1. Kapitel: Wer bist du?

4.6K 210 154
                                    




Achtung, Sicherheitshinweis! Bitte lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt stehen!

Gelangweilt seufzend ließ ich mich in meinem Bürostuhl nach hinten gegen die flexible Lehne sinken und starrte in die untere rechte Ecke meines Computerbildschirms. Seit ich das letzte Mal nach der Uhrzeit gesehen hatte, waren gerade einmal zwölf Minuten vergangen und ich hatte immer noch vier Stunden Arbeit vor mir. Ganz toll! Heute war es aber auch besonders ätzend und es war absolut tote Hose. Naja, es war eben Urlaubssaison. Die meisten Leute waren also entweder schon verreist oder genossen das sonnige Wetter. Ich für meinen Teil war schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr in Urlaub gewesen und auch vom Sommer bekam ich nicht viel mit, schließlich arbeitete ich fast die ganze Zeit bis spät abends und oft auch mal sieben Tage am Stück. Das Einzige was ich also gerade zu hören bekam, waren die sich ständig wiederholenden Sicherheitsansagen. Zwar durchaus nervig, aber immer noch besser, als diese schreienden Kinder die ganze Zeit. Das raubte mir zugegebenermaßen des Öfteren den letzten Nerv, auch wenn ich Kinder eigentlich sehr mochte. Das war eben das harte Los, wenn man bei einem Reisebüro unmittelbar gegenüber der Sicherheitskontrollen arbeitete.

„Du bist heute so ruhig", bemerkte Jake, der an dem Computer neben mir saß und sich in dem Moment zurücklehnte, um sich ausgiebig zu strecken.

„Ich bin hundemüde und will einfach nur noch heim", erwiderte ich matt auf die schlichte Feststellung meines Kollegen, der nur fragend eine Augenbraue in die Höhe reckte.

„Hartes Wochenende hinter dir, huh?", zog er mich frech wie er war auf, doch ich schnaubte nur genervt.

„Es vögelt nicht jeder von uns in jeder freien Minute die er hat quer durch die Weltgeschichte. Außerdem musste ich im Gegensatz zu dir am Wochenende arbeiten", konterte ich, weil ich genau wusste, dass er das so anzüglich gemeint hatte, nahm mir die Brille von der Nase und massierte mir mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel.

Jake konnte so eine gigantische Nervensäge sein. Er war zwar immerhin drei Jahre älter als ich, also achtunddreißig, verhielt sich aber die meiste Zeit wie das größte Kleinkind – und gleichzeitig auch wie der schlimmste Frauenaufreißer, den ich kannte. Gut, ich kannte nicht sonderlich viele Leute und diesem ziemlich überschaubaren Kreis waren auch nur wenige männliche Individuen angehörig, aber dennoch...

„Du weißt, ich stehe dir immer zur... Verfügung, wenn du mal Dampf ablassen musst, Mel", sagte er lachend, aber als ich meine Brille wieder aufsetzte und entsetzt zu ihm blickte, sah ich den Ernst in seinen bernsteinfarbenen Augen.

„Jake! Mach verflucht nochmal deine Arbeit und hör auf meine Mitarbeiterinnen anzugraben!", tadelte da plötzlich mein Chef von unmittelbar hinter mir und ließ mich erschrocken und mit wild pochendem Herzen zusammenfahren.

„Ich mache doch nur Spaß, was weiß sie doch auch. Stimmt's, Mel?", entgegnete Jake vollends unbeeindruckt, woraufhin ich nur mechanisch nickte.

Natürlich wusste ich das. Jake war ja an sich kein schlechter Kerl, aber man durfte sich wirklich unter keinen Umständen auf ihn einlassen, auch wenn er der Frauenheld schlechthin war mit seinem durchtrainierten Körper, seinem sexy Drei-Tage-Bart und den kurzen, nach oben gegelten blonden Haaren. Mein Chef schüttelte nur etwas Unverständliches murmelnd den Kopf und verschwand ebenso schnell wieder, wie er eben aufgetaucht war.

„Was ist dem denn heute über die Leber gelaufen?", wollte mein Kollege in gedämpften Ton nun von mir wissen und deutete dabei mit dem Daumen über seine Schulter. Woher sollte ich das denn bitteschön wissen?

„Keine Ahnung", murmelte ich desinteressiert und versuchte mich damit wieder auf den Papierkram auf meinem Schreibtisch zu fokussieren, als ich mein Handy in der Hosentasche vibrieren spüren konnte.

Between The Lines // Benedict Cumberbatch FF [abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt