Kapitel 12

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Das erste, was wir taten, als wir zu Hause ankamen, war uns eine Pizza in den Ofen zu schieben. Natürlich hatten wir vor lauter Sucherei komplett vergessen feste Nahrung zu uns zu nehmen. Während die Pizza im Ofen backte, schmiss ich meine Sachen des heutigen Tages in die Waschmaschine und gab eine extra große Portion der Duftkugeln dazu, die Yvonne immer für Ihre Wäsche benutzte. Mir graute es zwar jetzt schon davor, wie Yvonne zu riechen, aber immerhin besser als Noahs abartiger Zigarettenrauch.

„Warum kann der Kerl nicht einfach auf einem Strohhalm herum kauen?", kam ich nörgelnd aus der Waschküche nach oben. Talli hatte es sich schon mit der Pizza auf der Couch bequem gemacht. Ich ließ mich neben sie fallen und griff ebenfalls nach einem Stück. „Im Ernst, das wäre genauso Krebserregend, schont aber die Leute, die neben ihm stehen.", grummelte ich. Talli grinste. „Ich glaube, abgesehen von dir, stört das keinen in seinem Umfeld." Schmollend griff ich nach der Wasserflasche auf dem Couchtisch. "Sollte es aber.", grummelte ich leise.

"Wollen wir noch einen Film schauen?", fragte mich Talli, nachdem wir unsere Pizza verputzt hatten. Ich schaute auf die Uhr. Es war gerade mal halb zehn, einen Film würden wir schaffen und trotzdem noch genug schlaf bekommen. "Klar, warum nicht.", meinte ich uns stand auf. Aus dem DVD-Regal nahm ich unsere drei Lieblingsfilme heraus. "Welchen?", fragte ich Talli und sie zeigte auf unseren absoluten Favouriten: Die Schadenfreundinnen.

Ich legte den Film ein, während Talli aus der Küche eine Schale mit Chips brachte. "Wir haben Chips im Haus?", fragte ich sie verwirrt. Talli nickte. "Ja, in der Schublade unter dem Besteck." Ich schaute verwirrt. "Und ich suche seit Tagen nach Essbarem in diesem Haus." Talli kicherte und schüttelte den Kopf. "Ach Lissi. Vielleicht solltest du mal ins Hirncamp.", feixte sie. Ich verdrehte genervt die Augen. "Haha, witzig." Ich schmiss mich auf die Couch und kuschelte mich in eine Decke ein. Talli neben mir setzte sich ebenfalls, die Schüssel Chips auf ihrem Schoß balanciert. "Ich will aber auch welche!", meinte ich und langte nach der Schüssel. Talli zog sie aus meiner Reichweite. "Sobald du den Film angemacht hast." Ächzend richtete ich mich auf, griff nach der Fernbedienung und drückte den Playknopf. Dann hielt ich auffordernd meine Hand in ihre Richtung. Talli platzierte die Schüssel zwischen uns auf der Couch, danach war es ruhig. Sehr ruhig, für eine lange Zeit.

Wir sprachen kein Wort, sondern schauten ganz gebannt den Film, obwohl wir diesen schon auswendig kannten. Als wir an die Stelle kamen, an der Kate den Kater ihres Lebens hat, schaute Talli mich an. "Das könntest auch du sein.",meinte sie ganz trocken. Ich nahm das Kissen neben mir und schmiss es ihr volle Kanne ins Gesicht. "Was denn?", beschwerte sie sich lachend. "Ich bin keine betrogene Ehefrau, die sich die Kante gibt und ins Hirncamp muss!", beschwerteich mich. Talli kicherte vor sich hin. "Da wäre ich mir nicht so sicher...", weiter kam sie gar nicht. Ich hatte mir bereits wieder das Kissen geschnappt und ihr um die Ohren gehauen. Ihr Kichern artete in einen richtigen Lachkrampf aus. Beleidigt schmollend saß ich mit verschränkten Armen neben ihr. Beste Freundinnen waren richtige Verräterschweine!

Am nächsten Morgen saß ich komplett übermüdet in Mathe. Talli und ich hatten dann doch noch einen Film mehr geschaut und waren selbstverständlich viel zu spät ins Bett gegangen. Jetzt versuchte ich ständig meine schweren Lider offen zuhalten. Herr Weyer stand vorne an der Tafel und versuchte uns etwas über die Cosinusform zu erzählen, aber ehrlich gesagt, bekam ich davon nicht mal die Hälfte mit.

Talli neben mir sah auch nicht viel besser aus, sie schien tatsächlich auf der Bank eingeschlafen zu sein. Ich stupste sie an. Verwirrt schreckte sie hoch und blinzelte mich schlaftrunken an. „Der Weyer schaut schon, besser du bleibst wach.", murmelte ich. Talli zuckte mit den Schultern und legte sich zurück auf die Tischplatte. Kurz war ich überlegt es ihr nach zu tun, doch dann sah ich Herr Weyer auf und zu kommen.

„Talea, Elisabeth, ich hoffe für sie beide, dass sie in meinem Unterricht aufgepasst haben." Mit verschränkten Armen baute er sich vor unserem Tisch auf. Ich nickte lahm. „Natürlich Herr Weyer, mit voller Konzentration." In der Klasse kicherten einige. Talli schaute ihn einfach mit müden Augen an. „Bei Talea bin ich mir da ganz und gar nicht sicher, aber sie darf es jetzt gerne beweisen.", Herr Weyer schaute Talli streng an. „Aufgabe 2 von Seite 151, vorne an der Tafel!", mit diesen Worten legte er Talli ein Stück Kreide hin und ging wieder mach vorne. Talli schaute mich fragend an. „Um was ging es?", wisperte sie leise. Ich hob unwissend die Schultern. „Talea, ich erwarte sie hier vorne.", rief Herr Weyer. Seufzend erhob sich Talli und schlurfte nach vorn an die Tafel.

„Dieser elende Vollpfosten!", beschwerte sich Talli lautstark. „Ich würde ihm am liebsten mit dem Geodreieck die Augen ausstechen."

Nachdem Herr Weyer Talli an die Tafel geholt hatte und Talli wie erwartet keine Ahnung hatte, konnte Herr Weyer sich seine dummen Kommentare nicht mehr verkneifen. „An ihrer Stelle, liebe Talea, würde ich im Unterricht aufpassen und nicht ihren Schlaf nachholen, dann klappt es vielleicht auch das nächste mal mit den Noten. Für Ihre Banknachbarin gilt im übrigen dasselbe.", ahmte Talli ihn höhnisch nach. Unsere Mathearbeit hatten wir im Anschluss an seine „gutgemeinten Worte" zurück bekommen. Und was soll ich sagen... ich bin zufrieden. Zum ersten Mal seit langem bin ich in Mathe nicht durchgefallen. Eine gute Leistung war trotzdem etwas anderes. „Der Typ muss doch echt denken, dass Schüler nichts besseres zu tun haben, als Mathe zu machen.", murmelte ich. Ich könnte sogar wetten, er macht in seiner Freizeit nichts anderes. Jeden Tag setzt er sich an seinen Schreibtisch und löst seine Gleichungen, am besten schon vor dem Frühstück.

„Naja, du hast auf jeden Fall besseres zu tun. Aber wir anderen können leider kein so aufregendes Leben haben.", grinste Talli. Ich rollte mit den Augen. „Erinner mich bitte nicht daran.", seufzte ich lautstark. „Mir graut es jetzt schon davor mit Noah den Nachmittag zu verbringen. Besonders wenn er drauf ist, wie gestern."

Der Nachmittag konnte richtig bescheiden werden, wenn Noah seine Stimmungsschwankungen von gestern wieder hatte. Und trotzdem stand ich nach der Schule wieder an der U-Bahnstation und wartete auf die Bahn zum Hafenviertel. Meine Laune beschränkte sich auf ein Minimum, aber ich war selbst Schuld an dieser Situation. Gleich nachdem ich am Hafen aus der Bahn stieg, zückte ich mein Handy und wählte Noahs Nummer. Es tutete, aber Noah hob nicht ab. Frustriert legte ich auf und tippte eine Nachricht an ihn.

Bin an der U-Bahn, wo soll ich hinkommen?

Die Nachricht wurde verschickt und kam auch bei ihm an, aber Noah las sie nicht. Da ich keine Lust hatte zu stehen, setzte ich mich auf eine Bank am Bahnsteig. Noah antwortete ewig nicht. Während des Wartens spielte ich Spiele auf meinem Handy, um mir die Zeit zu vertreiben. Nach fünfzehn Minuten hatte ich keine Lust mehr. Es war arschkalt und ich saß allein auf einer (ziemlich eklig aussehenden) Bank. Ein letztes Mal versuchte ich Noah anzurufen. Wieder tutete es. Ungeduldig und auch ein wenig genervt wippte ich mit dem Bein.

„Weißt du, anstatt das Telefonnetz zu überfordern, könntest du auch einfach den Kopf drehen."

Aus dem abgedrehten Leben der Lissi ConnorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt