19. Freunde, Beleidigungen und Überraschungen

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Die ganze Woche über war ich schrecklich wortkarg und isolierte mich von den anderen. Erst am Wochenende riss Raelyn mich erfolgreich aus meinem Selbstmitleid, indem sie mir einen Becher Limonade ins Gesicht kippte. Ich erzählte ihr mit stockender Stimme alles.
"Aber du hast doch jetzt mich. Mich, meine Familie und das Trio. Wir sind immer für dich da", sagte sie ernst und stellte sich vor mich, damit ich ihr in die Augen sehen musste. "Wenn du willst, kannst du die Ferien auch bei uns verbringen und musst nicht ins Heim zurück."
Der Gedanke stimmte mich etwas glücklicher.
"Aber ihr seid eine große Familie und ich gehöre nicht wirklich dazu", widersprach ich.
Rae sah mich lange an, dann umarmte sie mich kurzerhand. Erst war ich verwirrt, dann erwiderte ich die Umarmung und schloss die Augen.
"Ich hab dich lieb, Raelyn", murmelte ich.
"Ich dich auch", sagte sie ernst.
Schweigend blickten wir uns in die Augen. Da ertönten Schritte und das Trio bog um die Ecke. Ich drehte mich um und grüßte sie, doch dann runzelte ich die Stirn. Ron sah aus, als wäre er krank und Hermine schien unzufrieden mit irgendetwas.
"Ist alles in Ordnung?", fragte ich.
"Malfoy hat Hermine Schlammblut genannt, Ron hat einen Fluch...", begann Harry, doch Rae unterbrach ihn entsetzt.
"Er hat sie was gennant?"
Auch ich erstarrte. Ich war lange genug auf Hogwarts, um zu wissen, was das bedeutete. Wut kochte in mir hoch und ein starker Beschützerinstinkt, den ich zuletzt im Heim bei meiner einzigen Freundin gehabt hatte.
"Der kann was erleben!", fauchte ich, drehte mich um und stürmte los in Richtung Kerker.
"Leila! Lass das!", brüllte Hermine mir nach, doch ich achtete nicht auf sie.
Auf halbem Weg zum Kerker traf ich auf den Slytherin, der in Begleitung von Molton war. Beide sahen auf, als ich wutschnaubend auf sie zustapfte.
"Du!", fauchte ich und stieß Malfoy meinen Finger in die Brust. "Wie kannst du es wagen, meine Freundin so zu nennen? Du hirnrissiger Grasfrosch!"
"Und was bist du? Begossener Pudel?", höhnte Molton und wies auf meine Haare.
Mir fiel erst da auf, dass ich noch die Limonade von Raelyn in den Haaren hatte. Teils beschämt, teils zornig trat ich einen Schritt auf ihn zu und sagte so verächtlich, wie noch nie: "Scher dich zum Teufel, Molton!"
Seine Augen blitzten und er packte mich am Arm.
Zeit zu verschwinden, dachte ich und trat ihm kraftvoll auf den Fuß.
Fluchend ließ er mich los und ich rannte los.
Schwer atmend japste ich der fetten Dame das Passwort zu und würdigte den starrenden Schülern keinen Blick, stattdessen begab ich mich sofort unter die Dusche.
Ich schämte mich für das, was ich getan hatte, aber ich bereute es nicht. Vielmehr fragte ich mich, warum ich so heftig reagiert hatte. Meine Vergangenheit hatte aus Zurückweisung und Abneigung bestanden, dort hatten meine Freundin und ich uns gegenseitig beschützen müssen, denn sonst hätten wir niemanden gehabt. Aber ich hätte niemals erwartet, dass sich diese Lebensweise so tief in mir festgesetzt hatte, dass sie Teil meines Charakters geworden war. Ich wusste nicht, ob es mir gefallen sollte.
Ich kann nicht jedes Mal jemanden zur Schnecke machen, nur weil ich das Gefühl habe, jemand anderen schützen zu müssen. Damit bringe ich mich nur selbst in Schwierigkeiten...
Es war schon spät, als ich aus der Dusche kam. Die anderen schliefen bereits. Müde schlurfte ich zu meinem Bett, als ich ein seltsames Geräusch hörte. Verwirrt blieb ich stehen. Dann drehte ich mich um und richtete den Blick auf meinen Koffer.
Ein merkwürdiges Knirschen ertönte. Beunruhigt hockte ich mich hin und wühlte mich durch meine Sachen, bis ich auf die Schachtel stieß. Unsicher öffnete ich sie.
Der Stein hatte Risse bekommen und bewegte sich hin und her. Ein beharrliches Kratzen war aus seinem Inneren zu vernehmen. Mir drehte sich der Magen um.
Was ist das?
Mit einem kurzen Blick zu den anderen schnappte ich den Stein und trug ihn hastig ins Bad, wo ich die Tür abschloss, den Stein ablegte und dann auf Abstand ging.
Das blaue Ding wackelte hin und her und ich fragte mich, ob ich Hilfe rufen sollte.
Da explodierte das Teil förmlich und etwas Schleimiges traf mich im Gesicht. Erschrocken sprang ich zurück, dann weiteten sich meine Augen.
Inmitten von schmalen, blauen Bruchstücken saß ein Drache. Ein leibhaftiger Drache. Er war blau mit hellerem Hals und Bauch, wo er fast schneeweiß war. Die Augen schimmerten ebenfalls blau. Der Kopf lief spitz zu und dünne Stumpen, die vermutlich einmal Hörner werden würden, erhoben sich aus seinem Hinterkopf.
Etwas an dem Wesen, das sich schüttelte und neugierig umsah, schlug mich in seinen Bann. Vorsichtig und behutsam trat ich vor und bückte mich. Der Drache war ungefähr so groß wie eine Katze.
Sein Kopf schnellte herum und fixierte mich, als ich langsam die Hand ausstreckte. Sofort hielt ich inne, doch da stupste er mit der Nase meine Hand an.
Ein eisiges Feuer jagte von der Stelle aus durch meinen ganzen Körper und ich keuchte und sackte zusammen. Ein bohrender Schmerz setzte meinen Kopf in Brand und verschwand nur langsam.
Und dann fühlte ich etwas, eine tiefe Neugier und Hunger. Panisch fuhr ich herum und starrte den Drachen an. Ich sah mich selbst in den blauen Augen und spürte leichte Verwirrung, als ich ein Stück zurückwich. Verwirrung, die nicht die meine war.
Der Drache? Ich... ich kann ihn spüren! Was ist das? Was passiert mit mir?
Ich hielt inne und überlegte hin und her. Dann beschloss ich, dass ich das Geschöpf schnell hier wegbringen musste.
Kurzentschlossen schnappte ich ihn, oder besser sie, wie ich jetzt wahrnahm, und hielt sie wie eine Katze in meinen Armen. Dann schloss ich die Tür auf und hastete durch den Raum in Richtung Gemeinschaftsraum.

"Floh! Floh, ich brauche dich!", zischte ich und lugte in die Nische, in der der Gargoyle für gewöhnlich schlief.
Mein steiniger Freund schob sich aus seinem Schlafplatz und gähnte, dann erblickte er den blauen Drachen. Mit einem erschrockenen Fauchen wich er zurück und musterte misstrauisch das kleine Wesen.
"Sie ist gerade geschlüpft und ich weiß nicht, wohin. Ich... ich kann fühlen, was sie fühlt, Floh! Ich kann jetzt nicht die Lehrer fragen. Was ist, wenn das etwas Schlimmes ist? Bitte, du musst sie verstecken!", flehte ich, obwohl ich selber überhaupt nichts verstand.
Floh zögerte und sah mir in die Augen. Dann kniff er sie plötzlich zusammen und richtete sich auf, um zwischen dem Drachen und mir hin und her zu sehen.
"Eure Auren weisen Spuren voneinander auf", stellte er verwundert fest.
Fragend sah ich ihn an.
"Das bedeutet, dass eure Seelen miteinander verknüpft sind", erklärte er, dann seufzte er. "Also gut, ich werde auf... sie aufpassen. Aber nur bis morgen früh!"

Endlich ist der Drache geschlüpft! Ob irgendjemand herausfinden wird, dass Leila einen Drachen hat? Ob sie ihn erfolgreich verstecken kann? Das erfahrt ihr im nächsten Kapitel!

Drachenfeuer ~Harry Potter FF~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt