15. Kapitel

807 45 4
                                        

Das Geräusch von Peitschenhieben erfüllte den Raum mit Angst und Schrecken. Meine Hand legte ich blitzschnell über Bennetts Augen, damit er nicht mit ansehen musste, wie Lilith, eine Zofe, für ihre Liebe zu einem höher gestellten Mann gefoltert wurde. Im Innenhof des Schlosses hatte sich eine riesige Menschenmenge angesammelt und alle Blicke waren schmerzlich nach vorn gerichtet. Gerichtet auf einen zierlichen Körper, der sich unter stechenden Schmerzen zusammenkrümmte. Jedes mal, wenn der oberste Hauptmann des Königs seine Peitsche auf Lilith prallen ließ, färbte sich ihre zarte, weiche Haut ein kleines bisschen glühender. Das Um- Hilfe-Schreien hatte sie längst aufgegeben. Stattdessen kullerten nur einzelne Tränen aus ihren angsterfüllten Augen. Wie hätte ihr auch jemand helfen können? Der König hatte dieses Ereignis zur Pflichtveranstaltung erklärt. Wahrscheinlich um jedem zu zeigen, wie skrupellos er war und dass er keine Angst hatte, seine Macht auszunutzen. Es brach mein Herz, dass selbst Bennett gezwungen war, hier zu sein. Ich wünschte jemand hielte auch meine Augen zu. Oder dass ich es wäre, die gefoltert würde, denn insgeheim war der König doch nur wütend auf mich. Er hasste es, dass ich mich dafür schämte seine Tochter zu sein, aber indem er seine Grausamkeit öffentlich demonstrierte, wurde unsere Verbindung noch mehr gestört. Unsere Beziehung war wie ein Geschenkband, dass langsam aber sicher durchgeschnitten wurde.
Mein Blick wanderte zu Ann, die auf der anderen Seite der Menge stand. Beim Anblick ihrer Schwester Lilith kochte eine Mischung aus Trauer und Wut in ihr hoch. Neben Bennett befand sich Rafael. Sein Augen waren weit weg ins leere gerichtet. Auf der anderen Seite hielt Jade zitternd meine Hand. Vermutlich hatte sie genauso wie ich Angst davor, was für eine Strafe auf uns wartete, wenn der König jemals von unserer Liebe zueinander erfuhr.
Normalerweise wurden nur ganz selten Schwerverbrecher wie Mörder gefoltert, aber Zeiten ändern sich und die Menschen gleich mit. Jetzt war für den König schon eine außergewöhnliche Liebe ein Verbrechen.
Ich konnte nicht mehr. Konnte nicht mehr den Anblick von Liliths schmalem Körper ertragen, der von Narben und blutigen Wunden übersät wurde, konnte nicht mehr die Blicke der Außenstehenden ertragen und auch nicht die von denen, die Lilith liebten. Ganz besonders wütend machte es mich, dass der König auf seinem Thron direkt neben dem Mann mit der Peitsche saß und keine Reaktion in seinem Gesicht zeigte. Er wirkte seltsam zufrieden.
Ich ließ mich vom lodernden Feuer der Wut in mir überrollen, irgendwer musste es ja tun, und drängte mich durch die Menschenmenge nach vorne. Jade versuchte mich an meinem Ärmel zurück zu ziehen, aber ich riss mich los. Als ich nur noch einige Meter vom Spektakel entfernt stand, schien mich der König zu bemerken und warf mir einen fragenden aber auch belustigten Blick zu.
"Bist du jetzt zufrieden?", schrie ich, "jetzt wissen alle wie grausam du bist und ich muss niemanden mehr davon überzeugen..."
Der König schnippste spöttisch mit den Fingern und schon packte mich eine Wache brutal und schob mich durch die Menge, bishin zur großen Schlosstür. Das letzte was ich wahr nahm, waren die Peitschenhiebe (jetzt doppelt so laut), bevor ich durch einen Schlag das Bewusstsein verlor.

"Sie muss verschwinden. Der König... er hat sich verändert. Manche Menschen lieben sich selbst so wenig, dass sie nicht verstehen wenn andere Liebe erfahren und Selina ist jemand, der Liebe ausströmt. Für sich, die Menschen, die sie liebt und ihr Volk...", hörte ich Lichthofens Stimme von weit weg.
" Aber wohin? ", fragte Rafael.
" Sie hat sich viele Freunde im Volk gemacht. Irgendwer wird sie aufnehmen"
Die Stimmen um mich herum wurden immer lauter wie ein Radio, dass man langsam aufdrehte.
Vorsichtig schlug ich die Augen auf und blickte in drei bekannte Gesichter: Lichthofen, Jade und Rafael.
"Hey da bist du ja wieder", versuchte Rafael zu grinsen.
Ich probierte sein Lächeln zu erwidern, doch in Angesicht der Situation machte glücklich sein keinen Sinn.
Lichthofen ergriff wieder das Wort:"Selina du musst..."
"Ich weiß. Ich hab alles mitgehört aber was ist mit mir passiert?"
Rafaels Gesicht nahm einen bedauernden Ausdruck an.
"Als sie Lilith gefol... Naja du hast dich eingemischt und dein Vater, oh pardon, der König hat seinen Wachen befohlen, dich wegzuschaffen. Dabei bist du irgendwie zu Boden gegangen"
Ich setzte mich auf, nur um "autsch" zu stöhnen. Der ganze Raum, der sich als mein Zimmer herausstellte, drehte sich um mir.
"So leid es mir tut Selina, aber du musst so schnell wie möglich verschwinden. Lange wird ein Urteil des Königs nicht mehr auf sich warten lassen", gab Lichthofen zu bedenken. Jade nahm meine Hände.
"Und was ist mit dir?", fragte ich sie, "die Leute und ganz besonders mein Vater wissen nichts von uns. Du kannst also hier in Sicherheit bleiben"
Ihre braunen Augen weiteten sich erschrocken.
"Selina ich lass dich nicht mehr alleine, das kannst du vergessen. Ich komme mit, denn du brauchst schließlich auch jemanden, der dich beschützt", murmelte Jade, während sie meine Hände zu ihren Lippen führte und mit Küssen betupfte, wie es die Sterne für den Himmel taten.

Mit gemischten Gefühlen aufgesattelt kletterten Jade und ich auf die Rücken unserer Pferde. Lichthofen packte noch ein letztes mal den Zügel und zog mich auf meinem Pferd zu ihm herüber.
"Reitet nach Osten. Dort ist ein großer Wald in dem ihr für heute Nacht eine sichere Unterkunft finden werdet. Es wird gleich schon dunkel und da möchte ich euch nicht zumuten in die Stadt zu reiten. Jedoch solltet ihr das morgen früh sofort tun. Selina du hast dir viele Freunde gemacht, aber auch viele Feinde. Der König wird euch verfolgen, jedoch könnt ihr auf die Hilfe des Volks zählen. Rafael und ich versuchen von hier aus irgendwie mitzuwirken",er streichelte kurz über die Mähne des Pferds und über meine Hand, "achja und du sollst wissen, dass ich stolz auf dich bin"
Rafael, der Jade bis gerade tief in seine Arme geschlossen hatte, kam zu mir, stellte sich auf Zehenspitzen und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Dabei flüsterte er mir ein "Kommt gesund zurück" ins Ohr.
Jade warf mir einen fragenden Blick zu, dann richtete ich mich auf und wir machten uns begleitet von klappernden Pferdehufen auf den Weg dem Horizont entgegen.

Be my princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt