X. Numb

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Schon während der Autofahrt, hatte ich, umso näher ich dem Haus kam, das Gefühl, dass etwas hier nicht stimmen konnte.

Als ich also schließlich mein Auto vor meinem alten Zuhause parkte, war es im Haus für diese Uhrzeit ziemlich dunkel.

Verwirrt sah ich noch einmal auf mein Handy, um zu prüfen, ob die Nachricht wirklich von Kyle war, jedoch hatte ich mich nicht getäuscht.

Mein Blick schweifte zu Kyles Auto, welches neben meinem auf der Einfahrt geparkt war, was mir zeigte, dass mein Bruder auf jeden Fall Zuhause sein musste, außer er war noch irgendwo hingegangen.

Ich stieg verwirrt aus und schloss leise meine Autotür. Misstrauisch versuchte ich auf die Distanz einen Herzschlag im Haus auszumachen, jedoch war ich zu weit weg, um irgendetwas zu erkennen.

Kaum hatte ich meinen Weg zur Haustür fortgesetzt, vernahm ich auf einmal einen grellen Schrei aus dem Inneren des Hauses, welcher eindeutig zu Caty gehörte, also handelte ich schnell. In Windeseile war ich zur Tür gerannt und hatte sie aufgesperrt.

Doch als ich die Tür öffnete, stach mir plötzlich jemand ein Messer in die Hüfte, was mich unter einem spitzen Schrei zusammen sacken ließ. Den Täter schien es jedoch wenig zu kümmern, denn dieser gab mir auch noch einen Tritt gegen die Wirbelsäule, damit ich geradewegs in den Flur hineinfiel.

Dann hörte ich, wie du Haustür zufiel und kurz darauf ging dann auch das Licht an.

Ein weiterer Schrei entwich mir, als ich erkannte, dass eine weitere Person neben mir auf dem Boden lag und Tränen flossen, sobald ich erkannte, dass es mein Bruder war. Sein Körper lag auf dem Bauch und sein Rücken und Hals waren übersäht mit Messerstichen.

Ich hingegen lag gerade in seinem Blut, während dieses sich langsam mit meinem vermischte und ich mich unter Schmerzen versuchte etwas zu meinem Bruder zu robben.

„Ich hab keine Ahnung, was ihr für Biester seid, aber das hat ab sofort ein Ende.", hörte ich die hasserfüllte Stimme von Caty hinter mir, weshalb ich kurz in ihre Richtung sah und die zierliche Brünette verängstigt neben der Haustür stehen sah.

Ohne weiter auf ihre Aussage einzugehen, schenkte ich wieder meinem Bruder meine Aufmerksamkeit, der vollkommen blass war und mich aus tränenden Augen ansah, während sein Atem nur noch sehr schwach ging.

Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, dass ich weinte. Der Schmerz in meiner Hüfte, verursacht durch das wahrscheinlich in Eisenhut getränkte Messer, war nicht weiter nennenswert im Vergleich zu dem, wie sehr mein Herz sich gerade zusammen zog bei Kyles Anblick.

Schnell robbte ich gar zu ihm hinüber, stets darauf bedacht weder ihn zu verletzen, noch das Messer in meinem Bauch stark zu bewegen.

„Kyle, sieh mich an!", krächzte ich weinend und legte eine Hand auf seine Wange. Er konnte ich gar nicht mehr bewegen.

Sein Blick wurde mit jeder vergangenen Sekunde leerer.

„Ich...ich kann nicht mehr, Alicia", murmelte er schwach.

„Nein Kyle, bleib bei mir! Wir schaffen das.", versuchte ich ihn aufzumuntern, musste jedoch immer lauter schluchzen.

„Ich hab dich lieb, Alicia", keuchte er mit letzter Kraft und schenkte mir so gut es ging ein leichtes Lächeln.

„Ich dich auch, Kyle", flüsterte ich gebrochen.

Anschließend vernahm ich seinen letzten Atemzug, während sein Lächeln verblasste und ihm eine letzte Träne über die Wange lief.

Mir hingegen liefen immer mehr Tränen über die Wangen und es fühlte sich so an, als würde ich von innen heraus zerreißen.

„Nein, Kyle! Nein! Mach die Augen auf!", schrie ich ihn beinahe an.

Alles in mir schmerzte so sehr, wie noch nie in meinem Leben zuvor. Die Visionen der letzten Tage waren tatsächlich Realität geworden und ich dummes Stück hatte noch nicht einmal ein bisschen was unternommen, um es zu verhindern. Mein Bruder war gerade gestorben.

Meine Gedanken überschlugen sich, als mir auf einmal etwas Entscheidendes klar wurde.

Die grässliche Person, die meinen Bruder getötet hatte, war hier. Nicht einmal zwei Meter entfernt von mir.

Mit einem Mal wurde alles taub. Ich spürte rein gar nichts mehr. Keinen Schmerz mehr. Keinerlei Emotionen. Mein Sichtfeld verschwamm für einen kurzen Augenblick. Nur mein Herzschlag überzeugte mich davon, noch am Leben zu sein.

Mit jedem Atemzug schlich sich eine Emotion immer mehr in meinen ganzen Körper.

Hass.

Ich atmete tief durch, bevor ich mich, als hätte ich kein Messer im Bauch, auf die Beine hievte und mich zu Caty drehte.

Ich hielt die Luft an, während ich mir das Messer aus der Hüfte zog.

Dieses elendige Miststück hatte meinen Bruder getötet und sie würde dafür bezahlen.

Ich ließ meine Augen leuchten und ging mit zwei großen Schritten auf sie zu, bevor ich sie schlagartig an ihrem Kragen packte und sie gegen den Schrank drei Meter entfernt von uns schmiss.

„Was tust du da?", keuchte sie.

„Ich weiß nicht, wie sieht es aus mit Rache?", knurrte ich, zog sie auf die Beine und schmiss sie gegen die Glasvitrine gegenüber vom Schrank, welche durch den Aufprall ihres Körpers zerbrach.

Eine Mordslust kroch in mir hoch.

Mein Vernunft ließ meine Krallen in meine Handflächen bohren, doch es geschah nichts. Ich verspürte nicht einmal ein Fünkchen Menschlichkeit. Alles, was ich wollte, was dieses Miststück tot zu sehen.

„Wenn man sagt, dass Karma alle Taten rächt, hast du dann Angst,
oder bist du erleichtert?", knurrte ich und ging langsam auf sie zu.

Wieder zog ich ihren, nun etwas schwächeren, Körper am Pulloverkragen, welcher sich immer mehr rot färbte, nach oben und drückte sie gegen die Wand neben dem Schrank.

Mit meiner Hand hielt ich sie schließlich an der Kehle fest.

„Du hast dich in etwas eingemischt, was dich absolut nichts angeht.", knurrte ich und erblickte pure Angst in ihren Augen und es gefiel mir.

„Du bist ein Monster!", keuchte sie, „Genauso, wie er es mir erzählt hat!"

Ich überging ihre Aussage völlig und drückte fester zu, was sie wieder keuchen ließ. Sie hechelte nach Sauerstoff, den sie nicht verdient hatte.

„Was hat mein Bruder dir schlimmes angetan, dass er sterben hat müssen?", brüllte ich sie an.

Stille.

„Antworte mir gefälligst!", knurrte ich und meine Reißzähne wurden sichtbar. Ich spürte, dass meine Augen so sehr leuchteten, wie noch nie.

Da rammte mir Caty auf einmal ein anderes Messer in den Bauch, was mich etwas zusammensacken lies, weswegen ich sie losließ.

Sie fiel zu Boden und lehnte sich an die Wand.

Kurz sammelte ich mich, bevor ich jeglichen Verstand in mir abschaltete und wieder auf sie zuging.

„Falsche Antwort.", waren meine letzten Worte zu ihr, bevor ich ihr die Kehle herausriss.

WISE ⁴Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt