Tag 5 - Ein neues Zuhause

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Als das kleine Kätzchen wieder aufwacht, befindet es sich in einer warmen Küche. Es duftet nach den ersten Plätzchen, nach Zimt und Muskat, nach Vanille und Lebkuchengewürz. Leise Weihnachtsmusik hängt in der Luft und eine Symphonie aus rotem und goldenem Glitzer hängt in Girlandenform von der Decke. Dieser Raum könnte sich auch im Haus des Weihnachtsmannes selbst befinden.

Die besinnliche Stimmung wird jedoch jäh unterbrochen, als die zwei Frauen lautstark redend das Zimmer betreten.

„Oh, schau nur Bella, er ist aufgewacht." Die alte Dame nähert sich mit ihrem kleinen Finder dem Köpfchen des Katers, der ihm wohlwollend entgegenkommt.

„Ja, Mutter, ein wirklich schönes Tier und die Mädchen würden sich auch sicher freuen, aber du weißt doch, wir haben nicht viel Platz und so eine Katze macht auch nicht gerade wenig Arbeit."

„Ach Mädchen, ich weiß es ist nicht immer alles leicht, aber denk doch mal an deine Kindheit und welche Freude dir deine Katze bereitet hat."

Da hatte sie recht. Bella stützt sich mit den Ellbogen auf die Fensterbank und legt ihren Kopf darauf. Schweigend blickt sie in die früh einsetzende Dämmerung. Draußen ist noch alles weiß und die ersten Sterne erleuchten den Horizont wie ein nebliges Tuch, das sich über der Landschaft ausbreitet.

Bella ist allein. Schon sehr lange. Außer ihren drei Töchtern und ihrer Mutter hat sie niemanden. Das sind natürlich viele moralische Stützen, aber finanziell können einem eine Rentnerin und drei kleine Mädchen leider nicht sehr viel unter die Arme greifen. Sie versucht, an allen Enden zu sparen, geht Arbeiten in drei verschiedenen Jobs, kümmert sich um ihre Kinder, die auf keinen Fall auch noch ohne Mutter aufwachsen sollen und schmeißt den Haushalt. Das alles kostet sie Kraft, Disziplin und manchmal auch den letzten Nerv. Doch sie macht es gern. Denn sie liebt nicht auf der Welt mehr als ihre Töchter.

Anders als ihr Ex-Mann. Der hatte sich aus dem Staub gemacht, als das dritte Kind auf dem Weg war. Kein besonders guter Vater und ein noch schlechterer Ehemann. Seine Töchter hatte er immer behandelt wie lästige Fliegen und wenn sie ihm auf die Nerven gingen, dann schlug er einmal zu und hatte seine Ruhe. Ähnlich erging es auch ihr. Er war kein von Grund auf schlechter Mensch, wirklich nicht. Doch die ganze Situation, seine Arbeitslosigkeit, das fehlende Geld, die Kinder, er konnte damit nicht umgehen. Schließlich sah Bella keinen Ausweg, als ihn vor die Tür zu setzen.

Sie erinnert sich noch genau an diesen Tag. Sie hatte solche Angst, wie er reagieren würde. Ob er gewalttätig werden würde. Doch sie hatte keine andere Wahl. Für sie und ihre Töchter war es der einzige Weg ein Leben zu führen, in dem sie sich nicht fürchten mussten, in dem sie glücklich sein konnten. Als sie es ihm sagte, schwieg er nur. Er nahm seine Sachen und verschwand einfach. Er sagte nicht ein Wort. Er nickte nur und hatte Tränen in den Augen. Der einzige Kontakt, der noch bestand, lief über die Scheidungsanwälte. Für Bella und ihre Kinder war es ein Befreiungsschlag und ein Schritt ins Ungewisse. Wie würde sie als alleinerziehende Mutter dreier Kinder die Familie versorgen sollen?

Auch jetzt ist das noch eine ihrer größten Sorgen, auch wenn das Ganze bereits zwei Jahre her ist und die kleine Familie mittlerweile schon sehr viel sicherer und selbstbewusster im Leben steht. Und vor allem glücklicher.

Bella denkt wieder über das Kätzchen nach. Ein Tier zu halten bedeutet viel Arbeit, auch viel Geld und vor allem Verantwortung. Sie ist unsicher, ob sie und ihrer drei Rabauken solch einer Verantwortung gewachsen sind. Doch dann erinnert sie sich an die Katze, die sie hatte als sie noch ein Mädchen war. Miss Minky. Miss Minky war eine braun-orange gestreifte Katze mit weißen Pfötchen und einem wuschigen Fell. Bella hatte sie geliebt und sich um sie gekümmert wie um ihr eigenes Kind. Minky wurde auch sehr alt und starb erst, als Bella bereits die Schule abgeschlossen hatte. Sie und Miss Minky hatten eine tolle Zeit gemeinsam verbracht und was auch geschah, dieses Tier war immer für sie da, gab ihr Halt und Geborgenheit und kümmerte sich unvoreingenommen um jedes ihrer Probleme. Zumindest hatte es den Anschein danach. Es gibt doch keine Verbindung, wie die zwischen Mensch und Tier.

Bella spürt ein warmes etwas, das um ihrer Ellbogen herumstreicht. Es ist das Kätzchen, welches aus dem Karton geklettert war und sich nun mit seinem weichen kleinen Körper an ihren Arm presste.

Bella huscht ein Lächeln über die Lippen.

„Siehst du, er mag dich", sagt ihre Mutter mit einem Grinsen.

„Schätze schon", antwortet Bella lachend.

„Okay, wir behalten ihn. Die Mädchen werden sich sicherlich freuen und am Ende mache ich eben wieder das Katzenklo sauber."

„DU weißt ja schon wie es geht." Die alte Dame zwinkert ihrer Tochter zu.

Die beiden umarmen sich, dann begleitet Bella ihre Mutter zu Tür und schließt sie sachte hinter ihr. Sie nimmt den kleinen Kater auf den Arm und schmeichelt ihn sanft.

„Und wir beide machen dir jetzt erstmal ein kleines Schälchen voll Milch, hm?"

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