Kapitel 10

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Mittlerweile hatten Noah und ich schon ein gutes Stück der Liste geschafft, doch trotzdem hatten wir noch keinen Hinweis auf den Verbleib der Kette. Dafür hatte ich einen ungewollten Eindruck in die Drogenszene unserer Stadt bekommen.

Die meisten der Leute, die Drogen kauften und die wir schon befragt hatten waren ja ganz normal. Nur gab es auch einige, auf dessen Bekanntschaft hätte ich gut und gerne verzichten können.
Es sollte Leuten verboten werden ungewaschen und nur in Unterwäsche die Haustür aufzumachen. Bei dem Gedanken daran schüttelte ich mich vor Ekel. Noah hatte nur gelacht als ich ihm das gesagt hatte und meinte ich wäre einfach zu verwöhnt. Jetzt ging er stillschweigend neben mir her und schien über irgendetwas zu grübeln.

„Über was denkst du nach?", fragte ich ihn interessiert. Er bedachte mich mit einem schiefem Blick. „Als ob es dich tatsächlich interessiert.", meinte er. „Wieso sollte es das nicht?", grinste ich ihn an, doch seine Miene blieb emotionslos. „Ach vergiss es.", schnaubt er.
Okay, jetzt benahm er sich sehr komisch. „Wieso sollte es mich nicht interessieren?", fragte ich ihn wieder, nur diesmal ernster. Er lachte freudlos auf. „Weil Menschen wie du an den Problemen anderer Menschen nicht interessiert sind." Ich schaute ihn fragend an.
„Menschen wie ich?", hackte ich nach.
„Reich und wohlhabend. Ihr kümmert euch ein Dreck um Normalsterbliche." Seine Stimme klang abwertend, was mich unglaublich wütend machte.
„Ach ja?", fragte ich spitz. „Ja!", sagte er und blieb direkt vor mir stehen. Da er so groß war musste ich meinen Kopf in den Nacken legen, um ihn weiterhin anschauen zu können.

Wütend funkelte ich ihn an. „Du hast doch absolut keine Ahnung!", schrie ich ihn an. „Nicht alle Menschen sind so! Stell dir vor, auch wenn ich mehr Geld besitze als du, kann ich mich immer noch um andere sorgen." Ich funkelte ihn mit einem bösen Blick an. Noah starrte mindestens genauso böse zurück.
„Tja, seh ich anders.", presste er zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Dann drehte er sich ruckartig um und ging.

Ich schnaubte wütend. Was bildete sich dieser Vollhorst nur ein! Ich erwägte kurz einfach umzudrehen und zu gehen, doch dann viel mir ein, dass ich mich hier weder auskannte, noch die Leute kannte um meine Kette zu finden.

Ich wollte nicht, doch ich musste wohl oder übel Noah hinterher. Der hatte sich an eine Straßenecke gestellt und sich schon wieder eine Zigarette angesteckt. Die vierte oder fünfte innerhalb weniger Stunden. Ich ging auf ihn zu, nahm ihm das Ding aus dem Mund und trat sie auf dem Boden aus.

„Der Rauch vernebelt dir schon das Hirn!", sagte ich als er mich wütend anschaute. „Können wir jetzt weiter? Ich will das möglichst schnell hinter mir haben." Ungeduldig wippte ich mit meinem Fuß.
Noah blies langsam den Rauch aus seinen Lungen. „Schön", knurrte er und ging los.

Mit seinen langen Beinen machte er so große Schritte, dass ich kaum hinterher kam. Verzweifelt versuchte ich irgendwie Schritt zu halten, doch nach wenigen hundert Metern gab ich auf. Ich war aus der Puste und meine Beine taten weh. Bestimmt würde ich morgen den Muskelkater meines Lebens haben.

Schnaufend hielt ich an und musste mich an der Wand abstützen. Noah hielt desinteressiert an und drehte sich um. „Wa wist denn jetzt schon wieder?", fragte er genervt.
Ich bekam immer noch nicht richtig Luft, weswegen ich ihm einfach gar nicht antwortete. Er stellte sich mit verschränkten Armen neben mich.
„Ich dachte du wolltest das möglichst schnell hinter dich bringen.", fragte er. Wütend funkelte ich ihn an. „Ja, aber keinen Marathon laufen!", schleuderte ich ihm entgegen.
Ich keuchte immer zu dolle, als das er meine schnippische Bemerkung ernst nahm. Er zuckte nur mit den Schulter und murmelte nur etwas, was verdächtig nach ‚verwöhnter Prinzessin' klang. Da ich nicht noch einmal mit ihm streiten wollte, richtete ich mich wieder auf und lief wieder los. Auch Noah setzte sich wieder in Bewegung, achtete aber diesmal darauf, dass ich hinterher kam.

Nach stundenlangem herumlaufen und Leute befragen, die eh nichts wussten, hatte ich, salopp gesagt, die Schnauze voll. Keiner der Kunden auf der Liste konnte uns weiterhelfen. Die meisten Taten sogar so, als hätten sie noch nie in ihrem Leben von Drogen gehört, obwohl ihnen nur zu deutlich anzusehen war, dass sie welche nahmen.

Meine Laune über diese Niederlage hielt sich in Grenzen und Noahs auch. Denn umso weniger wir herausfanden, desto ungeduldiger wurde ich und das ging Noah dezent auf die Nerven.

Als wir die unsere Liste komplett abgeklappert hatten und nichts heraus gefunden hatten, konnte ich nicht mehr. Völlig verzweifelt ließ ich mich auf einer Bank nieder und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich stand kurz vor einer Panikattacke oder einem Heulkrampf oder einem Nervenzusammenbruch. Meine Chancen die Kette jetzt noch zu finden gingen gegen Null.

„Wenn du jetzt anfängst zu heulen, dann geh ich!" Noah stand mit verschränkten Armen neben der Bank und schaute auf mich hinab.
Ich funkelte ihn wütend von der Seite an. „Bloß nicht zu mitfühlend sein, was?", giftete ich zurück. „Mitfühlend bringt ja eh nichts.", antwortete er nur. „Ach fick dich doch!", gab ich nur zurück.
Noah schmunzelte über meine Bemerkung. „Ich weiß ich seh gut aus, aber allein ist doch langweilig. Ich bevorzuge eine hübsche Lady, mit der ich das alles teilen kann." Er zeigte mit einer groben Handbewegung auf sich selbst. „Da hier aber gerade keine ist, lass ich das lieber."

Wow, der Typ war wirklich weit von einem gesunden Ego entfernt. Er steckte sich wieder eine Zigarette an und blies den Qualm in die Luft.
„Weißt du Noah, wenn du nicht bald an Lungenkrebs stirbst, dann wünsche ich dir echt, dass dir Karma mal so richtig einen Schlag in die Fresse verpasst.", sagte ich wütend.

Noah antwortete darauf nicht mehr, er rauchte nur seine Zigarette. Als er der fertig war, trat er sie aus und lief los. „Es ist fast acht. Wir sollten uns gleich mit Adam und deiner kleinen Freundin treffen."

Widerwillig, äußerst widerwillig, stand ich auf und lief ihm hinterher. Nur noch dieses eine Mal für heute, sagte ich mir in Gedanken immer wieder. Du musst ihm nur noch dieses eine Mal für heute folgen und dann bist du ihn los. Zumindest für heute.

Aus dem abgedrehten Leben der Lissi ConnorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt