F O U R T H

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i can't breathe - bea miller

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January, 3rd friday 01.34PM

„Mae?"

Mein Atem geht hektisch und ich halte mich panisch am Geländer fest.

„Mae, ist alles okay?"

Mit zusammengebissenen Zähnen drehe ich meinen Kopf in die Richtung, in der ich vermute Jax vorzufinden.

„Ist das eine ernst gemeinte Frage?"

Jax seufzt laut auf, kurz darauf spüre ich einen leichten Windhauch.

„Ja, sie ist ernst gemeint, Mae.", Jax steht plötzlich neben mir und seine Stimme lässt mich erschaudern. Meinen Namen aus seinem Mund zu hören ist komisch. Er spricht ihn so...anders aus. Aber es ist nicht schlecht, nur kann ich das Gefühl nicht beschreiben.

Auf einmal ruckelt der Aufzug und ich schrecke auf. Mein Atem verschnellert sich noch einmal um das Doppelte und ich sehe panisch zu Jax rüber.

Beruhigend legt er eine Hand auf meinen Arm, ich jedoch klammere mich direkt an ihn.

Trotz der verzwickten Situation entflieht Jax ein kleines Lachen, was ich sicherlich mit einem Augenverdrehen quittiert hätte, würde ich nicht vor Panik fast kollabieren.

„Mae, alles ist gut beruhig dich."

Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich Jax' Gesicht auszumachen als ich zu ihm hochsehe.

Auch wenn ich ihn nicht wirklich gut in der Dunkelheit erkennen kann, weiß ich, dass er gerade unglaublich schön und heiß aussehen muss.

Dennoch schlägt mein Herz mir bis zum Hals und der Druck, der auf meinen Lungen lastet verdoppelt sich. Mir wird heiß und ich ziehe meine Jacke aus. Ich lasse von Jax ab und kauere mich auf dem Boden zusammen.

Somebody get me a hammer..."

Verwirrt atmet Jax aus und holt sein Handy raus um die Taschenlampe anzumachen. Ich tue es ihm gleich.

Wanna break all the clocks and mirrors..."

„Mae, alles in Ordnung? Warum singst du?", Jax scheint nicht es nicht zu begreifen. Warum ich singe. Warum es mich beruhigt.

Ich singe nicht sonderlich gut, aber es tut mir gut in Situationen, in denen ich nicht weiterkomme, und hilft mir Ruhe zu bewahren.

And go back to a time that was different...and time when I...when I...", meine Stimme bricht.

Auch wenn mich dieses Lied beruhigt, jedes Mal werde ich von meinen Gefühlen überrollt, als würde eine riesige Welle gegen eine instabile Mauer donnern und einen Haufen kaputter Steine und Dreck zurücklassen.

„When I didn't feel like there was something missing?"

Erstaunt schaue ich zu Jax hoch. Ein Stechen durchfährt meinen Nacken bei der plötzlichen Bewegung und ich fluche laut auf.

„Was ist passiert? Hast du dich verletzt?", die besorgte Stimme erklingt im engen Raum und kurz darauf setzt sich Jax neben mich. Auch er hat seine Jacke ausgezogen und sie auf meine geschmissen.

Er begutachtet meine Arme und mein Gesicht, doch ich schüttele ihn ab.

„Ist schon gut, nichts passiert.", ich lache kurz auf. Der Gedanke, dass er denkt ich habe mich ernsthaft verletzt obwohl ich nur zu tollpatschig bin, bringt mich zum Grinsen.

Ich sehe zwar, dass Jax verwirrt ist, doch nach ein paar Sekunden wandern auch seine Mundwinkel nach oben. „Das muss ich aber nicht verstehen, oder?"

Ich schüttele lachend den Kopf und ernte einen belustigten Blick von Jax.

Im Licht der Handys leuchten Jax' Augen regelrecht auf. Wenn ich genau hinschaue, kann ich mich selbst erkennen.

„Kann ich dich etwas fragen, Mae?", die Miene des dunkelhaarigen Jungens vor mir ist schlagartig zum Ernsten gewechselt.

Noch immer etwas von dem Hochgefühl intus, ziehe ich eine Augenbraue hoch und sehe Jax fragend an. „Ich weiß nicht ob du kannst."
Jax Mundwinkel zucken leicht, doch er überspielt das Ganze durch das Zurechtrücken seines T-Shirts. Meine Augen folgen seinen schnellen, feinen Bewegungen, erst als er erneut anfängt zu reden, schaue ich ihm wieder ins Gesicht.

Darf ich dir eine Frage stellen?"

Ich zucke mit den Schultern. „Probier's aus."

Jax seufzt einmal ehe er seine Frage stellt. „Was ist dein Problem?"
Ich runzele die Stirn. „Mein was?", ich habe ihm doch gar nichts getan.

„So hab ich das nicht gemeint, Mae.", er scheint zu verstehen und drückt sich anders aus.
„Ich meine, warum bist du hier?"
Ich schüttele den Kopf. „Schlechte Frage.", ich habe absolut keine Lust über dieses Thema zu sprechen. Nicht hier, nicht jetzt.

„Ich verrate dir auch mein Problem.", Jax sieht mich neugierig an. Ich lache auf. „Ich kenne dein Problem bereits."
Verdattert schaut Jax in meine Augen. „Du hast unkontrollierte Aggressionen." Bei dem Jungen vor mir scheint ein Licht aufzugehen. Er nickt. „Stimmt."

Eine Weile herrscht Ruhe. Meine Gedanken kreisen um alles mögliche herum, jedoch versuche ich nicht an das, was gerade passiert. Und trotzdem schaffe ich es nicht.

„Ich bekomm allerdings nichts mit davon.", meine Stimme gleicht einem Krächzen und ich räuspere mich hinterher ein paar Mal.

„Was bekommst du nicht mit?", mit einem fragenden Blick setzt sich Jax in den Schneidersitz.

„Von deinem Problem. Deine Aggressionen, davon bekomme ich nichts mit.", beantworte ich ihm seine Frage. Er legt seinen Kopf schief.

„Und was ist mit letzter Woche?"

„Ja komm, es ist einmal passiert und dann nicht mal richtig. Du warst gereizt, nicht aggressiv.", kontere ich.

Auf meine Worte scheint Jax keine Antwort zu finden. Es ist vielleicht auch besser so.

Nicht immer braucht man Worte um etwas zu sagen. Die Körperhaltung, der Blick, sagen manchmal so viel mehr als Worte. Nicht umsonst heißt es ‚ein Bild sagt mehr als tausend Worte'. So falsch ist es gar nicht.

Aber was passiert, wenn man das Bild falsch versteht. Wenn man es falsch interpretiert und man am Ende die eigentliche Aussage weit verfehlt. Wenn man dadurch eine falsche Entscheidung trifft und das fatale Auswirkungen hat. Nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf andere Personen. Wenn man keine Rücksicht nimmt und nehmen kann. Wenn es nicht anders geht. Wenn man es nichtmal weiß. Wenn man ein entscheidendes Detail nicht sieht.

Ein Rütteln durchfährt meinen Körper.
„Jax!", ängstlich drehe ich mich zu ihm um.
Beruhigend drückt er meine Hand.

„Der Aufzug fährt wieder."

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Fixing usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt