Die Straßen waren mit Menschen überfüllt, Mütter mit ihren Kinder, die auf dem Weg nach Hause waren, Handwerker und Zimmermänner, die Bretter vor sich her trugen und Blumenmädchen, die versuchten sich mit Primeln, Rosen oder Narzissen ihr Mittagessen zu verdienen. Die Mittagssonne stand mitten am Himmel über der Stadt. Jade und ich waren gerade dabei uns einen Platz zum Schlafen zu suchen. Lichthofen hatte gesagt, dass wir viel Unterstützung unterm Volk hätten und dass uns geholfen würde.
"Hoo", rief ich und zog die Zügel meines Pferdes vor der Gaststätte an, in der ich vor ein paar Wochen noch meine Reden gehalten hatte.
Durch das kleine Fenster sah ich die Wirtin, wie sie sich einen Zopf band, die Schürze anzog und anfing Gläser, Teller und Besteck abzuwaschen.
Nachdem wir die Pferde angebunden hatten, betraten Jade und ich das alte Haus. Mit dem Öffnen der Tür fing eine kleine Glocke an zu läuten. Die Wirtin blickte uns entgegen und erschrak.
"Eure Majestät", stieß sie aus, während sie sich hastig verbeugte.
"Selina genügt bei mir"
Sie machte Anstalten, mir die Hand zu schütteln, doch ich zog die Frau mittleren Alters in eine feste Umarmung. Sie sollte wissen, dass ich zum Volk gehörte, dass ich eine von ihnen war.
"Ich bin Alma", stellte sie sich nervös vor. Ihre Hände kneteten den blau karrierten Stoff der Schürze.
"Guten Morgen Alma...Ich hab eine Bitte an dich. Wir suchen ein Quartier für die Nacht"
Die Dame nickte besorgt.
"Natürlich könnt ihr hier übernachten"
Klug wie sie war, fragte sie nicht nach den Gründen unseres Besuchs. Alma blickte für einen kurzen Augenblick aus dem Fenster hinaus. Schlagartig weiteten sich ihre Pupillen.
"Majest... Selina du, du musst aufpassen"
Fragend zog ich eine Augenbraue hoch.
"Überall in der Stadt hängen Plakate. Der König sucht dich. Auf dich ist Kopfgeld ausgesetzt und nicht mal eine schlechte Summe"
Mist. Das konnte doch nicht war sein. Es war klar, dass der König mich suchen würde, aber dass er dann auch noch einen Keil zwischen mich und mein Volk trieb... Er war schlauer als ich gedacht hatte.
"Wirst du mich verraten, Alma?", fragte ich angespannt.
Unsere Blicke trafen sich und ihre Augen sahen mich treuherzig an.
"Natürlich nicht. Ich stehe auf deiner Seite und egal was du hier machst, ich bin mir sicher, dass es ein Teil deiner Pläne ist"
Mit einem Nicken versuchte ich mich zu bedanken.
"In der Stadt war so einiges los, also ist es durchaus möglich, dass uns jemand erkannt hat. Meinst du jemand sagt es dem König?"
Jade warf einen fragenden Blick in die Runde.
Sie griff nach meiner schwitzigen Hand. Ihr ging es ähnlich, denn auch sie schien unnatürlich angespannt.
" Nur ein Narr würde zum König gehen... Was sollen wir denn mit dem Geld? Was bringt ein Haufen Kohle wenn es nicht mal was zu kaufen gibt. Diese Stadt ist arm. Das ganze Königreich ist arm und von den vergangenen Unwettern geschädigt.
Niemand unterstützt den König, alle stehen hinter dir Selina"
Ich hoffte in diesem Moment nur, dass ich die Leute nicht enttäuschen würde...Ich ließ mich aufs Bett fallen. Mein Bett im Schloss war tausend mal weicher und mein Zimmer doppelt so schön, aber es war mir viel lieber hier zu schlafen, bei Menschen, die mich nicht nur mochten, weil ich die Prinzessin war. Menschen, die sich hinter mich stellten und mir ihr Leben anvertrauten. Außerdem musste ich mich hier nicht für meine Liebe zu Jade schämen. Niemand wusste von uns und das bedeutete Freiheit. Wann würden die Menschen endlich erkennen, dass es die gleiche Liebe ist, egal wer sie wem schenkt. Jade räumte noch die wenigen Kleidungsstücke, die wir mitgebracht hatten in einen dunklen Eichenschrank, dann legte sich die kleine Brünette zu mir.
"Glaubst du jemand wird uns verraten? Ich meine Alma hat uns zwar das Gegenteil versichert aber ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung wie weit die Leute hier gehen würden, wenn sie denken, es würde ihnen eine bessere Zukunft bringen. Ich bin mir in dieser Hinsicht nicht sicher, ob sie lieber auf mich setzen oder auf Geld...Meine Pläne sind genauso riskant. Leider", sprach ich die Gedanken aus, die seit unserer Ankunft in meinem Kopf kreisten. Ich musste das, was in mir vorging, nicht mehr hinter zugeklappten Buchseiten verstecken. Jetzt hatte ich Jade, der ich alles erzählen konnte.
"Wenn sie nur ein Körnchen Verstand haben, werden sie nicht an dir zweifeln. Du hast viel aus den Fehlern deines Vaters gelernt und aus dem kleinen, braven Mädchen ist ein Krieger, ein Anführer geworden"
Jades Stirn war in Falten gelegt wie immer, wenn sie über etwas grübelte.
Sie hatte Recht, mit dem was sie sagte. Ich hörte die Wahrheit in ihrer Stimme und noch stärker fühlte ich sie in meinem Herzen.
"Meinst du sie akzeptieren uns als Paar... Und mich als Prinzessin, wenn das Volk die Wahrheit kennt?", fragte ich bedrückt. Wenn es soweit kommen würde, wie sollte ich mich dann entscheiden zwischen zwei so unterschiedlichen Seiten der Liebe... Meine romantische Liebe zu Jade oder die mütterliche Liebe zu meinem Volk...
"Nur weil du keinen Prinz hast, heißt es noch lange nicht, dass du keine Prinzessin bist""Selina, Jade wacht auf!", rief Alma. Ihre Stimme zitterte. "Der König will Lichthofen hinrichten"
Mit diesen Worten verwandelten sich meine bunten Halbschlaffantasien in die schwarze Realität zurück.
Blitzartig stand ich auf. Das Schicksal wollte meine Pläne wohl so früh wie möglich in Taten umsetzen.
"Geht auf die Straßen und ruft alle zusammen, die bereit sind für die Freiheit zu kämpfen... Die bereit sind den König zu stürzen. Sie sollen vorbereitet sein"
Mit diesen Worten verschwand ich aus unserem Zimmer, aus dem Wirtshaus und sogar aus der Stadt, denn ich musste zum Schloss und durfte keine Zeit mehr verlieren.

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Be my princess
RomancePrinzessin Selina soll mit dem französischen Prinzen Rafael verheiratet werden. Nur widerwillig kann sie der Heirat zustimmen. Bei der ersten Begegnung merkt sie, dass ihr zukünftiger Gatte ganz nett und gutherzig ist, jedoch geht ihr seine Schweste...