II

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Am nächsten Morgen wurde ich durch einen Schwall Wasser geweckt, der mich mitten im Gesicht traf. Währen ich hustend, spuckend und triefend hochschreckte, sah mich Amy, alias die Übeltäterin, nur mitleidlos an.

„Du hast den Wecker verpennt." meinte sie trocken und hielt mir anschließend ein kleines Handtuch hin. Ich riss es ihr grinsend aus der Hand und rubbelte mir die Haare und das Gesicht damit trocken, bevor ich mich aus dem Bett quälte und gleich im Badezimmer verschwand. Dort stellte ich mich vor den Spiegel und betrachtete meine Augen. Seit sie im letzten Sommer allmählich ihre Farbe von graublau zu türkisblau gewechselt hatte, tat ich dies öfter, um zu kontrollieren, ob sie sich erneut verändert hatten. Ich hatte keine Erklärung für dieses Phänomen und auch Mrs. Walsh, die Direktorin konnte es sich nicht erklären. Laut ihrer Theorie hatten meine Augen ihre Farbe verändert, da Azita, die zweite Person in mir, immer stärker wurde, doch demnach hätten sie sich auch wieder normalisieren müssen, nachdem wir Azita erfolgreich 'entfernt' hatten. Doch dies war nicht passiert, meine Augen waren unerklärlicherweise türkis geblieben und so sah ich nun aus wie Merida aus dem Film 'Brave', den meine kleine Cousine mir in den Ferien gezeigt hatte. Auch meine Haare waren länger geworden und gingen mir nun bis zu den Schlüsselbeinen.

Als ich nach meiner Zahnbürste greifen wollte, die ich gestern, wie schon im letzten Jahr, auf die Ablage neben dem Waschbecken gelegt hatte, hielt ich plötzlich eine quietschgelbe Tube mit irgendeinem Beautyzeugs in der Hand. Alarmiert sah ich mich um und stellte mit Schrecken fest, dass jeder Millimeter unseres noch so kleines Bads mit Utensilien von Leela besetzt war.

„Leela? Kommst du mal kurz ins Bad?" rief ich durch die geschlossene Tür und kurz darauf erschien tatsächlich eine noch sehr verschlafene Leela im Türrahmen.
„Was ist los?" fragte sie müde und rieb sich die Augen.
„Was bitte soll dieser ganze Müll hier im Bad?" beschwerte ich mich, doch Leela zuckte nur mit den Schultern.
"Das brauche ich für mein jugendliches Aussehen." meinte sie ungerührt.
„Du bist vierzehn Jahre alt." erwiderte ich, „ Wenn du jugendlich aussehen willst, musst du nicht mal was dafür tun."

Kurzerhand schob ich all die Sachen zur Seite an die Wand und tat so, als hätte ich nicht bemerkt, dass unzählige kleine Dosen und Fläschchen zu Boden segelten.
„Das ist Schminke!" rief Leela entsetzt, als ob diese Bemerkung rechtfertigen würde, dass sie den gesamten Platz einnahm.
„Krieg erst mal deine Periode bevor du beginnst, dir Zeugs ins Gesicht zu klatschen." Wandte Trish ein, die uns interessiert beobachtete.
„Pah!" Leela hob mit trotzigem Gesichtsausdruck ihren Kram vom Boden auf und trug ihn zu ihrem Schrank.
„Aber glaubt nicht, dass ihr meine Sachen jetzt noch mitbenutzen dürft!"

„Ich verzichte freiwillig." grummelte ich und zog meine Zahnbürste aus dem Wirrwarr von Feuchtigkeitscremes, Concealertuben und MakeUpschwämmchen, in das sie hineingeraten war. Leider klebten irgendwelche falschen Wimpern an den Borsten, weswegen ich meine Zahnbürste - mangels Alternative - erst einmal gründlich auswusch.
Amy betrat plötzlich das Bad und lehnte sich über das unbesetzte Waschbecken zum Spiegel, um sich die Augenbrauen zu zupfen und in die richtige Richtung zu streichen.
„Frühstücken wir zusammen?" fragte ich und sie nickte kurz, wandte jedoch den Blick nicht vom Spiegel ab.
„Ich hab überhaupt keinen Bock auf Sportunterricht beim Rennfrosch." maulte sie, während sie leicht rosafarbenen Lipgloss auftrug.
„Auch?" fragte sie und hielt mir den Pinsel hin, doch ich winkte ab.
„Ne, danke."

Nachdem ich mich angezogen hatte, verließen wir gemeinsam unser Zimmer und trafen auf dem Flur auf Cole und Jay, die dort wohl auf uns gewartet hatten.
„Na, freut ihr euch schon auf den Rennfrosch?" neckte uns Jay sofort und ich schüttelte völlig entnervt den Kopf.
„Erinnere mich nicht daran!" beklagte sich Cole und fuhr sich durch die schwarzen Haare, „Sie hasst mich so abgrundtief, man könnte glauben, sie hat was gegen dicke Leute."
„Hat sie wahrscheinlich auch." stellte Amy fest und klopfte Cole auf den Bauch, als dieser sich streckte. Empört funkelte er sie an, doch Amy lachte nur und grinste verschmitzt.

FeuerkampfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt