-neununddreißig-

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Ich muss ans Ende der Stadt gelaufen sein, als ich mich wieder vor einem großen Baum finde. Ich setze mich auf eine seiner Wurzeln, schlage meine Arme um meine Beine und lege meinen Kopf auf die Knie.
Ich weiß nicht, wie lange ich so da sitze und schluchzte, aber irgendwann spüre ich eine Hand auf meinem Rücken und höre, wie sich jemand neben mich setzt. Ich muss nicht aufschauen um Sirius zu erkennen, der jetzt seinen Kopf auf meine Schulter legt.
"Er hat mich verraten, Sirius. Ich dachte er wäre mein Freund und er hat mich verraten" sage ich irgendwann. Es zu denken tut schon weh, aber den Gedanken auszusprechen hat etwas Endgültiges. Ich fühle mich so unglaublich dumm.
Seine Hand fährt auf meinem Rücken auf und ab, wodurch sich mein Atem etwas beruhigt. "Ich weiß" kommt es von ihm. "Ich weiß"
Dann sagt keiner von uns etwas. Er drängt mich nicht etwas zu erzählen. Er sitzt einfach neben mir und hört mir zu, wenn ich etwas zu sagen habe. Behutsam nimmt er mich in den Arm und legt seine Hand beschützend auf meinen Kopf. Sein Tshirt wird von meinen Tränen durchnässt, aber das scheint ihn nicht zu stören.
"Weißt du was?" sagt er schließlich. "Du gehst einfach mit mir auf den Ball"
Ich wollte mit Regulus auf den Ball. Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Es erscheint mir komisch jetzt daran zu denken. Aber das erklärt auch Regulus Verhalten, als ich ihn gefragt habe. Er wollte nicht mit mir gehen, weil er dachte, dass ich bis dahin tot bin. Tot.
Auch, wenn mir überhaupt nicht danach ist muss ich zwischen meinen Tränen etwas lachen.
"Was?" frage ich noch mal nach um sicher zu gehen, dass ich es richtig verstanden habe.
Sirius räuspert sich und schaut mir in die Augen "Elizabeth Johnson, würdest du mir die Ehre erweisen mich auf den Abschlussball zu begleiten?" wiederholt er und bringt mich erneut leicht zum lachen. Niemand den ich kenne würde in diesem Augenblich auch nur annähernd auf die Idee kommen mich nach dem Abschlussball zu fragen.
"Was ist mit Sophie Gipson?" antworte ich mit einer Gegenfrage, worauf er nur mit einem Schulterzucken antwortet. "Ich gehe lieber mit dir" Er könnte jede aus Hogwarts bekommen und geht mit mir. Ich kann nicht verhindern rot zu werden.
"Also, was sagst du?" frägt er noch einmal nach und ich nicke. "Ja" antworte ich, "Ich gehe gerne mit dir zum Abschlussball" auch Sirius lächelt. Dann zieht er seinen Zauberstab.
"Mal schauen, wie wir diese Splitter rauskriegen" murmelt er mehr zu sich selbst und schwingt ihn dann ein paar mal. Der Schmerz, der mir mittlerweile nicht mal mehr aufgefallen ist (der Schmerz aus Hogsmead hat mich eindeutig abgehärtet), verschwindet und ich bedanke mich dafür bei Sirius.
Er legt mir seine Jacke über und gemeinsam laufen wir wieder zurück zu den anderen um dort mit ihnen wieder nach Hogwarts zu gehen.
Ich bin mir nicht sicher ob Sirius weiß, wie sehr er mir geholfen hat. Er hat mir zugehört, als ich reden wollte, mich stumm getröstet, als ich nicht reden konnte und abgelenkt, als ich es gebraucht habe.

"Mrs Johnson?" höre ich Dumbleodre sagen, sobald wir durch das Tor von Hogwarts laufen. Ich drehe mich um und sehe ihn auf uns zukommen. "Ich bin mir sicher, sie haben eine Menge Fragen" er gibt sich Mühe ein vertrauensvolles Lächeln aufzusetzen, aber ich erkenne, dass er nicht wirklich drauf und dran ist mir Fragen zu beantworten.
Ich nicke und folge ihm in sein Büro. Er setzt sich hinter seinen Schreibtisch und bietet mir einen Platz auf dem Sessel davor an, aber ich bin zu aufgewühlt und lehne ab. Anstelle laufe ich hin und her. Die Müdigkeit, die ich noch vor kurzem gespürt hatte ist bei dem Gedanken an die Vorkommnisse wie weggeblasen. Dumbledore folgt mir mit seinen Augen und wartet stumm darauf, dass ich etwas sage.
"Stimmt das, was ich heute gehört habe?" frage ich schließlich und schaue ihn an. "Das kommt ganz darauf an, was sie gehört haben, Mrs Johnson" antwortet er mit einer Gelassenheit, als hätte er gerade Massage und Wellnessbäder hinter sich.
"Dass sie mich auf Hogwarts gelassen haben, weil sie mit mir verwandt sind" erkläre ich ihm und für eine Sekunde erkenne ich, dass er gehofft hat, dass ich das vergessen werde.
"Ja und nein" sagt er und atmet tief durch, als würde er Zeit schinden wollen. Irgendwo hinter der gelassenen Maske scheint er doch nervös zu sein. "Ich habe nicht gewusst, dass die Linie der Dumbledores weiter geht. Erst vor einigen Jahren habe ich erfahren, dass mein Bruder eine Tochter bekommen hat. Wir stehen uns nicht besonders nahe, weshalb die Nachricht sehr überraschend für mich war. Seine Tochter bekam zwei weitere Töchter. Die jüngste war ein reizendes Kind. Unglaublich liebenswürdig und herzensgut." erklärt er mir. "Allerdings wurde ihr, obwohl sie die Zaubererwelt liebte, die Fähigkeit zu Zaubern nicht vererbt. Diese Tochter war Amanda Silber."
Ich ziehe die Luft stark ein. Verdammte schieße! Das ist meinen Mum! Ich bin mit Dumbledore verwandt! Ich brauche Zeit um das einsinken zu lassen und höre auf rumzulaufen. Ich suche nach Ähnlichkeiten zwischen ihm und mir, aber ich finde keine. Seine Augen haben einer anderen Farbe, seine Nase eine andere Form und seine Lippen sind anders geschwungen. Jetzt nehme ich doch sein Angebot an und setze mich auf den Sessel vor dem Schreibtisch.
"Also war das wirklich der Grund, weshalb sie mich hier hergebracht haben? Weil sie mich kennen lernen wollten?" frage ich weiter. Ich brauche Antworten. Auch wenn es schmerzt, Voldemort hatte recht. Ich habe mich zu wenig gefragt, warum.
"Nein." antwortet er und seine Augen strahlen unglaubliche Ruhe aus. Etwas, wovon ich auch gerne was haben würde. "Auch, wenn es ein erfreulicher Nebeneffekt ist, gibt es einen Grund, weshalb du hier bist und es gibt auch einen Grund, weshalb die Todesser in dieser Nacht dich so unbedingt haben wollten" fährt er mit seiner Erklärung fort. "Du bist etwas besonderes, Elizabeth Johnson und wenn ich dir jetzt den Grund dazu sage wirst du mir vermutlich zuerst nicht glauben" jetzt klingt er wie einer in diesen Filmen, in denen in der letzten Sekunde rauskommt, dass die Hauptperson selbst seinen besten Freund umgebracht hat.
"Hast du schon mal etwas von Dumbledore Prudence gehört?" ...das war doch der, von dem Voldemort gesprochen hat. Dumbledore wartet nicht auf meine Antwort. "Prudence war einer mein- unserer Vorfahren. Er war ein Zaubertränkegenie zu seiner Zeit und wäre es auch noch in dieser. Er hatte zu allem einen Zaubertrank, fand neue Zutaten und machte Experimente, die fatal hätten enden können. Als er von Hogwarts ging bekam er tausende Anfragen. Besonders das Saint Mungo hat sich um ihn gerissen. Seine Heiltränke haben mit neune Kombinationen Wunder gewirkt. Aber er lehnte alles ab und vertiefte sich in den nächsten Jahren nur noch mehr in Zaubertränke. Keiner wusste wirklich, wie er es machte, aber immer, wenn keiner mehr helfen konnte wurde er gerufen und rettete Menschenleben um Menschenleben. Mit dem Alter macht er sich Gedanken um das Sterben. Er wollte sein Wissen keines Falls mit ins Grab nehmen, dort würde es ja niemanden mehr etwas helfen. Also braute er erneut einen Zaubertrank. Dieses mal war das eine echte Herausforderung. Es dauerte Jahre, bis er eine Lösung fand, aber er hat sie gefunden. Als er letztendlich so krank wurde, dass ihm auch kein Zaubertrank mehr helfen konnte, trank er seinen Unsterblichkeitstrank. Mit dieser Trank wurde er wieder geboren. Nicht in der Form eines neune Menschen oder eines Tieres, sondern" er machte eine kurze Pause. "In dir"
Am liebsten hätte ich laut losgelacht, aber Dumbledores Gesichtsausdruck ist irgendwie zu ernst, um es als Scherz durchgehen zu lassen.
Er sieht meinen Gesichtsausdruch und redet weiter. "Das hört sich unmöglich an, aber für Prudence war nichts unmöglich. Er lebt natürlich nicht mit Haus und Familie in deinem Körper, sondern in deinem Geist. Seitdem du fünf Jahre alt bist schleicht er sich in deine Träume und unterrichtet dich in Zaubertränke. Es war wahrscheinlich nicht seine Absicht in die Haut eines Muggels zu schlüpfen, aber ich wette es hat ihn nie gestört."
"Aber... aber das macht keinen Sinn" kommt es aus mir.
"Ach wirklich?" sagt Dumbledore und schaut mich durchdringend an. "Kannst du dich an einen Traum erinnern?" es gibt nur einen einzigen Traum, an den ich mich erinnere und das ist der, in dem mein Bruder stirbt. Der einzige, den ich vergessen will.
Mich hat es schon öfters zum grübeln gebracht, dass ich mich ansonsten nie an einen Traum erinnern kann, aber in Dokumentationsfilmen sagen die Wissenschaftler immer, dass es bei jeden Menschen anders ist.
"Außerdem siehst du Hogwarts. Muggel können dieses Schloss nicht wahrnehmen, aber du schon. Prudence ist dieser Teil Zauberer in dir, der dich Hogwarts sehen lässt. Und ich weiß, dass du nicht wirklich überrascht warst, als McGonagall dir von der Zaubererwelt erzählt hat und auch keine Zweifel hattest, dass sie die Wahrheit sagt. Das war Prudence. Er kennt diese Welt bereits, also kennt ein Teil von dir diese Welt bereits" erklärt er weiter. "Dazu ist es sehr offensichtlich, dass du nicht alles, was du über Zaubertränke weißt von Professor Slughorn gelernt hast."
Ich kann nicht anders als ihn anzustarren. Mein Kopf pocht.
Er lächelt mich noch mal mit einer beneidenswerten Ruhe an und sagt: "Aber wenn du mir nicht glaubst bin ich mir sicher, dass du in dir einen guten Möglichkeit findest es zu beweisen"



Rumtreiber, Muggel und die anderen Dinge in Hogwarts (Rumtreiber ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt