Verletzt

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Meine nassen Haare vielen mir ins Gesicht. Ich sah in seine weit aufgerissenen Augen und brachte kein Wort hervor. Was hätte ich ihm auch zu sagen? Dass er mich verletzt hat, mich alleine zurück gelassen hat? Und ich dachte,...

„Chrisi..."

Seine Stimme zitterte förmlich. Er kam näher. Seine Lippen berührten mein Ohr. Wie erstarrt blieb ich im Regen stehen, bewegte keinen einzigen Muskel und lauschte nur seiner Stimme.

„Ich...ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Wie hast du es geschafft abzuhauen?"

Ich antwortete ihm nicht. Ich starrte auf die Pfütze vor mir und sah den hüpfenden Regentropfen zu. Tränen liefen mir die Wangen hinunter und ich wünschte, mich in Luft auflösen zu können.

„Chrisi. Es...tut mir leid, dich im Stich gelassen zu haben."

„Ach wirklich?"

Meine Stimme klang zerbrechlich und leise. Immer noch starrte ich auf die Pfütze.

„Kannst du mir verzeihen?"

In meinem Kopf drehte sich alles. Verzeihen, konnte ich das? Habe ich Sam verziehen? Warum sollte ich also Jakob verzeihen?

„Ich bin nicht abgehauen!"

„Was?"

Jakob klang verwirrt. Ich ging ein paar Schritte zurück, um ihm tief in die Augen sehen zu können.

„Du hast mich schon verstanden. Ich bin nicht abgehauen. Sam hat mich gehen lassen."

„Er hat was?"

Jakob sah mich schockiert an.

„Ja. Und ich verzeih ihm, was er mir angetan hat. Er...er ist nicht so ein Monster, wie ihr alle gesagt habt. Er ist vielmehr..."

Jakob starrte mich nur noch an.

„Weißt du, was du da sagst?"

Ich hörte ihm gar nicht zu. Immer mehr Tränen kullerten über meine Wangen.

„Er ist vielmehr verletzlich, liebevoll, freundlich und...und ich verzeihe ihm. Ich war diejenige, die ihm Unrecht angetan hat. Und er hatte Recht. Du und Tamira, ihr wart es, die mich nur benutzt haben."

„Das stimmt doch gar nicht!"

„Ach nein? Wieso hat dann keiner von euch versucht, mich da rauszuholen? Stattdessen lebt ihr, als hätte es mich nie gegeben!"

Ich schrie ihn an. All meine Wut und Verzweiflung lies ich aus mir raus. Es tat fast gut, diesen dicken Kloß im Hals loszuwerden. Immer noch sah ich ihn an. Jetzt blickte er zu der Pfütze und schwieg. Langsam ging ich auf ihn zu. Bis meine Wange die seine berührte. Ganz leise flüsterte ich in sein Ohr.

„Und ich dachte, ich bedeute dir etwas."

Mit diesen letzten Worten ging ich einfach an ihm vorbei. Die Tränen wischte ich mit meiner Hand weg. Aufrecht und stark ging ich, ohne mich noch einmal umzudrehen. Wenigstens meine letzte Würde lasse ich mir nicht nehmen. Er sollte nicht sehen, wie stark verletzt ich war. Jakob sollte Vergangenheit sein.


Der Teufel lebt weiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt