12.Kapitel

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2 Monate später

Schon als ich die große, rote Kutsche, die meine Gäste bringen sollte, vom Fenster aus sah, sprang ich auf und lief runter in den Schlosshof. Es war Sommer geworden. Die malerischen, roten Rosen blühten in allen Beeten und der Himmel war so blau, wie man es sich im kalten Winter nur erträumen konnte. Nur ein paar schneeweiße Schäfchenwolken bildeten einen schönen Kontrast.
Die Tür der Kutsche ging auf und für diesen Moment verstummte alles um mich herum. Das Klappern der Pferdehufe und das Stimmengewirr, das sich aus dem Schloss anbahnte, traten in den Hintergrund. So aufgeregt war ich, Jade und Rafael wiederzusehen. Viel zu lange hatte ich mich allein gegen den König durchgekämpft.
Die Tür ging auf und es kam mir so vor als würden mir die zwei in Zeitlupe entgegen kommen. Rafael sah aus, wie der Traumprinz von dem  so viele Mädchen träumten. Jade dagegen war ein Mischung aus Göttin und kleines Mädchen. Ihr enges weißes Kleid und die magische Aura, die sie umgab, waren mehr als göttlich, doch ihr kindliches Grinsen und die verspielten Augen waren das komplette Gegenteil.
Wie von selbst stürmte ich auf sie zu und fiel zuerst Jade in die Arme. Sie sah mich aus ihren lieben braunen Augen an. Einen Augenblick lang musste ich mit mir kämpfen, um sie nicht zu küssen, doch meine Lippen landeten im letzten Moment auf ihrer Wange und nicht da, wo ich sie am liebsten wollte. Auch Rafael zog mich in seine Arme und platzierte einen kleinen Kuss auf meiner Stirn.

"Ich hab euch soooooo vermisst!", schrie ich die zwei beinahe an.
"Soooooo?", fragte Jade belustigt.
"Ja genau soooooo, bis zum Mond und wieder zurück"

Ich liebte es mit ihnen herumzualbern. Auch wenn wir uns kaum ein paar Wochen kannten, konnte ich mir kein Leben mehr ohne Rafael und besonders Jade vorstellen.

"Nein ich hab euch wirklich vermisst", teilte ich ihnen mit plötzlich versteinerter Miene mit.
Mein Verhältnis zum König hatte sich kein Stück verbessert, eher war es noch schlechter geworden. Einige Tage nach meinem Gespräch mit Lichthofen war meine Wut soweit abgeklungen, dass sie zur Trauer wurde. Ich konnte mich genau daran erinnern, wie wir vor ein paar Tagen zu Abend gegessen hatten, wie es mittlerweile so üblich war ohne den König. Die Blicke meiner Mutter stahlen sich bis heute noch in meine tiefsten Träume. Sie waren voller Enttäuschung. Lieber hätte ich sie wütend auf mich einschreien erlebt, aber Trauer und Enttäuschung waren schwer zu behandelnde Gefühle. Ich konnte sie verstehen, denn ich vermisste unsere Familie wahrscheinlich genauso sehr wie alle anderen. Jedoch fand ich es egoistisch das Wohl von einer handvoll Personen über das Tausender zu stellen. Trotzdem kamen mit den hängenden Mienen meiner Lieben, selbst Bennett, den sonst nur seine  Kuscheltiere näher interessierten, hatte Wind vom Streit zwischen dem König und mir bekommen, eine Art Zweifel und Schuldgefühle in mir auf. Das Gefühl, das mich dazu antrieb für Veränderungen zu kämpfen, war ein hoch loderndes Feuer in mir. In mir brandte der Gedanke, den ich in anderen entzünden wollte, jedoch waren meine Schuldgefühle wie Regen. Beides würde nicht in mir überleben können. Nach dem Abendessen hatte ich mich unter den Kirschblütenbaum gesetzt und versuchte meine Gedanke auf Papier in Worte zu fassen, um sie endgültig aus meinem Kopf zu verbannen. Das Blatt in meinem Notizbuch blieb leer. Nichtmal schreiben konnte ich mehr. Ich ließ mich ganz in den grünen Rasen fallen und beobachtete die Wolken tanzen. Wie konnte alles um mich so sommerlich gar glücklich sein? Wahrscheinlich war das der einzige Augenblick, in dem ich mir ein paar Regenschauer gewünscht hatte. Dann musste ich halt alleine ohne den Himmel weinen. Nach ein paar Minuten oder Stunden, ich war mir da nicht so sicher, die ich weinend im Grass verbrachte, hörte ich Schritte hinter mir. Schritte, die ich überall wiedererkannt hätte, langsam, schreitend, kräftig und stark. Der König. Ich wusste nicht wieso ich es getan hatte, aber ich drehte mich um und sah ihm direkt in die Augen. Sie sahen genauso aus wie meine. Glänzende Saphiere. Anstatt mit mir zu sprechen und das ein oder andere Problem aus der Welt zu schaffen, blieb der König einfach nur stehen und beobachtete mich für eine Weile. Er stand einfach da und sah mir beim weinen zu. Musste es ihm nicht das Herz brechen sein Kind, seine kleine Tochter, sein Prinzesschen so aufgelöst zu sehen? Er wusste genau wie mir die angespannte Situation wehtat. Aber es war okay, denn ich liebte den Schmerz er ließ mich weniger schuldig wirken. Ich spielte lieber das Opfer anstatt zuzugeben, dass ich der eigentliche Täter war.

"Und deshalb müssen wir höchste Diskretion währen, sonst werden wir vermutlich auch..."
In seinem Kopf fügte vermutlich gerade jeder etwas wie hingerichtet, getötet oder abgemurkst hinzu. Lichthofen und ich waren gerade fertig Jade und Rafael in unsere Pläne und die Geschehnisse während ihrer Abwesenheit einzuweihen. Die beiden nickten mit versteinerten Blicken. Niemand hörte gerne Geschichten von kaltherzigen Königen, doch diesmal war es nicht nur ein Märchen sondern die Realität.
"Ich gehe jetzt schlafen", sagte Lichthofen, "und das soltet ihr auch tun. Viel zu häufig bleibt als einzige Flucht ein Traum "
Nacheinander verließen Lichthofen und Rafael mit müden Gesichtern mein Zimmer. Als Jade gerade aufstehen wollte, hielt ich sie am Arm zurück.
"Bleib",flüsterte ich. Ihre verspielten braunen Augen blickten mir irritiert entgegen. Mir fiel wieder ein, wie wir auseinander gegangen waren... Ich hatte vor alles wieder gut zu machen. Ich konnte nicht mehr ohne sie leben und  wollte auch keinen Liebhaber und Freund in einer Nacht verlieren. Jade war es, die mich lachen ließ, doch sie war es auch, die mich sanfte Tränen auf mein Kopfkissen weinen ließ. Sie war meine große Liebe. Ich klopfte neben mir aufs weiche Himmelbett als Zeichen sie solle sich zu mir setzen. Sie gehorchte, fixierte mit ihrem sehnsuchtsvollem Blick meine Augen und sperrte sie wie in einem Käfig ein. Unsere Hände hatten irgendwie zusammengefunden und streichelten nun  einander liebevoll.
"Es tut mir leid, dass ich dich neulich so bedrängt habe", flüsterte sie.
"Und es tut mir leid, dass ich es nicht zugelassen habe"
Ihr kleiner Kopf beugte sich nach vorn und ihre Lippen hauchten einen Kuss auf meine Wange. Es fühlte sich mehr so an als wolle sie mich einatmen, damit wir uns nie wieder trennten.
"Jade?"
"Mmmh"
"Ohne dich fühlt sich nichts was ich erlebe real an...", murmelte ich.
Sie löste sich wieder vorsichtig von mir, um mich anblicken zu können.
"Es hat mich krank gemacht, dich nach einem Streit gehen zu lassen...", setzte ich fort, "und ich will mich überhaupt nicht mehr mit dir streiten und dich schon gar nicht wieder verlieren. Ich will alles das sein, was du magst und was dir lieb und teuer ist. Gib mir dein Leben. Ich werde dir meins geben"
Die letzten Worte hatte ich nur in die Luft gehaucht, aber sie schienen bei Jade angekommen zu sein.
"Je t'aime", hörte ich sie flüstern, bevor ich mich nach vorne beugte. Ich versuchte ihre Gesichtszüge, jede Lachfalte und jeden Farbton ihrer Augen in meinem Kopf zu speichern. Die Kunst ihres Schöpfers raubte mir jedes mal den Verstand.
"Küss mich endlich", flüsterte Jade.  Somit trafen sich unsere Lippen erneut und in meinem Bauch tobten die für lange Zeit verschollen geglaubten Schmetterlinge.

Be my princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt