Sand an meiner Wange, als ich den Kopf vorsichtig auf Sand legte.
Ich atme ein, atmete aus, und doch wurde es nicht besser.

Meine Lunge brannte, meine Hände zitterten vor Kälte und Erschöpfung. Meine Atmung ging stoßweise und ich schloss langsam die Augen.
Dunkelheit umhüllte mich, und doch hörte ich deutlich das dumpfe Geräusch der Schritte im Sand, die langsam näher kamen.

Tochter der SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt