Kapitel 13

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„Weißt du, anstatt das Telefonnetz zu überfordern, könntest du auch einfach den Kopf drehen."
Die Stimme kam so plötzlich, dass ich vor Schreck beinahe mein Handy hätte fallen gelassen. Als ich mich umdrehte, stand Noah da und grinste. Ihm schien das Ganze Spaß gemacht zu haben. „Sag mal piepst du?", echauffierte ich mich. „Du kannst mich doch nicht so erschrecken!" Er grinste immer noch von einem Ohr zum Anderen. „Siehst es doch, ich kann doch." Wütend funkelte ich ihn an. Er war noch keine Minute hier und schon könnte ich ihm den Kopf abreißen. „Also können wir dann los?", fragte er nun so unschuldig, als wäre nichts gewesen. „Klar.", grummelte ich. „Bringen wir es hinter uns."
Noah hatte die Adressen, die wir gestern nicht geschafft hatten oder die uns nicht geöffnet hatten zusammen getragen und auf einen Zettel geschrieben. Es waren zwar weniger als gestern, aber immer noch ganz schön viele.
Unsere Suche verlief genauso wie am vorherigen Tag. Entweder man sagte uns, man hätte keine Ahnung oder man öffnete und gar nicht erst. Mit jeder Adresse weniger auf Noahs Liste schwand meine Hoffnung. Keiner von Flex Kunden hatte jemals diese Kette zu Gesicht bekommen. Und ich bezweifelte langsam, dass wir noch einen finden würden.

