Als ich kurz darauf wieder wach wurde, immer noch auf Manus Schoß sitzend, hatten sie mir einen Zugang gelegt und ein Arzt sah mich besorgt an. "Verstehen Sie mich?" wollte er wissen und ich nickte, er atmete aus. "Sie waren Ohnmächtig, dass kann schon mal vorkommen, bei so einem Schock, sie sind nicht mal zehn Sekunden weg gewesen, wir haben Ihnen dennoch einen Zugang gelegt und sie bekommen jetzt ein Vitaminpreperat. Wenn dieses durch gelaufen ist und sie sich besser fühlen, dürfen sie sich Verabschieden" erklärte er und ich begann wieder zu weinen und vergrub mein Gesicht an Manus Brust.
So saßen wir ewig da, es waren gerade mal dreißig Minuten, da kam eine Schwester, nahm mich vom Tropf, zog den Zugang und dann durfte ich zu ihr. Sie lag unter einem Tuch und Taddl war mitgekommen, Manu meinte er könnte das nicht sehen. Der Arzt nahm das Tuch von ihrem Kopf. Ich heulte wieder los, ich heulte mir die Seele aus dem Leib, lehnte gegen Taddl und konnte und wollte mich nicht bewegen, es fühlte sich an als wären meine Augen verätzt worden, so sehr brannten sie inzwischen und sie war Tot. Sie war einfach tot, sie hatte mich alleine gelassen, meine Mutter hatte mich alleine gelassen, jetzt hätte ich das Jugendamt an der Backe.
Als wir zurück kamen, kam uns Luna entgegen. Taddl erklärte es ihr und sie sah mich an. "Wie Tot?" wollte sie wissen. "SIE IST TOT VERDAMMTE SCHEISSE! SIE IST MAUSETOT!" fuhr ich sie an und dann drehte ich mich um und rannte wieder aus dem Haus, einfach los, die Tränen versperrten meine Sicht als ich zu der Bank im Wald lief, die unten am Wasser stand und kauerte mich darauf zusammen. Ich weinte weiter, bis ich irgendwann meinen kompletten Körper gefühlt von Wasser befreit hatte und dann saß ich nur noch stumm da, und starrte vor mich hin, meine Beine hatte ich an meinen Körper gezogen und mein Kopf lag auf meinen Knien.
Ich lauschte den Vögeln, die immer leiser wurden und irgendwann dann nur noch die Grillen zirpten, es wurde allmählich immer kälter und ich begann zu frieren, ich wusste nicht ob die anderen mich suchten, es war mir aber auch egal. Sie war tot und das war alles was in meinem Kopf herumschwierte, sie war tot, sie, die Ärzte, hatten um sie gekämpft doch sie hatten verloren, sie hatten den Kampf gegen den Tod verloren und die Sommerferien waren noch nicht einmal zu ende, dieser Sommer war bestimmt der schlimmste aller Zeiten und er würde es auch immer bleiben.
Ich saß so da bis ein Hund neben mich auf die Bank sprang. "Hey, Nero" murmelte ich leise und drückte den Rüden an mich, er leckte über meine Wange und ich wusste, dass er das einzige von ihr war, dass ich noch hatte, sie hatte ihn damals gekauft, nach dem mein Vater ausgezogen war, naja zwei Jahre später und sie hatte mich und ihn groß gezogen, sie hatte mich zu der gemacht, die ich jetzt war und ich war ihr dafür so dankbar und ich hasste den anderen Fahrer dafür, dass nicht er gestorben war sondern sie.
Eigentlich sollte man niemanden dem Tod wünschen, aber ich wünschte ihm gerade, die Krätze und alle möglichen anderen schweren Krankheiten an den Hals, bis hin zum Tod. Ich strich dem Hund durchs Fell und saß einfach nur da, starrte aufs Wasser, das inzwischen schwarz dahin floss und ich fragte mich, was wäre wenn ich jetzt einfach alles beenden würde, doch dann dachte ich an Taddl, an Ardy, an Marley, an Manu und an Nero, der neben mir saß, sie alle würde ich einfach alleine lassen, so wie meine Mutter mich alleine gelassen hatte, sie trug keinerlei Schuld, aber ich fühlte mich alleine gelassen.
"Da vorne! Da sitzt sie" hörte ich hinter mir, Pi sprang auf meinen Schoß und ich fuhr ihr durchs Fell, dann nahm sie jemand von mir runter und ich sah kurz darauf in Manus blaue Augen. Ich hob eine Hand und strich Gedankenverloren über das TFS Tattoo in seinem Gesicht und er legte seine Wange gegen mein Handinnenfläche und seine Hand auf meine.
"Komm, es ist kalt, kleine" flüsterte er dann und stand auf, ich sah ihn an, dann zog mich Taddl auf meine Beine und hob mich mal wieder hoch, da sie es mir scheinbar nicht zutrauten zurück zu laufen.
Ich legte meinen Kopf auf Taddls Schulter ab, sah Ardy müde an, der mich auch ansah und Marley, der die Taschenlampen hielt und Manu der mich leicht traurig anlächelte und dann schloss ich meine Augen einfach und auch als Taddl sich in bewegung setzte, bewegte ich mich nicht sondern hing nur an ihm wie ein nasser Sack und war kurz vorm einschlafen, bis ich schließlich nicht anders konnte und einschlief.
Die ersten Tage nach ihrem Tod waren die schlimmsten, ich heulte als gäbes es kein Morgen mehr und das mit dem Jugendamt wurde auf nach die Beerdigung verschoben, so lange durfte ich definitiv noch bei Taddl und den anderen bleiben, etweder würde ich in eine Pflegefamilie gesteckt werden oder zu meinem Vater müssen, von dem man keine Ahnung hatte, wo er gerade steckte. Oder sie würden mich bei Taddl oder Manu lassen und einen sozial Arbeiter einmal im Monat vorbei schicken. Letztere Variante wäre mir die liebste.
Ich hatte gerade mein schwarzes Kleid angezogen und stand vor dem Spiegel und las den Zettel für meine Rede am Grab noch einmal durch. Heute war ihre Beerdigung. Ich fuhr mir durch die Haare die inzwischen schon fast an meine Ohren reichten. Draußen war es trübe, ob wohl wir erst Ende August hatten, das Wetter passte zu meiner Stimmung, meine Augen waren vom vielen weinen Blut unterlaufen und rot als hätte ich eine ganze Weed Plantage leer gekifft.
Manu trat hinter mich. "Kannst du mir mal den Knopf da zu machen?" fragte er leise und ich nickte, bevor ich den Knopf an seinem Handgelenkt zu knöpfte, die Jungs würden mich begleiten, da sie meine Mutter ja auch kannten. Ich war ihnen sehr dankbar, ich redete oft nur noch das nötigste, erzählte nichts mehr und war einfach stumm wie ein Fisch, aber diese Rede wollte ich halten, ich hatte darauf bestanden, ihr diese Ehre zu erweisen.
Im Auto war es still, ich saß hinten und Ardy und Taddl neben mir während Marley fuhr und Manu neben dran saß. Ich starrte aus dem Fenster und schwieg die meiste Zeit, den Zettel immer wieder in meinen Fingern wendend. Das Auto stoppte vor dem friedhof, da wir nicht gläubig waren, hatten wir auch keinen Gottes Dienst genommen.
Wir saßen auf so Plastikstühlen die extra dafür hier waren, hörte dem Typen zu, wie er irgendwas laberte und Manu drückte immer wieder meine Hand und dann rief er mich auf, ich trat hinter das Pult, faltete langsam den Zettel auf und sah die Freundinnen meiner Mutter an, es waren nicht viele da, da ihre Eltern, sowie ihre Schwester, ja schon gestroben waren. Ich sah alle einmal an und wischte mir eine Träne aus dem Gesicht.
"Sie" ich krächzte nur und räusperte mich deswegen, ehe ich weiter sprach.
"Sie war wundervoll, Worte werden ihr niemals gerecht werden. Deshalb werde ich es gar nicht erst versuchen. Wir alle haben jemanden verloren, aber ich habe meine Mutter verloren, meine Mutter die immer für mich da war, wenn ich mir mein Knie aufgeschlagen hatte, sie war für mich da wenn ich mal Liebeskummer hatte, sie war die beste Mutter auf dieser Welt, ich kann irgendwo immer noch nicht fassen, dass sie gegangen ist. Sie hat mir die Schönste Kindheit geschenkt die man sich wünschen kann. Ich hoffe, dass es ihr dort wo sie jetzt ist gut geht und..." hier begann ich heftig zu weinen, brach zusammen und blieb liegen, mir war es egal wie dreckig der Boden war. "Ich vermisse dich Mom" heulte ich immer wieder vor mich hin und dann zog mich Manu hoch, drückte mich an sich, ich versenkte meine Finger im Stoff seines Jackets und dann trug er mich wieder zu unserem Platz, setzte mich auf seinen Schoß und ich saß dann heulend auf seinem Schoß.
Ich brachte die Beerdigung gerade so rum, ich heulte und musste dauernd nach Luft schnappen, es war der schlimmste Tag in meinem Leben.
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Nutshells not ever a solution||Sierra Kidd FF
FanfikceUmzüge total bescheuert und dann noch in eine Stadt über die man von seinen Klassenkamerade halb Tot geredet wurde, weil da ja YouTuber und Musiker leben. Kiara spürt von diesen 'Bekannten' Menschen in der neuen Stadt nichts. Hat keine Ahnung, warum...