Kapitel 21

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„Was zur Hölle sollte das gerade?", blaffte ich ihn an. Verdutzt schaute er mich an. „Das Eric ein Arschloch ist, wissen wir beide, aber du musst ihn ja nicht gleich provozieren und ihm das ins Gesicht sagen." Meine Stimme überschlug sich fast, so wütend war ich gerade. Aber nicht auf Eric oder seinen dämlichen Kumpel, sondern auf Noah. „Weißt du was für eine Angst ich gerade bekommen habe? Die beiden hätten die sonst was antun können und ich wäre nicht in der Lage gewesen dir zu helfen.", schrie ich ihn an.

Beruhigend legte er mir die Hände auf die Schultern. „Beruhige dich Lissi, es ist nichts passiert.", sprach er ruhig. Nichts passiert? Ich blickte ihn mit hochgezogenen Brauen an. „Ein kaputtes T-Shirt, eine verlorene Jacke und eine blutige Lippe nennst du also nichts passiert?", hakte ich skeptisch nach. Er seufzte. „Okay, es ist fast nichts passiert. All das gehört zu einer harmlos ausgegangenen Schlägerei in dieser Gegend.", meinte er betont lässig.

Ich seufzte genervt. „Ob harmlos oder nicht, das war eine Schlägerei, die du nicht hättest provozieren müssen.", sagte ich etwas ruhiger.
„Ja, okay das war vielleicht ein wenig unklug, aber der Typ hat mich so wütend gemacht.", erklärte Noah.

Unklug? Ich hätte es alles andere genannt, aber nicht unklug. „Wenn du das öfter solch unkluge Sachen machst, dann grenzt es schon an ein Wunder, dass du noch am Leben bist.", grunmelte ich. Noah konnte immer noch über die Situation Lachen.

„Ich will jetzt weg von hier! Eric und sein Kumpel will ich nicht noch einmal begegnen.", sagte ich. Noah nickte verständnisvoll. „Soll ich dich zum Bahnhof bringen?", fragte er. Ich musste mir wirklich auf die Zunge beißen, um nicht laut nein zu schreien. Als ich gemeint hatte, ich will hier weg, da meinte ich doch nicht nach Hause...

Aber wo sollte ich sonst mit Noah hingehen? Grübelnd kaute ich auf meine Lippe herum, bis ich Noahs Hand vor meinem Gesicht bemerkte. „Lissi?", fragte er. „Hallo, jemand zu Hause?" Ich fing seine ab, da kurz davor war mir ins Auge zu stippen. „Ja, ich war nur in Gedanken.", antwortete ich.
„Ja, das habe ich gemerkt.", grinste er. „Zum Bahnhof geht es in diese Richtung, falls du das vergessen hast." Er zog mich an der Hand hinter sich her. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich seine Hand immer noch festhielt.

Ich wollte ihm gerade meine Finger entziehen, um nicht in die peinliche Verlegenheit zu kommen, meine Finger mit seinen zu verschränken, als Noah es von ganz allein machte. Mit großen Augen blickte ich auf unsere verschränkten Hände. Dabei vergaß ich komplett auf den Weg zu achten und stolperte. Zum Glück konnte Noah noch rechtzeitig reagieren und fing mich auf, bevor mein Gesicht Bekanntschaft mit dem Straßenpflaster machte.

Er stellt mich wieder aufrecht hin und wartete, bis ich sicher stand. In mein Gesicht drängte sich die Schamesröte, als sein prüfender Blick mich traf. Wahrscheinlich konnte sich Noah jetzt schon seinen Teil denken. Ich blickte also nach unten auf meine Füße und konzentrierte mich darauf, wieder selbstständig zu stehen.