Niedergeschlagen lies ich mich auf einer Bank am Hafenbecken fallen. Wir waren nun zwei Stunden durchs Viertel gestapft und hatten fast alle Adressen abgeklappert. Ohne Ergebnisse. Was hätte ich denn anderes erwarten können. Nun waren nur noch drei Adressen übrig. Drei! Meine ganze Hoffnung lag in diesen drei Adressen.
„Was ist denn jetzt schon wieder?" Noah war genervt vor meiner Bank stehen geblieben. Er war den ganzen Nachmittag ruhig geblieben, aber höflich sah trotzdem anders aus. Umso mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, umso mehr bekam ich das Gefühl, er mochte mich nicht. „Ich brauch eine Pause.", brachte ich kläglich hervor. In dem Moment wusste ich sogar, dass ich wie ein verwöhntes kleines Kind klang, doch es war mir egal. Die ganze Sucherei ging mir dermaßen an die Substanz. „Und einen Kaffee, am besten mit Rum oder Whiskey.", sagte ich. Noah lies sich seufzend neben mir auf der Bank nieder. „Eigentlich müsste man meinen, dass du von Alkohol die Schnauze voll hast.", kommentierte er meine Aussage. „Eigentlich schon, aber von dieser ganzen Sucherei hab ich noch mehr die Schnauze voll. Und wenn das hier zu nichts führt, dann brauch ich sogar Alkohol.", meinte ich trocken. Noah war eine Weile still und schien zu grübeln. „Wieso ist es dir so wichtig diese Kette wieder zu finden?", fragte er schließlich. Ich konnte ihn nicht direkt ansehen, also blickte ich aufs Meer hinaus. „Naja, die Kette gehört nicht mir, sondern meinem Stiefmonster. Und wenn sie nicht bis morgen Abend wieder an ihrem Platz liegt, dann muss ich gar nicht erst sterben, um in der Hölle zu landen." Er kicherte über meine Wortwahl. „Wow, das klingt ja richtig harmonisch bei euch." Ich zuckte mit den Schultern. „So harmonisch wie es eben sein kann.", seufzte ich. „Aber das kennst du bestimmt auch." Er schüttelte den Kopf. „Nein, ganz und gar nicht." Ich schaute ihn fragend an und lachte. „Ach komm schon, jeder streitet sich doch mal mit seinen Eltern." Wieder schüttelte er den Kopf. „Nein, dazu respektiere ich meine Mum viel zu sehr. Sie hat mich und meine zwei kleinen Brüder nach dem Tod meines Vaters allein durchgebracht. Sie hat die letzten Jahre alles für uns gegeben, mit ihr zu streiten wäre da respektlos." Ich schaute Noah mit großen Augen an. Das war eine Seite die ich noch nicht von ihm erlebt hatte. Eine Seite, von der ich nicht dachte, dass er sie besaß. „Das tut mir leid. Also das mit deinem Vater.", sagte ich nur, da ich sonst keine Ahnung hatte, was ich sagen sollte. Noah schien meine Antwort gehört zu haben, reagierte aber darauf. Er schaute nur auf das vor uns liegende Hafenbecken. Ganz in seine eigenen Gedanken versunken.
„Noah, darf ich dich was fragen?", wandte ich mich an ihn. Er zuckte mit den Schultern. „Der Tof deines Vaters, hat der etwas damit zu, was Flex gesagt hatte?" Er versteifte sich bei meiner Frage. „Warum?", fragte er kalt. „Warum willst du das wissen." Seine Stimme klang kalt und bei der Härte seiner Worte zuckte ich zusammen. „Naja, Flex meinte du solltest klüger sein, als dein Vater?", meinte ich unsicher. Noah sah mich aus eiskalten Augen an. „Darüber will ich nicht reden.", war seine einzige Antwort darauf. Dann drehte er sich von mir weg und zündete sich eine Zigarette an. Entnervt seufzte ich. „Du weißt, dass man von dem Zeug Lungenkrebs bekommen kann?", fragte ich ihn. Er zuckte mit den Schultern. „Mir doch egal.", grunzte er, dann ignorierte er mich. Ich rollte mit den Augen. Der Typ war echt der Wahnsinn. Hust, Sarkasmus, hust.
„Ich Wette dein Vater hätte das nicht gut gefunden.", meinte ich dann zu ihm. Jetzt reagierte er wieder. „Was weißt du denn schon?", blaffte er mich an. Verärgert schaute er mich an. „Nichts.", sagte ich. „Du erzählst mir ja nichts." Er blickte mich immer noch verärgert an. „Warum willst du denn unbedingt etwas über mich wissen, oder über meinen Vater?", fragte er ein bisschen weniger wütend. „Weil ich dich besser kennen lernen will.", antwortete ich, als wäre es das verständlichste auf der Welt. „Ich laufe seit Tagen mit dir durch die Gegend und ich weiß nichts über dich. Ich meine es könnte sein, dass du ein totaler Psycho bist." So unwahrscheinlich war das gar nicht. Noah hatte durchaus einige Züge an sich, die auf psychische Störungen hinwiesen. „Tja, was läufst du auch mit Fremden durch die Gegend.", war seine Einzige und patzige Antwort. Dann drehte er sich wieder von mir weg. „Na dann, schweigen wir uns halt weiter an.", meinte ich. Ich hatte absolut keine Lust mehr mit Noah zu diskutieren. Da war mir unser Schweigen doch lieber.
„Er hatte sich mit Flex angelegt." Noah sprach die Worte leise. So leise, dass ich sie kaum verstand. „Wer?", fragte ich nach. „Mein Vater. Er hatte für Flex gearbeitet.", brachte Noah hervor. Ihm fiel es sichtlich schwer darüber zu reden. „Und was ist dann passiert?", hackte ich nach. Noah rieb sich mit den Händen übers Gesicht. "Er hat herausgefunden das Flex illegale Geschäfte betreibt und wollte ihn anzeigen.Doch Flex hat dafür gesorgt, dass er das nicht konnte." Noah schluckte schwer. "Er hat dafür gesorgt, dass mein Vater einen Arbeitsunfall hatte, bei dem er fast seinen kompletten Arm verlor. Außerdem hat er ihm gedroht, beim nächsten Mal wäre seine Familie dran. Mein Vater wurde Invalide und Pflegefall, und das hat er nicht ausgehalten. Irgendwann sah er keinen anderen Ausweg mehr, als ein Sprung ins Meer." Einmal angefangen zu erzählen, erzählte Noah mir die komplette Geschichte. Ich konnte nur schockiert zuhören. Als er fertig war mit erzählen wirkte er so fertig und niedergeschlagen. "Noah, das tut mir so leid."

Ps: Ich habe dieses Kapitel geschrieben, während ich (während meiner Fahrstunde) auf meinen Fahrlehrer warten musste. Er musste ja ‚nur kurz' etwas erledigen... Was zur Hölle der der ne halbe Stunde lang gemacht???

Aus dem abgedrehten Leben der Lissi ConnorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt