Prolog

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Schwer atmend starrte Yara auf die Leiche zu ihren Füßen. Sie unterdrückte ein Keuchen und bemühte sich, möglichst ruhig zu atmen. Sie hatte vergessen, wie anstrengend einer dieser tödlichen Blitze war, hatte sie doch schon sehr lange keinen mehr erzeugt.
„Und das ist auch gut so." murmelte sie vor sich hin. Aria warf ihr einen schrägen Blick zu.
„Hast du was gesagt?"

Yara schüttelte stumm den Kopf und sah zu, wie Aria zu Azita's Leiche watschelte. Sie stieß dem leblosen Körper mit dem Fuß an, wie um zu testen, ob ihre Feindin wirklich tot war. Bei diesem Anblick musste Yara schlucken. Wie respektlos Aria mit den Toten umging, war ihr bekannt, doch das hier war ein anderes Kaliber. Xanthos stand wie in Trance neben Yara, sagte keinen Ton und stierte nur vor sich hin.
„Es ist vorbei." meinte er tonlos.
„Ja." Aria sah auf und winkte die anderen beiden zu sich. „Und jetzt marschieren wir in Azita's Lager ein und löschen diese vermaledeiten Feuerbändiger ein für alle aus!"

Während sie aus dem Zelt stürmte und Xanthos ihr wie selbstverständlich hinterherging, blickte Yara auf Azita hinab. Sie fühlte sich seltsam schuldig, gleichzeitig aber auch emotionslos und kalt. So lange schon bekriegten sie sich und jetzt war alles vorbei. Einfach so. So, wie sie da lag, in sich zusammengefallen und schlaff, wirkte Azita längst nicht mehr so stark und selbstbewusst wie noch vor einigen Minuten. Yara sah ihr direkt ins Gesicht, Azita's Augen lagen in tiefen Höhlen, ihre Wangen waren eingefallen, die Lippen spröde und aufgeplatzt. Ihr Körper war ausgezehrt, mager und die Haut spannte über den Knochen. Aber am schlimmsten fand Yara Azita's Augen. Sie waren weit geöffnet und zeigten nicht das kleinste bisschen Angst. Die türkisblauen Pupillen schienen auch jetzt noch zu leuchten und starrten Yara grimmig an.

„Es tut mir Leid." flüsterte sie kaum hörbar und folgte Aria und Xanthos. Die Beiden warteten keineswegs auf sie, sondern gingen umher und trommelten ihre Anhänger zusammen.
„Frauen deren Kinder unter vier Jahre alt sind, bleiben hier, der Rest kommt mit!" befahl Aria einem Offizier, der sofort kehrtmachte und, die Anweisungen laut wiederholend, auf die wachsende Menge der zum Kampf bereiten Bändiger zuschritt. Yara wurde schlecht, als sie sah, wie viele Menschen bereit waren, ihresgleichen zu ermorden.
Die hartnäckige Stimme in ihrem Hinterkopf, die Yara zuraunte,d Ass sie selbst doch auch unzählige Menschen getötet hatte, verdrängte diese gleich wieder. Yara reihte sich ganz vorne in der Menge ein, direkt neben Xanthos und Aria, die mit unergründlichem Gesichtsausdruck einen Dolch in Händen hielt.

„Legen wir los!" sagte sie grimmig und winkte mit einer Hand zum Aufbruch. Die Armee marschierte hinter den dreien her, wild und ungeordnet.
Yara merkte, dass Aria sich bemühen musste, mit ihr Schritt zu halten und fragte:
„Sollen wir langsamer gehen?"
„Vergiss es!" keuchte Aria und ballte eine Hand zur Faust, „Je eher diese Verräter sterben, desto besser!"
„Aber hast du dir das auch wirklich gut überlegt?" Yara fasste Aria nervös beim Arm, doch diese schüttelte die Schwarzhaarige sogleich wieder ab.

„Ja." meinte sie nur.
„Ich will ja nur sagen..." Yara verstummte. Aria war von solch einem Hass auf alle Feuerbändiger getrieben, das jeder Versuch, sie umzustimmen sie glauben ließ, jene Person, die es gewagt hatte, ihre Stimme gegen sie zu erheben, wäre eine Verschwörerin und würde mit den Feuerbändigern unter einer Decke stecken. Yara versuchte es trotzdem.
„Ich meine doch bloß, dass man die Feuerbändiger ja nicht unbedingt umbringen muss." sagte sie vorsichtig. „Man könnte sie auch... versklaven... und... naja, dann wäre das Problem auch gelöst."
Aria beobachtete Yara einige Momente missbilligend.

„Wann bist du so verweichlicht geworden?" fauchte sie. Dann wandte sie den Blick ab.
„Ich werde keine dieser erbärmlichen Kreaturen am Leben lassen!" wetterte sie, „Koste es, was es wolle, ich werde sie auslöschen!"
Yara senkte den Blick und seufzte innerlich. Sie hatte noch Glück gehabt, dass Aria sie nicht auch hatte umbringen wollen. Sie konnte nichts mehr für die Feuerbändiger tun.

Es dauerte noch kaum eine Stunde, bis sie das Lager der Feuerbändiger erreichten. Es bestand aus einigen Holzbaracken mit Grasdächern, die wohl eilig und mehr schlecht als recht gebaut worden waren und aus dürftigen, aus Laken angefertigten Zelten. Ein flüchtig errichteter Wall aus grob angespitzten, nach außen gerichteten Holzstäben und Metallspießen hatte wohl einst ungebetene Gäste ferngehalten, doch inzwischen war das Holz löchrig und das Metall rostig. Große Löcher waren in den Schutzwall gerissen, sodass die Baracken dahinter frei lagen und einige der Holzteile waren abgebrochen.

Hinter dem Wall konnte man Menschen erkennen, die dort umhergingen, Männer, Frauen und auch Kinder, doch über allem lag ein Schleier des Schweigens. Es war geradezu unnatürlich still dafür, dass in diesem dürftigen Lager das Volk des einst zahlreichsten Elements wohnte.
Aria hielt ihre Armee direkt vor der Schutzblockade an und verengte ihre Augen zu wütenden Schlitzen.
„Geht rein," zischte sie düster nach hinten zu ihren Mannen, „und bringt sie alle um!"

FeuerkampfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt