8. Kapitel

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Als ich zum Frühstück den mit von der Decke baumelnden Kronleuchtern geschmückten Speisesaal betrat, wandten sich alle versammelten Köpfe zu mir. Ich wusste nicht, was los war, doch dass die vorwurfsvollen Blicke meines Vaters nicht gutes bedeuten konnten, war mir sofort klar.
"Auch mal wach", sagte er patzig.
Ich nickte nur zur Antwort. Meine Augen wanderten über die Gesichter von meiner Mutter, Bennett, Jade, Rafael und Lichthofen. In ihren Mienen war etwas für mich undeutbares, etwas, dass ich nie gesehen hatte. Ich steuerte meinen Platz zwischen Bennett und Jade an und blickte zu Jade um irgendeine Antwort auf meine unausgesprochen Fragen zu bekommen, doch dass, was sie mir zuflüsterte, verschlug mir den Atem.
"Er weiß es"
Wer zur Hölle hatte nicht dicht gehalten? Jade und Rafael würden mich nie enttäuschen, aber wer könnte uns denn sonst gesehen haben?
"Selina", wandte sich mein Vater an mich, "was hast du dir dabei gedacht? Du kannst nicht einfach in die Stadt reiten und unser Geld und alles, was wir haben an diese unwürdigen Krüppel verschenken, die nie etwas in ihrem Leben erreichen werden"
Mir stockte der Atem, was war denn daran falsch, denen zu helfen, die Hilfe nötig hatten.
"Ich bin mir ziemlich sicher, dass dich Prinzessin Jade dazu angestiftet hat. Sie und ihre Flausen im Kopf. Aber ich hätte mehr von dir erwartet Selina",meldete er sich erneut zu Wort und stellte sich auf. Jeder seiner Muskeln war angespannt und die kleine Ader, die seine Stirn durchzog pochte ungleichmäßig. Ich griff unterm Tisch nach Jades Hand. Sie war wie meine eiskalt und zitterte.
"Ich bin mir nicht mal mehr sicher ob du meine Tochter bist. So hab ich dich nicht erzogen. Und ich dachte du würdest mit der Heiratssache verantwortungsvoll umgehen, aber anscheinend vergisst du dadurch wer du bist und machst dich zu einer billigen Kopie dieser französischen Hexe. Ihre Manieren sind tiefer am Boden als eine Kirchenmaus, ach was sie hat gar keine Manieren... Ich erkenne meine eigene Tochter nicht mehr wieder", seine Stimme war kräftig und laut geworden. Sie duldete absolut keinen Widerspruch und trotzdem tat ich es ihm gleich, stand auf und versuchte die richtigen Worte zu finden.
"Ich glaube du hast mich nie richtig gekannt, wenn du sowas über mich und meine Freunde sagst. Und nein es war nicht Jades Idee sondern meine... Im Gegensatz zu die kann und will ich nicht daneben stehen und zusehen, wenn andere leiden. 'Unwürdige Krüppel, die nie etwas in ihrem Leben erreichen werden', hast du sie vorhin genannt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du nur etwas erreicht hast, weil du in diese gottverdammte Blutlinien hineingeboren bist...",ich hätte Stunden weiter schimpfen können, doch neben mir keuchte meine Mutter bei meinen Worten auf und mein Vater schlug kräftig auf die Tischplatte.
"Auf dein Zimmer Selina. Sofort. Ich verbiete dir so mit mir zu reden. Ich bin dein König. Geh", schrie er aufgebracht.
Ich hatte ihn noch nie so erlebt. Wahrscheinlich weil ich mich noch nie gegen ihn aufgelehnt hatte. Auf der einen Seite zerfraßen mich die Schuldgefühle, doch andererseits fühlte ich mich großartig, endlich meine Meinung offenzubringen,wie ein Vogel, dessen Käfig geöffnet wurde. Ich stand auf, warf meine langen blonden Haare über die Schulter und verschwand. Er hatte völlig recht. Er war mein König. Nur mein König und nicht mehr mein Vater. Ich wollte um jeden Preis besser und anders werden als er. Ein bisschen Nächstenliebe könnte die Welt verändern, aber was wusste ich schon?

... "Ja natürlich liebe ich dich Daniel", gestand Sofia mit tränenerstickter Stimme. Daniels Herz war für einen kurzen Augenblick stehengeblieben, nur um kurz darauf erneut loszugallopieren. Er war so erleichtert über ihre Worte, dass er sie bei der Hand nahm und an sich zog, doch Sofia erwiderte die Umarmung nicht.
"Du hast mich nicht ausreden lassen. Ja ich liebe dich, aber ich liebe mich mehr", setzte sie erneut an. Sofia sah die Angst in Daniels Augen, Angst sie wieder loslassen zu müssen. Sie wusste ganz genau, dass er ehrlich mit ihr war und sie aufrichtig liebte, aber ihr war so bewusst wie dernje, dass sie nie in Daniels Welt hineinpassen würde. Ihre Erwartungen, ihre Leben waren zu verschieden.
"Was soll das heißen, Sofia?", fragte Daniel mit großen Augen...

Die Tür wurde geöffneten und ich ließ mein Notizbuch und den Stift vor Schreck fallen...
"Er will uns nach Hause schicken", rief Jade aufgebracht. Ich wusste natürlich sofort, was gemeint war. Ehrlich gesagt erwartete ich auch nichts anderes von meinem Vater.
"Als ob wir Schwerverbrecher wären. Er ist der Schwerverbrecher", setzte sie erneut an. Die kleine, braunhaarige ging auf mich zu und warf ihren Körper neben mir aufs riesige, weiche Bett.
"Wir...", wollte ich gerade ansetzten, doch Jade setzte sich auf und umarmte mich sanft und schützend. Sie war mir so nah, dass ich ihr Herz an meinem beben spüren konnte.
"Ich bin so stolz auf dich", flüsterte Jade an meinem Ohr.
"Weil ich daran Schuld bin, dass du endlich wieder nach Hause kommst?", fragte ich und die Bitterkeit in meiner Stimme war nicht zu überhören.
"Nein, das ist es nicht. Ich weiß nur wie viel es dir bedeutet, alles richtig zu machen und deinen Vater stolz zu machen, doch jetzt hast du endlich erkannt, was wirklich wichtig ist. Du hast Ideen, die die Welt verändern, doch bis heute hast du dir immer auf die Zunge gebissen. Lass sie einfach raus... ", hörte ich Jades beruhigenden Worte. Sie hatte Recht. Wie immer eigentlich. Hinter ihrer Fassade, die aussah, als hätte sie ein Kleinkind gemalt, versteckte sich ein feingeistiges Kunstwerk.
"Jade? Ich bin echt froh, dass ich dich kennengelernt habe. Irgendwas hat mir immer gefehlt und jetzt hat es einen Namen..."
Sie kicherte.
"So was kitschiges aus deinem Mund mein Nicht-mehr-Angsthase"
Ich strich noch einmal behutsam über ihren Rücken, bevor ich mich vorsichtig aus der Umarmung löste.
Ihr haselnussbrauner Blick lag auf meinen Augen und wanderte langsam zu meinen Lippen. Jade beugte sich zu mir rüber, bis ich ihren Atem auf meiner Haut spürte. Eine Gänsehaut zierte meinen gesamten Körper. Es war falsch, versuchte ich mir einzureden, doch ihre magische Aura, die mich in den Bann zog sagte etwas anderes.

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