Ich schloss meine Augen. Liess die Bilder vor meinem inneren Auge tanzen. Liess sie Tränen in meine Augen steigen. Ich wollte es erleben. Auch wenn nicht in echt, dann wenigstens in Gedanken. Dann wenigstens in meinem Kopf. Aber ich werde Micha heiraten.
Ich hätte ihn geheiratet...Es wäre irgenwo draussen gewesen. Schöne Bäume hätten das Areal eingegrenzt, es abgelegen gemacht. Idyllisch.
Sie hätten geblüht, das wollten wir so, hätten den Neuanfang symbolisiert.Alle wären da gewesen. Familie, Freunde, Verwandte. Alle wären gekommen, um unsere Liebe zu zelebrieren. Um dieses Ereignis mit uns zu teilen.
Sie hätten es mit uns geteilt...Musik wäre ertönt. Sanfte Musik. Der Situation entsprechend. Wir wollten nicht den Hochzeitsmarsch. Es hätte nicht gepasst.
Ich hätte nach seiner Hand gegriffen. Er hätte meine ganz fest gehalten. Hätte versucht mein Zittern zu unterdrücken.
Er hätte mir, ganz leise nur, gesagt dass er mich liebe. Ich hätte zu lächeln begonnen. Hätte seine Worte wieder und wieder in meinem Kopf abgespielt.Dann wären wir losgelaufen. Wir hatten abgemacht, zusammen nach vorne zu laufen. Den Weg gemeinsam zu meistern. Hand in Hand. Einander stützend. Einander weisend.
Ich hätte die ganzen Blicke auf uns gespürt. Hätte fester nach Michas Hand gegriffen. Hätte versucht meine Tränen zurückzuhalten und der Versuchung zu Micha zu schauen, zu widerstehen.
Und dann wären wir endlich beim Altar angekommen.
Alle hätten uns angesehen, aber ich hätte mich nur auf Micha konzentriert. Nur ihn. Hätte dem Pfarrer kaum zuggehört, hätte mich nur darauf konzentriert, wie wunderschön Micha in dem Anzug doch ausgesehen hätte...Dann das Eheversprechen. Ich hätte ein totales Blackout. Hätte irgendwas vor mich hin gestottert... hätte Micha dabei tief in die Augen geschaut. Dann wäre er an der Reihe gewesen. Er hätte kein bisschen gezögert. Hätte alles fehlerfrei und ohne Gestotter aufgesagt. Ich hätte die ganze Zeit gelächelt. Hätte mich auf seine Worte konzentriert und jedes geglaubt.
Der Pfarrer hätte uns gefragt, ob ich Micha heiraten wollte und ich hätte ja gesagt. Dann hätte er Micha gefragt. Und ich hätte auf ein ja gehofft. Ich hätte es nicht glauben können, dass er ja gesagt hätte.
Und dann hätte ich breit gegrinst, weil ich ihn endlich hätte küssen dürfen. Hätte ihn zu mir gezogen und meine Lippen auf seinen gespürt... wir hätten uns wieder gelöst, meine Hände wären in seinen gelegen, weil meine gezittert hätten.
Die Trauzeugen hätten uns die Ringe gebracht. Micha hätte meinen genommen, mit zittrigen Händen. Meine Hand wäre noch in seiner gelegen, gespannt darauf, dass er mir den Ring angezogen hätte. Ich hätte auf meine Hand geschaut, wo nun ein glänzender Ring war. Dann zu Micha. Ich hätte Michas Ring genommen. Hätte seine Hand in meine genommen und ihm den Ring über den Finger gezogen. Ich hätte auf den Ring geschaut. Hätte dann Micha angeschaut und, wie er es ebenfalls tat, ihn breit angegrinst.
Ich hätte ein paar Schluchzer gehört, hätte selber fast geweint beim Gedanken daran, wie viele sich für uns freuen.
Ich hätte in Michas Augen gesehen, wie glücklich er war. Ich hätte den Wunsch, mich jetzt für immer zu küssen, gespürt und mit ihm geteilt. Wir hätten uns nochmals geküsst. Diesmal wäre er bestimmter gewesen. Mit dem Gedanken, dass er nicht mehr nur mein Freund gewesen wäre, oder mein Verlobter, sondern dass er nun mein Mann gewesen wäre.
Ich hätte in den Gesichtern unserer Gäste die Freude und das Glück gesehen. Wir wären Hand in Hand den Weg zurückgelaufen. Den Weg, den wir genau so vor dem Eheversprechen auch gegangen wären. Hand in Hand. Aber diesmal verheiratet.Ich öffnete meine Augen wieder. Sah die Aussenwelt nur verschwommen durch meine Tränen hindurch. Aber ich wischte sie nicht weg. Ich wusste auch ohne es zu sehen, was vor mir stand.
Gold in Schwarz.
Ich senkte meinen Blick auf meine Hand und drehte den Verlobungsring nachdenklich um meinen Finger.
Hätten.
So ein schlimmes Wort...Es hätte nicht so kommen müssen.
Diese Buchstaben hätten nicht dort stehen müssen.
Aber es war so gekommen.
Und sie standen dort, auf dem schwarzen GrabsteinGold in Schwarz.
Für immer.Michael Rankl
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YouTuber - OneShots.
FanfictionEine kleine OneShot-Sammlung. Ich schreibe hier irgendwelche OneShots, die mir gerade so im Kopf rum schwirren. Ich schreibe unglaublich gerne und gebe auch mein bestes, aber bitte erwartet hier keine Autor-gleichen Geschichten. Es ist lediglich...