Kapitel 23

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-MAVEN-

Der Wein ließ meine Sinne verschwimmen. Ich hatte mehr getrunken, als gut für mich war; hauptsächlich, um mich zu beschäftigen und die Angst vor Castor zu ersticken.
Es war Fluch und Segen, hatte ich gelernt, wenn man für ihn von Wert war:

Grundsätzlich warst du vor einer Hinrichtung sicher, zumindest ein schneller Tod blieb dir erspart.
Jedoch bedeutete dies, du würdest dein Leben in Castors' grausame, starke Hände legen.
Und wenn du ihn erzürntest, erwarteten dich Qualen von ungeheurem Ausmaß. Jeder in Rhytkar hatte die Geschichten gehört - Erzählungen von dunklen Kellern, Schmerzen und tagelanger Folter.

Castor lenkte dabei all seine Grausamkeit auf das schwache Geschlecht, es waren oft Frauen, denen er dies antat.
Männer, die in Ungnade gefallen waren, wurden schnell exekutiert oder - in besonders schweren Fällen - wurden ihnen vorher die Hände abgeschnitten.
Castor war ein Mann von Ehre, würden manche sagen, er ließ nie die anderen die Drecksarbeit machen. Es war Taktik, ganz klar - niemand sollte vor ihm sicher sein, jeder wurde seiner gerechten Strafe zugeführt, und das vom neuen König höchstpersönlich.

Ich hörte die Männer im Lager reden, dass manche unter ihnen Geld von Castor entgegennahmen und für ihn Gerüchte in die Welt setzten, Briefe fälschten und Leute bestachen, um ihren Führer als unbesiegbaren Machthaber darzustellen.

Seit unserer letzten Begegnungen waren mehrere Wochen vergangen, Castor war mittlerweile mit seiner Leibgarde in den Koloss eingezogen, so nannten wir die große Burg im Stadtzentrum.
Schon der Anblick der nackten Steinmauern, rau und den Jahrhunderten trotzend, weckte ein merkwürdiges Gefühl in mir.
Zwei blonde Wachen führten mich durch die doppelflügelige Tür ins Innere des dunklen, nur von Fackeln erleuchteten Speisesaals.
An den Wänden hingen Castors' Banner, eine schwarze Schlange auf rotem Grund.

Man eskortierte mich durch den Raum, vorbei an dem polierten Eichentisch, der sich über viele Meter zog.
Die hohen, verglasten Fenster zeigten einen blauen Himmel, doch die Burg jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Auch vor Castors'Herrschaft hatte ich diese Hallen nie betreten, doch kamen mir die Flure jetzt verlassen, die Zimmer kalt und die Menschen herzlos vor.
Vor jedem der zahllosen Zimmer standen zwei Wachen, ähnlich der, die mich begleiteten; Ihre weißblonden Schöpfe hingen ihnen ins Gesicht und sie hielten ihre blauen Augen gesenkt.

Wir erreichten eine lange Wendeltreppe, die ins nichts zu führen schien, und als wir nach Oben stiegen, fühlte ich meine Knie zittern.
Eine einzelne Tür prangte an deren Ende, frisch rot angestrichen.

Zu meiner Linken prangte ein vergittertes Fenster, durch das ich den Strand und das unruhige Meer sah.

Wortlos drehten sich meine Wachen um und steigen die Treppe hinter mir hinab. Mir war klar:

Er wollte mich für sich allein haben.

Ohne anzuklopfen trat ich ein, denn ich wusste, Castor legte darauf keinen Wort.
Der Raum, ein Turmzimmer, war klein, dunkel und eng.
Die hölzernen Möbel, mit rotem Samt bezogen, drängten sich in alle Ecken des Raumes.
Ein großes Himmelbett stand in der Mitte des Raumes, daneben ein Schreibtisch mit zahllosen Dokumenten, Wachs und Siegeln.

Mein König stand am Fenster an der Nordseite und beobachtete schweigend den Strand.
Die Dämmerung setzte ein, die Sonne stand schon sehr tief über dem Meer.

»Hier bin ich, mein König«, sagte ich laut, um ihn aus seiner Trance zu wecken.
»Ihre Majestät rief nach mir.«

Castor, in seiner abgetragenen Uniform, drehte sich zu mir um. Ich konnte lediglich seine Silhouette erkennen, doch erkannte ich auf den ersten Blick einen Becher Wein in seiner Hand und einen gefährlich scharfen Dolch an seinem Gürtel.
»Maven«, sagte er und trat weg vom Fenster in den Raum, sodass ich sein Gesicht sehen konnte, »Wie schön dich zu sehen.«

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 26, 2017 ⏰

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