Verlegen räusperte ich mich. „Okay, alles wieder gut, wir können weiter.", sagte ich leise. Noah nickte, trat einen Schritt von mir weg (wogegen ich fast laut protestiert hätte), griff aber wieder meine Hand und wir gingen weiter.
Diesmal versuchte ich mich aufs gehen zu konzentrieren und gleichzeitig das Gefühl von meiner Hand in Noahs zu genießen. Zweiteres tat ich auf jeden Fall und versank völlig in meine kleine Schwärmereien. Dadurch merkte ich gar nicht, dass wir den Bahnhof schon erreicht hatten. Erst als Noah stehen blieb, registrierte ich es.

Noah machte an meinem Gleis halt und drehte sich zu mir. Es schien, als sei er etwas verlegen. Er sprach kein Wort, vergrub stattdessen nur seine Hände in den Hosentaschen.
„Also, das wars dann.", sagte er nach einer Weile. Vollkommen planlos und verwirrt schaute ich ihn an. Was? Womit wars das? Redete er von uns? Aber zwischen uns war doch gar nichts. Doch bevor ich auch nur eine Frage stellen konnte, redete er weiter.
„Du hast deine Kette wieder und ergehst somit erfolgreich einem Aufenthalt im Internat."
Ich nickte verlegen. „Dank dir.", ergänzte ich seine Worte.

Ich bildete es mit vielleicht nur ein, aber  es schien, als würde Noah ein wenig rot werden. Er antwortete auch nicht auf meine Worte. „Ehrlich Noah, danke. Ohne dich hätte ich das nie geschafft. Du bist Wort wörtlich mein Retter in der Not.", sagte ich. Und nun wurde Noah tatsächlich rot.

Ich holte das Geld aus meiner Tasche. „Hier, für deine Hilfe, wie vereinbart." Ich hielt ihm die Scheine hin. Noah wirkte auf einmal wie erstarrt. Er schaute nur auf das Geld in meinen Händen und schüttelte den Kopf. „Nein, behalt es.", meinte er und schob meine Hand zurück. „Ich will es nicht mehr. Ich würde mir irgendwie diebisch vorkommen, wenn ich es annehme." Ich war sprachlos. Noah hatte noch Anfang der Woche den Preis für seine Hilfe so hart verhandelt und nun lehnte er ihn ab?

„Aber ich dachte...", stammelte ich, wurde von Noah aber unterbrochen. „Wirklich Lissi. Ich habe dir geholfen und das hab ich gern getan, dafür sollte ich kein Geld nehmen."
Ich starrte ihn immer noch fassungslos an. Imstande irgendetwas sinnvolles zu sagen oder zu tun.

Eigentlich sagte keiner von uns beiden mehr etwas. Wir schauten uns einfach nur an. Bis Noah irgendwann das Schweigen durchbrach. „Deine Bahn kommt Lissi. Du solltest wohl besser nach Hause, bevor deine Eltern merken, dass du weg bist.", sagte er. Ich wollte ihm gerade widersprechen, dass Yvonne nicht als mein Elternteil zählte, als ich die Bedeutung seiner Worte begriff. Ich musste jetzt gehen, auch wenn ich gerne noch länger geblieben wäre.

„Du hast wahrscheinlich recht.", sagte ich deswegen nur geknickt. Noah lächelte mich aufmunternd an und umarmte mich zum Abschied. Ich genoss die kurze Umarmung, auch wenn sie nicht lange andauerte. „Viel Glück.", murmelte er mir leise ins Ohr, bevor er mich wieder freigab.

Mit unangenehmen Gefühl in der Brust stieg ich in meine Bahn ein und sah nur noch, wie Noah am Bahnsteig stehen blieb, während die Bahn schon losfuhr.

Es tut mir ehrlich leid, dass so kurz vor Ende der Geschichte so lange kein Kapitel kam. Ich hatte Ende April/Anfang Mai meine Abiturprüfungen und war dann auch noch krank. Ich verspreche aber, dass Updates jetzt wieder schneller hinter einander kommen. Die gute Nachricht ist, dass die letzten Kapitel auch alle schon fast fertig geschrieben sind 😊

Aus dem abgedrehten Leben der Lissi ConnorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt