Kapitel 29

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Aber am nächsten Morgen geht es mir vergleichsweise gut.

Ich bin recht ausgeschlafen und fit.

Dass Michael auf dem Weg zum Frühstück sich ungefragt meine Hand schnappt und sie auch bis zum Frühstücksbuffet nicht mehr loslässt, lässt meine Gedanken auch mal auf was anderes kommen.

Als Luke das bemerkt, stupst er mich mit seinem Ellenbogen an und schenkt mir ein breites Grinsen. Ich rolle mit den Augen, aber trotzdem erwärmen sich mal wieder meine Wangen.

Aber mehr als das tut Michael nicht. Im Unterricht greift er auch mal nach meiner Hand, aber eher selten.

Nach dem Mittagessen verziehen wir uns endlich in die Bibliothek um Hausaufgaben zu machen. Normalerweise suche auch ich mir meistens ein paar Bücher zum Nachschlagen, für die Themen die wir wiederholen sollen, aber heute will ich einfach nur fertig werden. Also beantworte ich alle Fragen nur aus der Erinnerung vom Unterricht heraus und bin so viel schneller fertig als alle anderen.

„Ich... äh... gehe mich ein bisschen umschauen", flüstere ich meinen Freunden zu. Calum und Luke nicken nur geistesabwesend und schreiben dann selbst weiter an ihren Antworten.

Michael hingegen zieht nachdenklich die Augenbrauen zusammen, nickt dann auch, aber ich kann seinen warmen Blick in meinem Rücken spüren, als ich durch den Hauptgang der Bibliothek schlendere und schaue, was für Themengebiete die Regale markieren.

Ich komme an den verschiedenen Fachgebieten vorbei und bleibe an einem Regal hängen, das keine Beschriftung hat.

Interessiert, was hier wohl für Bücher stehen könnten, schaue ich mich erst kurz um und setze dann ein paar Schritte zwischen die Regale. Manche der Bücher sehen wirklich alt aus, manche sehen so frisch aus, als hätte man sie erst diese Woche gedruckt und dann hier reingestellt.

Ein besonders dicker, alter Band zieht meinen Blick an und ich greife danach. Der Einband ist ledern und ein ganz dunkles Braun. Auf dem Rücken steht leider nichts drauf.
Also ziehe ich es ganz heraus und schlage es auf.

„Hey."

Erschrocken klappe ich das Buch mit einem lauten Klatschen wieder zu und schaue auf. Am Anfang des Gangs steht Michael und lehnt am rechten Regal.

„Was denn?", frage ich ihn jetzt.

Er zuckt mit den Schultern und stößt sich vom Regal ab. Das Holz vom Regal knackt unschön, aber Michael interessiert das nicht. Er kommt zu mir rüber und grinst mich frech an.

„Ich wollte mal fragen, ob mein kleiner Bücherwurm nicht vielleicht hier gerne fortsetzen würde, wobei wir gestern gestört wurden?", flüstert er mir zu und meine Augen werden groß.

Meint er etwa, er will...

Hier?! Jetzt?!

...

Naja...

Ich schaue zu ihm rüber und schiebe mir die Brille hoch.

Michael wartet auf meine Antwort und er sieht dabei nicht sehr geduldig aus.

Eigentlich...

Ich lecke mir bewusst über die Lippen, um sie ein bisschen anzufeuchten und lasse den Arm, der das Buch noch hält sinken, damit es nicht mehr zwischen uns hängt.

Eigentlich würde ich Michael ja schon gerne küssen...

„Also? Möchtest du?", fragt Michael leise nach.

Und ich nicke.

Klar möchte ich.

Warum zögere ich eigentlich immer bei allem?

Hoppe Hoppe Reiter... - William James Camp (Mashton FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt