Kapitel 14

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Wie vorausgesagt schreiben wir am nächsten Tag direkt in der ersten Stunde in Para einen kleinen Test. Und ich bin heilfroh, dass ich die Vorwarnung bekommen hab. Der Test ist unfair schwer dafür, dass es erst der zweite Tag im Camp ist.

Innerhalb von Sekunden als wir die Blätter vorgelegt bekommen, bricht gefühlt die ganze Welt über mir zusammen – obwohl ich selbst die Antworten zu fast jeder Frage weiß. Aber alle um mich herum haben zum größten Teil keine Ahnung und ich spüre ihre Panik, Wut und Enttäuschung so extrem, dass ich für einen Moment selbst denke, keine der Antworten zu wissen. Das stimmt aber nicht. Also beginne ich sofort zu schreiben und versuche die anderen Gefühle so gut es geht zu unterdrücken. Anfangs ist es schwer, aber irgendwann bin ich so konzentriert, dass ich alles andere vollkommen ausblenden kann und nur Dank Lukes sanftem Stupsen mit dem Ellenbogen bemerke, dass Splint bereits wieder rumgeht und die Tests einsammelt. Ich beende schnell meinen letzten Satz und halte dem leicht fies grinsenden Mann dann mein Blatt hin.

Die nächste Stunde ist für mich so sinnvoll wie die letzten beiden Stunden in Telepathie – nämlich gar nicht. Ich sitze da und bin versucht ein kleines Nickerchen zu halten, weil ich einfach immer noch absolut gar nichts empfange. Ich bin mir aber unsicher, ob Mr Splint es vielleicht spüren könnte, dass ich nur schlafe und gebe deshalb mein Bestes wach zu bleiben.

Und als ob das nicht schon ätzend genug wäre, lesen wir in Geschichte nur weiter und in VerSi sitze ich wieder nur da.

Erst nach der VerSi-Stunde wird es wieder interessant – auch wenn nicht unbedingt angenehm.

Alle anderen Schüler wachen mit dem Gong aus ihrer Starre auf und beginnen mal wieder etwas zu notieren und dann ihre Sachen zu packen.

Ich schaue mich unsicher um, als plötzlich Mr Splints Stimme durch den Raum hallt.

„Irwin. Bleiben Sie auf ihrem Platz, ich komme sofort zu ihnen", sagt er und verschwindet dann aber aus dem Raum.

„Mein Beileid", murmelt Matt und ich nicke ihm nur kurz zu. Dann schwingt er seinen Rucksack auf seinen Rücken und geht mit den anderen Schülern eilig, aber leise aus dem Klassenzimmer.

Schnell bin ich als letzter übrig und warte darauf, dass Mr Splint zurückkommt. Es dauert ziemlich genau drei Minuten, da kommt er wieder. In der Hand hat er eine dampfende Tasse und schlängelt sich damit an den Tischen vorbei bis er bei mir ist. Wie auch gestern lässt er sich auf den Platz von Matt fallen und stellt die Tasse vor sich ab. Ich kann einen Blick hineinwerfen und der Duft steigt mir in die Nase; es ist ein einfacher Pfefferminztee.

„Wie genau haben Sie bemerkt, dass sie in der Telepathie begabt sind?", fragt Mr Splint mich und lehnt sich locker in dem Holzstuhl zurück. Eine Hand legt er um die Tasse und scheint sich die Handfläche daran zu wärmen.

Sein Ton ist so ungewohnt normal, dass ich kurz nicht weiß, wie und ob ich überhaupt antworten soll.

„Mr Irwin?", fragt er dann aber wieder strenger nach und ich erhole mich und schaue zu ihm auf.

Ich zucke mit den Schultern und senke den Blick wieder auf Mr Splints Tasse: „Ich dachte immer, ich würde mir selbst ausdenken, was die anderen Menschen denken könnten. Ich hatte schon immer eine gute Intuition wie es anderen Menschen geht. Und vor einer Woche hat meine Mutter mir eröffnet, dass ich mir das alles gar nicht selbst einbilde, sondern ich wirklich Gedanken lesen kann und Gefühle spüre."

Mr Splint kneift die Augen zusammen und mustert mich jetzt lange Zeit nur.

„Und wie ist es, seit Sie das wissen? Seit Sie hier angekommen sind?"

„Sie können mich einfach duzen", sage ich schnell und Mr Splint nickt.

„Uhm... naja... Ich merke halt wirklich, dass die Stimmen in meinem Kopf auch in anderen Stimmen erklingen. Ich höre sie jetzt öfter, aber ich denke einfach nur, dass ich mir jetzt bewusster dessen bin und sie deswegen mehr wahrnehme. Und seit ich hier bin? Seit gestern spüre ich ganz extrem die Kräfte der anderen Schüler."

Hoppe Hoppe Reiter... - William James Camp (Mashton FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt