Kapitel 22

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„N-nein!"

Der Schrei entreißt sich so unerwartet meiner Kehle, dass nicht nur der Schatten vor mir, mich wieder auf den Boden fallen lässt, sondern auch ich zusammenzucke und beinah den Schmerz, der durch mein Steißbein fährt, ignorieren kann.

Aber ehe ich mich zu sehr damit beschäftigen kann, springe ich wie von selbst auf. Mein Körper ist voll und ganz in den Fluchtmodus übergegangen und will sich nur noch retten.

„Ashton! Du verschissener, dummer Junge!", fährt der Schatten mich an und ich stocke. Meine Beine laufen noch weiter, aber ich drehe mich um und sehe den Schatten weiter zwischen den grünen und braunen Flecken, die sehr wahrscheinlich Pflanzen sind, direkt auf mich zukommen.

Bleib stehen, du Idiot!

Fall doch noch einmal auf die Fresse!

Als diese zwei Sätze durch meinen Kopf schießen, graben sich meine Füße in den Boden. Ich schlittere ein paar Zentimeter auf den Blättern nach vorn, aber dann stehe ich einfach nur da.

„Endlich."

Ich kneife die Augen zusammen und versuche den Schatten scharf zu stellen.

Der Schatten tritt auf seinem Weg zu mir in das Sonnenlicht und endlich bekommt er Farbe, wenn auch nicht viel. Aus dem schwarzen Körper wird etwas Blaues, das Gesicht färbt sich Rosa und ich kann schwarze Haare erkennen.

Idiot! Idiotenkind! Warum muss ich immer die größten Volltrottel abbekommen?

„Mr Splint?", frage ich und mir bleibt der Mund offenstehen.

„Wer denn sonst?", knurrt der Ältere mir entgegen: „Oder hab ich mich in der letzten halben Stunde so verändert, dass Sie mich nicht mehr erkennen?"

„I-Ich...", stottere ich und schaue um mich, dann auf den Boden, wo ich auch nicht mal meine eigenen schwarzen Sneaker von dem braunen Waldboden unterscheiden kann.

„Ich sehe nicht viel... Meine Brille..."

Von meinem Lehrer ist nur ein schweres Seufzen zu hören.

„Verloren? Wo?"

„Vorhin irgendwo... Da wo... wo ich losgerannt bin", gestehe ich leise.

Herr Gott im Himmel, mir ist ja schon so einiges passiert... aber noch nie ist jemand so panisch vor mir weggerannt.

Ich kann sehen, dass er sich einen Moment lang gar nicht rührt und ich wage es zu behaupten, zu fühlen, wie er mich mit stechendem Blick mustert.

Aber dann bricht er die Stille wieder: „Haben sie noch eine zweite Brille dabei oder müssen wir ihre alte suchen?"

Ich lecke mir über die Lippen und verfluche mich selbst dafür meine Ersatzbrille nicht mitgenommen zu haben.

„Nur diese", antworte ich leise.

In meinem Kopf erscheinen einige heftige Flüche. Ich ziehe die Schultern ein wenig hoch und wende mich beschämt von dem Mann ab.

Der macht plötzlich einen Schritt auf mich zu und packt mich grob an der Schulter. Das „Autsch!" liegt mir auf den Lippen, aber ich beiße mir lieber auf die Zunge als dem Lehrer zu zeigen, dass das wehgetan hat.

„Laufen Sie direkt neben mir, dann stolpern sie hoffentlich nicht mehr. Bäume sehen Sie hoffentlich noch selbst..."

Ganz blind kann er ja nicht sein...

Ich bringe ein zittriges „Mhm" heraus und gebe mein bestes, dem Mann wirklich nicht nur hinterher zu stolpern.

Mr Splint zieht mich aber in schnellem Tempo hinter sich her. Ich versuche mit wackligen Schritten mitzuhalten, aber es ist wirklich schwer und es ist kaum zu vermeiden, dass ich über meine eigenen Füße und ein paar kleine Äste stolpere. Mr Splint grummelt verärgerte Worte vor sich hin und ein paar Flüche höre ich auch in meinem Kopf. Er führt mich ein paar Minuten quer durch den Wald. Obwohl es schwer ist dem Lehrer einfach so zu vertrauen, habe ich keine andere Wahl und muss am Ende auch zugeben, dass er mich gut geführt hat.

Hoppe Hoppe Reiter... - William James Camp (Mashton FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt