XXVI

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„Mila!", Amy klang schrill, ihre Stimme brach vor Verzweiflung und Schock. Die schwarzhaarige Werwölfin stürzte an mir vorbei und warf sich zu ihrer blonden Freundin auf den Boden, „Nein, Mila!"

Wir alle standen in Schockstarre um das Geschehen. Amy drehte Mila um und begann hysterisch zu schluchzen, als sie das Loch in Milas Brust entdeckte, aus dem Blut ihr T-Shirt besudelt hatte und die geöffneten, leeren Augen der Elementbändigerin, die zur Decke gerichtet waren. Der Eispfeil von Noah war direkt durch ihr Herz gegangen.
„Mila!"

Amy brach zusammen und klammerte sich am Körper ihrer Freundin fest, presste fieberhaft ihre linke Hand auf die Wunde, obwohl sich unter Mila dennoch langsam, aber stetig eine Blutlache bildete.

Trish war die Erste, die sich aus ihrer Schockstarre lösen konnte und sich an mir vorbei zu ihrer Schwester schob, deren herzzerreißende Schluchzer die angespannte Stille durchschnitten wie scharfes Glas. Als Trish Amy ihre Hände auf die Schultern legte und sanft versuchte, sie von Milas Körper wegzuziehen, schrie Amy verzweifelt auf und sträubte sich mit aller Kraft gegen ihren Zwilling.

„Nein!", stieß sie verzweifelt hervor und presste sich enger an Mila, während ihr Körper von heftigen Schluchzern durchgeschüttelt wurde, „Nein! Nein!"

„Amy...", Trish schob ihre Arme unter Amys hindurch und wandte nun ein wenig mehr Kraft auf, „lass sie los, bitte."

Trish klang unfassbar sanft, doch auch ihre Stimme hörte sich erstickt an und sie kämpfte ebenso mit den Tränen wie alle anderen Anwesenden.

Noch immer weigerte Amy sich, von Mila abzulassen und wehrte sich heftig gegen ihre Schwester, als diese sie endlich vom Boden hochzog.

„Lass mich los!", weinte Amy panisch und kämpfte mit Händen und Füßen gegen den Klammergriff ihrer Schwester an, „Lass mich los! Nein! Mila!"

Mrs. Walsh schob sich an mir vorbei und nahm wortlos die dünne Sommerdecke vom Bett, um Milas Körper damit notdürftig abzudecken. Kaum, dass der Anblick auf ihre Freundin ihr verwehrt wurde, brach Amy vollends in sich zusammen. Sie hörte auf, sich zu wehren und sackte zusammen, sodass nur Trish sie daran hinderte, auf den Boden zu fallen. Die Kurzhaarige drückte ihre schluchzende Schwester fest an sich und Amy verbarg ihr Gesicht an Trishs Hals. Ich schluchzte ebenfalls und sah fassungslos auf die inzwischen abgedeckte Leiche Milas. Im nächsten Moment presste sich ein kleinerer, schmaler Körper an mich und ich legte meine Arme beschützend um Leela, die von Mrs. Walsh vom Boden aufgelesen und an Mila vorbeigeführt worden war. Leela bebte vor Angst und emotionalem Schmerz in meinen Armen und bot mir genauso einen Halt wie ich ihr. Wir beide hielten einander und weinten hemmungslos darauf los. Ich konnte meinen Blick einfach nicht abwenden von dem, was noch vor wenigen Sekunden eine meiner besten Freundinnen gewesen war. Leela drückte ihr Gesicht gegen meine Schulter und ich schirmte sie von dem grausamen Anblick der Blutlache ab, die sich noch immer weiter ausbreitete.

„Ihr solltet ins Vorzimmer gehen", Mrs. Walsh legte mir sanft eine Hand auf die Schulter und ich nickte und legte Leela beschützend einen Arm um die Schultern, um die Jüngere nach vorne zu geleiten. Als die Schulleiterin versuchte, auch Trish und Amy zum Gehen zu bewegen, kehrte ein wenig der verzweifelten Energie in Amy zurück und sie stemmte ihre Füße in den Boden.

„Ich kann sie nicht alleine lassen!", schluchzte sie und versuchte, sich abermals zu Mila auf den Boden fallen zu lassen. Trish hielt ihre Schwester aufrecht und obwohl der Kurzhaarigen selbst Tränen wie Sturzbäche über die Wangen rannen, schaffte sie es irgendwie, die schreiende, schluchzende Amy aus dem Raum zu ziehen. Kaum vor der Tür versagten auch Trishs Beine und die beiden Schwestern sanken an der Wand zu Boden, Amy klammerte sich nun fest an ihrem Zwilling fest.

Meine eigene Brust hob und senkte sich unregelmäßig unter meinen heftigen Schluchzern und alles, was ich tun konnte, war, Leela so abzuschirmen, dass sie nicht zurück in das Krankenzimmer blicken konnte, in dem die Leiche unserer Freundin lag.

***

Keiner von uns konnte es glauben. Wir befanden uns mittlerweile in unserem Zimmer, alle waren noch immer fassungslos und bei keiner von uns waren die Tränen versiegt. Trish versuchte, trotz ihrer eigenen Trauer für die völlig am Boden zerstörte Amy da zu sein.

Letztere hatte sich auf ihrer Seite des Bettes zu einer Kugel zusammengerollt und presste sich ihr Kissen auf das Gesicht, um ihre Schluchzer zu dämpfen. Trish lag dicht neben ihrer Schwester und umarmte sie von hinten, strich Amy immer mal wieder durch die Haare oder flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr.

Doch nichts konnte gegen die Leere helfen, die in den Worten mitschwang und die sich kontinuierlich in unser aller Herzen ausbreitete. Leela hätte wohl eigentlich noch auf der Krankenstation bleiben müssen, doch weder sie, noch wir, noch Anne wollten sie alleine dort zurückhalten, weswegen sie nun in ihrem eigenen Bett lag. Die junge Luftbändigerin war bereits vor einer Viertelstunde vor purer Erschöpfung eingeschlafen, doch der Schlaf konnte nur eine temporäre Flucht vor der harten, grausamen Realität ermöglichen. Ich hatte mich in meine Bettdecke eingewickelt und saß stumm auf meinem Bett. Die Knie an die Brust gezogen und den Kopf darauf abgelegt, ging mein Blick ins Leere, während mir heiße Tränen über die Wangen liefen und von dem Stoff meiner Decke aufgesogen wurden.

Und obwohl Mila die einzige war, die heute gestorben war, hatte ich im gleichen Atemzug zwei Freunde verloren. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass Noah derjenige sein sollte, der für all die Angriffe verantwortlich gewesen war. Nie im Leben hätte ich ihn dahinter vermutet, er war doch einer meiner besten Freunde! Es war surreal, dass eine Person, der ich so sehr vertraute und die ich so sehr schätzte, so falsch sein konnte. Der nerdige, engagierte, zu jedem freundliche Noah. Noah, der im vergangenen Jahr erst seine Freundin verloren hatte...

Oh verdammt! Wenn Noah all die Angriffe begangen hatte, war er auch der Mörder von Sam! Ich konnte mich nur knapp beherrschen, diese Erkenntnis nicht sofort laut auszusprechen. Aber jetzt ergab alles einen Sinn! Nun, noch lange nicht alles, aber ich begann nun zu verstehen.

Noah hatte Sam getötet, Noah hatte Beverly die Treppe hinunter geschubst und Daniel auf der Toilette mit einem Messer angegriffen. Er war es, der das Regal auf Eleanor gekippt hatte, der Anthony in die Glasvitrine gedrückt hatte und er hatte auch Leela gestoßen, als sie die Treppe hinaufgegangen war.

Der Junge, den ich von Anfang an gekannt hatte, den ich für einen meiner besten Freunde gehalten hatte, für den ich beide Hände ins Feuer gelegt hätte, dieser Junge trachtete mir und so vielen anderen nach dem Leben.

Noch immer ergab vieles jedoch für mich keinen Sinn. Was war sein Motiv, wieso tat er all das? Wem wollte er damit schaden, gegen wen richtete sich sein Groll?

Ein besonders lautes Schluchzen von Amy riss mich aus meinen Gedanken zurück in die Realität und ich musste mir fest auf die Unterlippe beißen, um nicht selbst laut zu schluchzen. Noah war der skrupellose Mörder, der die Schule so lange auf Trab gehalten hatte! Meine Gedanken schweiften ab zu den heutigen Vorfällen im Krankenzimmer und ich schluchzte leise beim Gedanken an Mila, die so grausam aus dem Leben gerissen wurde. Sie war den Tod einer Heldin gestorben, da sie mit ihrem Handeln verhindern konnte, dass Noah Leela ernsthaften Schaden zufügen konnte, doch mir war nur allzu gut bewusst, dass dies – wenn überhaupt – nur ein schwacher Trost war.

Sam und Mila waren seiner Grausamkeit bereits zum Opfer gefallen, wer würde wohl der nächste sein? 


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Oh, ähm... noch einmal sorry, i guess? 

Immerhin wissen wir ja jetzt, wer der Böse ist, nicht wahr? Irgendwelche Vermutungen, was Noahs Plan sein könnte? Oder seine Beweggründe? 

Das nächste Kapitel wird bereits das letzte sein T.T 

Ich wünsche euch noch einen schönen Tag, eure MissWriter13 aka Lotta 

FeuerkampfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt